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Aktuell Schienenausbau

Ist die Regionalstadtbahn in Gefahr?

Per Brief an die drei Landratsämter Reutlingen, Tübingen und Zollernalb warnt Regierungspräsident Klaus Tappeser, dass es in den künftigen Jahren eng werden könnte mit der Finanzierbarkeit des Schienen-Großprojekts Regionalstadtbahn Neckar-Alb.

Die Ammertalbahn gehört zum Modul 1 der Regionalstadtbahn. Das große Schienenprojekt in der Region wird drei Milliarden Euro kos
Die Ammertalbahn. Foto: Stanislav Schitz
Die Ammertalbahn.
Foto: Stanislav Schitz

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Die Haushalte der drei Landkreise Reutlingen, Tübingen und Zollernalb sind vom Regierungspräsidium (RP) Tübingen genehmigt. Gleichzeitig mit der Genehmigung warnte der Regierungspräsident allerdings in einem Schreiben vor »erheblichen finanziellen Belastungen in den nächsten Jahren« aufgrund des großen Projekts Regionalstadtbahn: Eine Realisierung des Großvorhabens gehöre nur zu den nachgeordneten Aufgaben der Landkreise und sei nur im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit möglich, heißt es in dem Schreiben. Zuerst müssten die Pflichtaufgaben erfüllt werden. Mit dem Großvorhaben ist die Regionalstadtbahn Neckar-Alb gemeint.

In puncto Regionalstadtbahn ist das Schreiben an alle drei Landratsämter gleich: Tappeser weist darauf hin, dass die Rahmenbedingungen im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die zu erwartenden Steuereinnahmen immer schwieriger werden. Im Hinblick auf das Projekt Regionalstadtbahn habe der jeder Landkreis darauf zu achten, dass »seine finanzielle Leistungsfähigkeit dennoch erhalten bleibt.«

Das heißt aber nicht, dass das Regierungspräsidium den Bau der Bahn nicht unterstützt, betont Matthias Aßfalg von der Pressestelle des RP. Im Gegenteil: Das Großvorhaben werde von der Behörde als wichtiger Schritt, um die Mobilitätswende in der Region aktiv anzugehen, »sehr begrüßt«. Allerdings rage das Projekt mit einem Volumen von rund drei Milliarden Euro deutlich über sonstige Vorhaben hinaus und werde sich auch langfristig auf die Kommunen der Region Neckar-Alb auswirken. Es sei Aufgabe der Rechtsaufsichtsbehörde, auf die großen finanziellen Herausforderungen hinzuweisen. Aßfalg stellte auch klar, dass es keinen finanziellen Zusammenhang zwischen dem geplanten Aus- und Neubau der B 27 von Bodelshausen bis Nehren und der Mahnung an das Projekt Regionalstadtbahn gibt. Im Zollern-Alb-Kurier wurde das vermutet.

»Selbstverständlich müssen wir unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Blick behalten. - Der Reutlinger Landrat Dr. Ulich Fiedler«

Für den Reutlinger Landrat Ulrich Fiedler ist das alles keine Neuigkeit. Die Regionalstadtbahn sei für den Landkreis und alle Beteiligten eine immense finanzielle Herausforderung, antwortet er auf GEA-Nachfrage. Außerdem stünden weitere Investitionen ins Haus. Fiedler nennt dabei die Kreiskliniken und die beruflichen Schulen. »Selbstverständlich müssen wir unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Blick behalten und gegebenenfalls gut überlegen, in welchem Zeitraum wir unsere Vorhaben realisieren können«, so Fiedler weiter. Das alles ändere aber nichts an dem Vorhaben, den Schienenverkehr auszubauen: »In unserem Doppelhaushalt 2024/2025 haben wir die Mittel für die Regionalstadtbahn eingeplant und werden dieses wichtige Infrastrukturprojekt weiter vorantreiben.«

Kein Grund zur Panik, beschwichtigt auch der Tübinger Landrat Joachim Walter: »Für mich ist das ein normaler Vorgang. Wir wissen schon lange, dass das Vorhaben eine riesige Herausforderung wird. Auch in anderen Bereichen werden wir Haushaltsdisziplin an den Tag legen müssen.« Einen vergleichbaren Hinweis würde seine Behörde als Kommunalaufsicht den Städten und Gemeinden bei bestimmten Investitionen auch geben, sagt Walter. Am Bau der Bahn werde das nichts ändern: »Ich bin überzeugt, dass wir die Regionalstadtbahn – unser größtes Klimaschutzprojekt – brauchen. Sie wird kommen, auch wenn ich nicht ausschließe, dass es durch die schwierige Situation bei den Kommunalfinanzen zu Verzögerungen kommen kann.«

»Für mich ist das ein normaler Vorgang - Der Tübinger Landrat Joachim Walter «

Ganz so gelassen nahm der Landrat des Zollernalbkreises, Günther-Martin Pauli, den Brief aus Tübingen nicht. »Ich weiß nicht, ob es dafür Zeilengeld gegeben hat, aber dieser Belehrungen hätte es nun wirklich nicht bedurft«, zitiert der Zollern-Alb-Kurier den Landrat im Kreistag. Pauli wolle »noch einmal hinter den Kulissen abklären, wo es denn klemmt«. Der Zollernalbkreis muss in den kommenden Jahren nicht nur die Bahn finanzieren, sondern hat darüber hinaus auch den Bau eines Zentralklinikums in Balingen beschlossen.

»Dieser Belehrungen hätte es nun wirklich nicht bedurft - Der Landrat des Zollernalbkreises Günther-Martin Pauli«

»Wir sehen keine Veranlassung, das Projekt in Gefahr zu sehen«, sagt Pressesprecherin Andrea Müller vom Zweckverband Regionalstadtbahn. Schließlich sei es durch alle Gremien gegangen. »Alle Beschlüsse waren einstimmig.« Verbandsdirektor Eugen Höschele wird noch deutlicher: »Es liegen klare, demokratisch herbeigeführte Willenserklärungen zur Realisierung der Regional-Stadtbahn einschließlich der dafür nötigen Investitionen vor. Diese Entscheidungen gilt es zu respektieren. Ansonsten muss ich mir große Sorgen darüber machen, wie es um die kommunale Selbstverwaltungshoheit bestellt ist.«

Der Bau der Regionalbahn zähle, so die Pressemitteilung weiter, genauso wie der Lückenschluss der B 27, zu den verkehrspolitischen Zielen des Landes Baden-Württemberg. In Zeiten angespannter kommunaler Haushalte müsse an erster Stelle stehen, Wirtschaftswachstum zu ermöglichen und so eine solide Finanzierung der öffentlichen Hand sicherzustellen. Bei Haushaltsberatungen sollten konsequent Prioritäten gesetzt und sich noch stärker auf die Daseinsvorsorge konzentriert werden. »Hier sehe ich sowohl die Notwendigkeit eines leistungsstarken öffentlichen Personennahverkehrs als auch gut ausgebaute Straßen, aber selbstverständlich auch die Gesundheitsversorgung«, so Höschele. (GEA)