Logo
Aktuell Natur

In Reutlinger Wohngebiet sorgen Füchse für Aufsehen

Wieso Wildtiere menschliche Wohngebiete schätzen. Ein friedliches Nebeneinander ist möglich.

Nicht nur in offenen Mülleimern geht der schlaue Fuchs gerne essen. Auch Mäusenester in Komposthaufen findet er höchst anziehend
Nicht nur in offenen Mülleimern geht der schlaue Fuchs gerne essen. Auch Mäusenester in Komposthaufen findet er höchst anziehend. FOTO: PILICK/DPA
Nicht nur in offenen Mülleimern geht der schlaue Fuchs gerne essen. Auch Mäusenester in Komposthaufen findet er höchst anziehend. FOTO: PILICK/DPA

REUTLINGEN. Auf dem Lerchenbuckel sorgen Füchse für Aufsehen. Im idyllischen Wohngebiet schnürt Meister Reineke zwischen Einfamilienhäusern, spaziert der Nachwuchs in Vorgärten, oder gräbt sich die ganze tierische Familie einen schicken Bau unter der Gartenhütte. Anwohner der Aaraustraße oder des Kammweges machen häufig Bekanntschaft mit den Wildtieren. Die einen sind entsetzt und denken an übertragbare Krankheiten. Andere bewundern das Naturschauspiel, manche machen sich bei krank aussehenden Tieren sogar Sorgen. Zwei Fachmänner kommen gerne vor Ort mit den Anwohnern ins Gespräch. Da klärt sich so manches.

»Wer Natur um sich herum haben möchte, freut sich auch über die Tiere, die in dieser Natur ihren Lebensraum haben«, sagt Rupert Rosenstock als Wildtierbeauftragter des Landkreises Reutlingen. Zu seinen Aufgaben gehören Information, Beratung und Unterstützung beim Umgang mit jenen Lebewesen, die der Mensch als wild bezeichnet, die aber längst in der Stadt angekommen sind. »Füchse, Waschbären, Steinmarder und Eichhörnchen sind selbstverständlich in der ganzen Gegend präsent«, beschreibt Rosenstock die Lage auf dem Lerchenbuckel. Denn auch für die Vierbeiner ist das Dasein hier schön.

Familie Fuchs lebt aus mehreren für Menschen verständlichen Gründen gerne in der Stadt. Hier ist der Tisch stets reich gedeckt. Auf manchen Terrassen steht das Katzenmenü, weckt Vogelfutter den Appetit. Schon gewusst, dass Füchse gerne Rosinen naschen? Der Komposthaufen des Hobbygärtners ist nach Rosenstocks Worten »ein wahres Füllhorn«.

»Mäusejunge sind für Füchse wie Sushi-Häppchen«

Denn hier siedeln sich Mäuse gerne mit ihren Nestern an – die Leibspeise von Meister Reineke und seiner Sippe. »Mäusejunge sind für Füchse wie Sushi-Häppchen für uns«, erklärt Rosenstock den tierischen kulinarischen Reiz. Wozu also als Fuchs irgendwo sonst wohnen, wo die Jagd und Nahrungssuche ungleich schwieriger sind? Dazu muss auch kein Tier um sein Leben fürchten.

Matthias Bögle, Jagdpächter  Reutlingen-Süd.
Matthias Bögle, Jagdpächter Reutlingen-Süd. Foto: Stephan Zenke
Matthias Bögle, Jagdpächter Reutlingen-Süd.
Foto: Stephan Zenke

Ziemlich zügig lernen Wildtiere, dass es keine Jäger zwischen Einfamilienhäusern gibt, die einem auf den Pelz gehen könnten. Gärten und ihr Mobiliar bieten Schutz und Deckung. »Wenn der Fuchs mitkriegt, dass der Boden unter dem Geräteschuppen weich ist, buddelt er sich dort ein«, sagt Rosenstock. Gemeinsam mit Matthias Bögle, der als Jagdpächter Reutlingen-Süd ebenfalls öfters von Anwohnern des Lerchenbuckels wegen Sichtungen von wilden Tieren kontaktiert wird, betritt er als Beispiel ein noch ungenutztes Grundstück an der Aaraustraße. Wenige Meter rein ins Brombeergestrüpp werden die Fachmänner direkt vor einem Gartenhaus fündig. »Da ist der Eingang zu einem Fuchsbau«, sagt Bögle. Das überrascht die menschlichen Nachbarn gegenüber kaum.

Rupert Rosenstock, Wildtierbeauftragter des Landkreises Reutlingen.
Rupert Rosenstock, Wildtierbeauftragter des Landkreises Reutlingen. Foto: Stephan Zenke
Rupert Rosenstock, Wildtierbeauftragter des Landkreises Reutlingen.
Foto: Stephan Zenke

»Es sind zwei Füchse. Ich winke ihnen immer zu«, erzählt eine ältere Dame, die namentlich lieber unerkannt bleiben möchte. Ihr Mann ergänzt, »die kommen immer durch die Hecke. Dann laufen sie über die Mauer der Garage«. Das Rentnerpaar fühlt sich weniger gestört denn besorgt um das Wohl der Tiere. »Mager wie ein Stück Holz sehen sie aus, kratzen sich ständig.« Genau das findet eine junge Mutter von nebenan höchst bedenklich, denn sie fürchtet um die Gesundheit ihres im Garten spielenden Kleinkindes. Wie hoch ist das Risiko?

NICHT FÜTTERN UND ABSTAND HALTEN

Kleiner Knigge zum Umgang mit Wildtieren in der Stadt

Das Wildtierportal des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist eine Fundgrube für viele Antworten auf Fragen und Forschungsergebnisse rund um tierische Nachbarn. Etwa die, ob ein zutraulicher Fuchs Tollwut hat. Die Antwort: »Deutschland wurde im Jahr 2008 als tollwutfrei erklärt. Eine Gefahr von Tollwut besteht also nicht. Trotzdem sollte auf zu große Nähe zwischen Mensch und Tier verzichtet werden, da Füchse auch andere Krankheiten übertragen können. Für Ihr Wohl und das des Wildtieres denken Sie daran: Nicht füttern und nicht zähmen.« Kann man Gemüse aus dem Garten noch essen, wenn hier der Fuchs unterwegs ist? Antwort: »Prinzipiell besteht die Möglichkeit, sich durch den Verzehr verunreinigter Nahrung mit dem kleinen Fuchsbandwurm zu infizieren. Die Gefahr einer Ansteckung wird jedoch als gering eingestuft. Sie können ihre Gartenfrüchte weiterhin essen, sollten es aber immer gründlich waschen. Bei abgekochten Nahrungsmitteln besteht keine Infektionsgefahr, da die Fuchsbandwurmeier hierdurch sicher abgetötet werden. Wichtig sind regelmäßige Hygiene (Händewaschen nach der Gartenarbeit) und regelmäßiges Entwurmen des Hundes.« (pr) www.wildtierportal- bw.de

»Grundsätzlich leiden Füchse oft unter Staupe oder Räude«, erklärt Rosenstock. Während die Staupe eine für Menschen ungefährliche Virenerkrankung ist – vollkommen immun sind laut Wissenschaftlern insbesondere gegen Masern geimpfte Menschen – ist die Räude eine ansteckende Hautkrankheit. Die verursachenden Milben der Gattung »Sarcoptes« könnten auch den Menschen befallen. Die juckenden Hautveränderungen (meist an den Händen zwischen den Fingern) heilen in der Regel nach zwei bis drei Wochen ab (mit Behandlung wesentlich schneller), da sich diese Milbenart in der menschlichen Haut nicht vermehrt. Das »könnte« ist im Bezug auf die Beurteilung des Räude-Risikos wichtig, weil dazu ein enger körperlicher Kontakt mit einem Fuchs nötig wäre. Aber welcher vernünftige Mensch kuschelt mit einem Wildtier? Eben! Bleiben noch zwei Krankheiten des Fuchses, vor denen viele Menschen sich sehr fürchten.

Anwohner der Aaraustraße zeigen dem Wildtierbeauftragten Ruprecht Rosenstock (links) und Jagdpächter Matthias Bögle neben ihm, w
Anwohner der Aaraustraße zeigen dem Wildtierbeauftragten Ruprecht Rosenstock (links) und Jagdpächter Matthias Bögle neben ihm, wo Füchse sind. FOTOS (4): ZENKE Foto: Stephan Zenke
Anwohner der Aaraustraße zeigen dem Wildtierbeauftragten Ruprecht Rosenstock (links) und Jagdpächter Matthias Bögle neben ihm, wo Füchse sind. FOTOS (4): ZENKE
Foto: Stephan Zenke

»Oft schwingen alte Ängste um die Tollwut oder Befürchtungen um eine Infektion mit dem Fuchsbandwurm mit«, ist sich der Wildtierbeauftragte Rosenstock bewusst. Nun, die Tollwut gilt in Deutschland als ausgerottet, und dieser Bandwurm, beziehungsweise seine Eier, lauern keinesfalls an jeder Ecke. Fakt ist, dass beim Menschen ein Befall sehr selten, in einem solchen Fall aber lebensgefährlich sein kann. Erkrankte Füchse scheiden die Eier mit dem Kot aus, der deswegen nicht angefasst werden sollte. Das gleiche gilt für lebende und selbstverständlich tote Füchse. Waldfrüchte (Beeren, Kräuter, Pilze), Gemüse und Salat aus Freilandkulturen sowie Fallobst sollte vor dem Verzehr immer gründlich gewaschen werden. Wer selbst einen Hund oder andere Haustiere hält, kennt die gängigen Vorsichtsmaßnahmen, die allesamt auch für Wildtiere gelten. Deswegen haben manche Angst, wenn Reineke und die seinen auftauchen, andere winken ab.

»Wir haben eine unterschiedliche Akzeptanz«

Jagdpächter Bögle beschreibt die Stimmungslage im Wohngebiet mit den Worten, »wir haben hier in der Aaraustraße eine unterschiedliche Akzeptanz«. Werde der Fuchs aber hier gefüttert und dort vertrieben, »funktioniert das nicht«. Ein friedliches Nebeneinander sei möglich, »wenn man es den Füchsen so unattraktiv wie möglich macht, die Nahrung reduziert«. Demnächst wird Bögle den frisch entdeckten Fuchsbau mit einem Abwehrspray behandelt, ihn damit »vergrämen«. Das hat er an vier Stellen der Straße schon so gemacht. »Wir müssen eine Symbiose finden«, betont der Jäger gänzlich im Einklang mit Rosenstock. Komplett vertreiben lassen sich die Mitgeschöpfe nicht, also komme es wie in jedem Zusammenleben darauf an, Grenzen zu setzen. »Die Tiere loten aus, wie weit sie gehen können. Sie lernen von den Gegebenheiten«, sagt der Wildtierbeauftragte. Also kann der Mensch zeigen, dass er weise auf ihre Anwesenheit reagiert. (GEA)