REUTLINGEN. »Ein Industriemuseum würde unserer Stadt gut zu Gesicht stehen«, hatte Jürgen Fuchs (FWV) am Dienstagabend während der Sitzung des Reutlinger Gemeinderats betont. Das vorliegende Konzept sei ein großer Schritt in Richtung Industriemuseum, sagte auch Gabriele Janz (Grüne). Kurz zuvor hatte Dr. Boris Niclas-Tölle seine Ideen vorgestellt, nach denen das bestehende »Industriemagazin« in der Eberhardstraße 14 sich tatsächlich zu einem Museum entwickeln könnte. Bestückt ist das Magazin bisher mit größtenteils alten Maschinen – die jeweils Abschnitte der Industriegeschichte an der Achalm abbilden.
»Interdisziplinärer, partizipativer Lernort«
Die Stadträte zeigten sich beeindruckt von den Ausführungen des Historikers Niclas-Tölle. »Man erkennt, wie aus dem Industriemagazin ein anspruchsvoller Museumsbetrieb entstehen kann«, sagte etwa Sebastian Weigle (SPD). Die Entscheidung des Gemeinderats, Gelder für die Konzeption zur Verfügung zu stellen, sei richtig gewesen, auch der Standort an der Eberhardstraße erweise sich als gut – »zwischen Echaz und Eisenbahn sowie mit der Öffnung zur Innenstadt hin«, so Weigle. Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Konzeption sei allerdings die Abklärung des Gebäudezustands – der laut Kulturamtsleiter Dr. Werner Ströbele durch einige, zum Teil auch erhebliche Mängel geprägt sei. Fenster und Leitungen sind kaputt, das Dach muss saniert werden. Geprüft werden müsse laut Ströbele auch, wie eine Erweiterung des Gebäudes aussehen könne.
Klar sei laut Niclas-Tölle aber, dass das Industriemuseum als »interdisziplinärer, partizipativer Lernort« entstehen soll. »Der Beitrag der Industrie zum Aufstieg Reutlingens zur modernen Großstadt« soll dabei nach den Worten des Historikers beleuchtet werden. Die Wasserenergie als Voraussetzung für die Ansiedlung etwa der Textilindustrie stehe ebenso im Fokus wie auch die Rolle der Eisenbahn oder die Bedeutung von Reutlinger Bürgern wie Friedrich List, Gustav Werner oder Wilhelm Maybach.
Zudem sollen aber auch Aktionen und Sonderausstellungen interessierte Besucher immer wieder anlocken. Laut Niclas-Tölle müsse aber auch ein »Mitmachmuseum« entstehen – auch um die zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter in dem bisherigen Industriemagazin einzubinden und ihr Engagement weiter auszubauen.
Zahlreiche historische Exponate Reutlinger Firmen seien jetzt schon vorhanden, weitere sollen hinzukommen. Und zwar nicht nur alte, sondern auch solche aus der Gegenwart – »als Möglichkeit für heutige Reutlinger Firmen, das Museum als Schaufenster zu nutzen«, betonte Karsten Amann (CDU).
»Wenn ein Industriemuseum realisiert wird, muss das ein Konzept für künftige Generationen haben«, sagte Amann weiter. Gut sei, dass Boris Niclas-Tölle »Querbezüge herstellt« – etwa mit der Darstellung der Reutlinger Textilindustrie und dem Verweis, wie, wo und unter welchen Bedingungen heute Mode entstehe. »Das ist eine rundum gelungene Konzeption«, lobte Hagen Kluck (FDP). Auch er verwies darauf, »dass das Museum lebendig bleiben muss und für junge Menschen interessant«.
»Müssen den Zustand des Gebäudes aber genau untersuchen«
Grundvoraussetzung sei jedoch laut Jürgen Fuchs (FWV), »dass die Stadtverwaltung so schnell wie möglich Daten und Fakten über den Zustand des Bestandsgebäudes zur Verfügung stellt, um die Sanierung zeitnah anzugehen«. Gelobt wurde am Dienstagabend aber auch die Hartnäckigkeit des früheren FWV-Stadtrats Hans Hubert Krämer, der nach den Worten von Gabriele Janz über viele Jahre hinweg nicht locker gelassen und solch ein Museum immer wieder gefordert hatte. Auch die Stadtverwaltung freute sich über das Konzept von Niclas-Tölle: »Ich teile das Lob für das Konzept, wir müssen für die baulichen Überlegungen den Zustand des Gebäudes aber genau untersuchen«, betonte Oberbürgermeisterin Barbara Bosch.
Vertagt worden war vor diesem Tagesordnungspunkt im Übrigen der Zuschuss für die Planung von Sanierung und Neubau der Betriebsgebäude des Naturtheaters Reutlingen in Höhe von 400 000 Euro. Die CDU hatte gefordert, den Betrag auf 250 000 Euro zu kürzen – woraufhin Janz eine Vertagung des Punkts beantragte. Und der Gemeinderat ihr mehrheitlich folgte. (GEA)