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Aktuell Obstbau

Helmut Palmers Erbe trägt in Mittelstadt Früchte

Ein Schnittkurs nach den Lehren des »Remstal-Rebellen« Helmut Palmer zeigt in Mittelstadt wie nachhaltig der »Oeschberg-Schnitt« ist.

Der Schnittkurs nach Helmut Palmer mit seinem Meisterschüler Helmut Ritter  (in der Mitte) lockt echte Obstliebhaber an.
Der Schnittkurs nach Helmut Palmer mit seinem Meisterschüler Helmut Ritter (in der Mitte) lockt echte Obstliebhaber an. Foto: Stephan Zenke
Der Schnittkurs nach Helmut Palmer mit seinem Meisterschüler Helmut Ritter (in der Mitte) lockt echte Obstliebhaber an.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN-MITTELSTADT. Im Nebel kommt er bestimmt gleich hinter einem Stamm dieser Streuobstwiese hervor, der Palmer. Nicht der Boris, sondern sein Vater Helmut. Denn der war mehr als »Remstal-Rebell« und Politikerschreck, eben ausgebildeter Obstbauer. Zu Lebzeiten ist sein »Oeschberg-Schnitt« heftig umstritten gewesen. Zwanzig Jahre nach seinem Tod versammeln sich echte Obstliebhaber für einen Schnittkurs mit Palmers Meisterschüler Helmut Ritter. Es ist ein Erlebnis dabei zu lernen, wie Helmut Palmers Erbe bis heute Früchte trägt. Der Schauplatz könnte passender kaum gewählt sein.

Die 26 an der Abzweigung der Mittelstädter Straße von der Heidenwasenstraße stehenden Apfel-, Mirabellen- und Zwetschgenbäume hat Helmut Palmer einst in Form gebracht, ohne dass der Eigentümer etwas davon wusste. Kein Einzelfall, typisch für ihn. »Die Erstbepflanzung war 1988. Den ersten Schnitt hat Palmer 1989 gemacht«, erinnern sich Manfred und Marga Bader an eine unwillkommene Überraschung.

»Die Oberen stutzen, damit die Unteren Licht bekommen«

"Mein Vater hat sich zunächst geärgert. Dann kam der Palmer vorbei, und hat die Sache erklärt. Sie haben sich anschließend gut verstanden", sagt Marga Bader. Damals herrscht ein Obstbau-Krieg zwischen den Befürwortern des württembergischen Schnittes und der vom Remstäler ins Land gebrachten Schweizer Methode, dem "Oeschberg-Schnitt". Heute steht mit Helmut Ritter jemand vor einer Holzleiter, der sich glücklich schätzt noch von Helmut Palmer persönlich gelernt zu haben. Die Grundsätze des unvergessenen Freigeistes faszinieren kaum überraschend durchaus auch politisch. "Wenig Äste – viel Licht, viel Qualität" ist Palmers Prinzip gewesen, »Die Oberen stutzen, damit die Unteren Licht bekommen«. Basisdemokratie am Baumstamm. Bis heute hat das viele Fans, auch in manchen Ämtern.

Helmut Ritter hat bei Helmut Palmer den »Oeschberg-Schnitt« gelernt. Bis heute trägt er das Erbe des »Remstal-Rebellen« auf die
Helmut Ritter hat bei Helmut Palmer den »Oeschberg-Schnitt« gelernt. Bis heute trägt er das Erbe des »Remstal-Rebellen« auf die Streuobstwiesen des Landes. Foto: Stephan Zenke
Helmut Ritter hat bei Helmut Palmer den »Oeschberg-Schnitt« gelernt. Bis heute trägt er das Erbe des »Remstal-Rebellen« auf die Streuobstwiesen des Landes.
Foto: Stephan Zenke

Zu Palmers Lebzeiten wäre es eher ungewöhnlich gewesen, dass die Grünflächenberatung des Landkreises Reutlingen zu so einem Schnittkurs einlädt. Früher galt in Württemberg »viel Holz, viel Äpfel«. Wieso die Schweizer Methode ganz klar die bessere ist, erklärt Gerd Reinhardt als Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau: »Der Oeschbergschnitt ist der konsequente Schnitt einer naturgemäßen Krone. Der altwürttembergische Schnitt hat zum Überbau der unteren Leitäste geführt«. Über 50 Männer und Frauen sind beim Kurs dabei, der eine Kooperation zwischen Landkreis, Fachvereinigung Obstbau sowie der von Palmers Tochter Gudrun Mangold gegründeten »Helmut Palmer Obstbau-Akademie« darstellt. Ritter beginnt seinen praktischen Kurs mit der Baumschere in der Hand und über dem Arm baumelnder Säge.

Mehr Palmer für alle

Wer nicht das Glück hatte, Helmut Palmer leibhaftig zu erleben – etwa mit seinem Marktlastwagen auf dem Reutlinger Wochenmarkt, dem sei das Buch »Der Palmer Schnitt« seiner Tochter Gudrun Mangold empfohlen. Es macht einen vertraut mit Palmers Leben, seiner Obstbau-Lehre und dem politischen Engagement.

Freunde von Streuobstwiesen können sich an die »Helmut Palmer Obstbau Akademie« wenden, die etwa Kurse zur Ausbildung als Baumwart anbietet. Vom 22. bis 26. März findet ein fünftägiger Kurs rund um den Palmer-Schnitt in Strümpfelbach statt. Kontakt und Anmeldung via Mail. (zen)

gudrunmangold@t-online.de

»Gutes aromatisches Obst« winke dem, der auf die Palmer-Krone setze, sagt der Fachmann. Über ein »paar Ästle hin oder her« könne man reden, aber das Grundprinzip müsse man im Blick behalten: »Ein Baum mit Oeschberg-Krone hat vier Leitäste und die Mitte. Die Streuung der Seitenäste, ihr Abstand vom ersten bis zum letzten Leitansatz, soll nicht mehr als 40 bis 50 Zentimeter betragen, allerdings sollten auch nicht alle auf einer Höhe sein«, beschreibt das Tochter Gudrun Mangold in ihrem Buch »Der Palmer Schnitt« – Ritter führt es vor. Immer wieder widmet er sich Details wie dem »Ausblenden von Knospen« für ein gezieltes Wachstum. Alle höre aufmerksam zu, kritische Fragen inklusive.

»Das ist toll. Ich find’s super, wie er das erklärt«, sagt Bianca Oswald vom Mittelstädter Obst- und Gartenbauverein, der komplett nach Palmers Lehren Bäume schneidet. »Ich weiß jetzt, dass ich unsere Jahrgangsbäume nochmals besuchen muss, um die Knospen gezielt auszubrechen«. Johannes Jugel ist als Fachwart beim Obstbaubetrieb der Stadt Metzingen anwesend. Der Profi lernt, »dem Baum eine gewisse Statik mitzugeben, ist wichtig«. Gemeinsam wird schließlich geschnitten – so wie es Palmer einst begonnen hat. Im Nebel ist der dann doch nicht hinter einem Stamm hervorgekommen. »Aber er sieht auch im Nebel alles«, sagt sein Schüler Ritter respektvoll. (GEA)

www.gudrunmangold.de