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Heimatmuseum Reutlingen startet Ausstellung zur Revolution 1848/49

Die neue Sonderausstellung im Heimatmuseum Reutlingen »1848/1849 - Reutlingen und die Revolution« thematisiert die Geschehnisse der Revolutionsjahre, die bis heute nachwirken. Die Ausstellung dauert bis zum 15. September

Eva Bissinger und Sven-Jan Reinacher kuratieren die Ausstellung und stehen hinter der Revolutionsfahne »Freiheit oder Tod«.
Eva Bissinger und Sven-Jan Reinacher kuratieren die Ausstellung und stehen hinter der Revolutionsfahne »Freiheit oder Tod«. Foto: Gabriele Böhm
Eva Bissinger und Sven-Jan Reinacher kuratieren die Ausstellung und stehen hinter der Revolutionsfahne »Freiheit oder Tod«.
Foto: Gabriele Böhm

REUTLINGEN. Genau vor 175 Jahren, 1849, fand in Reutlingen die sogenannte Pfingstversammlung mit über 15.000 Teilnehmenden statt. Sie bildete den Höhepunkt der Revolutionsereignisse seit dem Frühjahr 1848, die Freiheiten und Mitspracherechte brachten. Die neue Sonderausstellung im Heimatmuseum Reutlingen »1848/1849 - Reutlingen und die Revolution« thematisiert bis zum 15. September 2024 die Geschehnisse.

»Wir sind eine revolutionäre Stadt!«, betonte Kulturamtsleiterin Anke Bächtiger beim Presserundgang. Es gebe im Ort viele Themen, die sich mit Freiheit und Gerechtigkeit befassen und an die immer wieder erinnert werden müsse.

»Was würde ich tun, um die Freiheit zu verteidigen?«

»Freiheit oder Tod« – dieses drastische Motto mit Totenkopf im Lorbeerkranz steht auf der Fahne der Reutlinger »Freiwilligen-Compagnie« (bewaffnete Revolutionäre) von 1849 und gibt die Fragestellung der Sonderausstellung vor: »Wie engagiert setzten sich die Menschen damals für Freiheit ein? Was bedeutete Freiheit in den Jahren 1848/49?« Am Schluss des Rundgangs richtet sich die Frage auch direkt an die Besucher: »Was bedeutet Freiheit heute für mich? Und was würde ich dafür tun, um sie zu verteidigen?«

Der Reutlinger Dichter, Schriftsteller und Zeitungsredakteur spielte eine wichtige Rolle bei der Revolution von 1848.
Der Reutlinger Dichter, Schriftsteller und Zeitungsredakteur spielte eine wichtige Rolle bei der Revolution von 1848. Foto: Ralf Rittgeroth
Der Reutlinger Dichter, Schriftsteller und Zeitungsredakteur spielte eine wichtige Rolle bei der Revolution von 1848.
Foto: Ralf Rittgeroth

Die stellvertretende Museumsleiterin Eva Bissinger und der wissenschaftliche Mitarbeiter Sven-Jan Reinacher haben die Ausstellung konzipiert, die in kurzen, gut verständlichen Texten die Geschehnisse erläutert. Hinzu kommen Objekte wie Zeichnungen, Lithografien und Archivalien wie das Namensverzeichnis der Reutlinger Bürger-Wehrmänner, Waffen wie das in Reutlingen produzierte Gewehr der Bürgerwehr oder Kuriositäten wie eine Wahlurne von 1848 oder ein Pfeifenkopf, der vermutlich das Porträt des bekannten badischen Revolutionärs Friedrich Hecker zeigt. Interessant ist auch das Tagebuch des August Finckh, der seine Kameraden zeichnete.

In den 1840er-Jahren herrschte, so Bissinger, Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Die Freiheits-Hoffnungen im Zuge der Französischen Revolution 1789 blieben unerfüllt, die Industrielle Revolution stellte die Menschen vor Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt, und Missernten führten zu Armut. Angefacht von der Februarrevolution in Frankreich 1848, als Arbeiter und Teile des Bürgertums mehr Rechte forderten, entflammten in ganz Europa Bestrebungen nach mehr Freiheit und Gleichberechtigung. Die Forderungen waren vor allem Pressefreiheit, eine einheitliche Gerichtsbarkeit mit Geschworenengerichten, die Volksbewaffnung und das politische Mitspracherecht durch Wahlen. Die Revolution nahm schnell Aufschwung. Im Mai 1848 tagte zum ersten Mal die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche.

»Die Freiheit sollte durch Worte erkämpft werden«

Die Reutlinger, so Eva Bissinger, gingen allerdings nicht auf die Straße, wie beispielsweise die Berliner, sondern diskutierten in Versammlungen, unter anderem im Spitalhof. »Die Freiheit sollte durch Worte erkämpft werden«, sagte Reinacher. Darüber hinaus hatten in Württemberg seit 1819 bereits Teile der Bevölkerung ein Mitspracherecht.

Am 4. März 1848 endete die Zensur der Presseorgane, es entstanden neue Zeitungen, die auszugsweise als Replikate in der Ausstellung zu sehen sind. Bei der Wahl der Nationalversammlung Ende April 1848 gehörte Württemberg zu den Staaten, in denen die Bevölkerung erstmals direkt die Abgeordneten wählen konnte. Am 28. März 1849 verabschiedete die Nationalversammlung die Reichsverfassung, die Württemberg am 25. April 1849 annahm. Doch der weitere Verlauf gestaltete sich schwierig, es kam zu Spaltungen. Schon im Juni wurden Grundrechte und Verfassungen wieder ganz oder teilweise aufgehoben. Doch langfristig, so das Fazit der Ausstellung, haben sich viele Errungenschaften der Revolution wie das Parlament als Volksvertretung, das allgemeine Wahlrecht, der deutsche Föderalismus mit einer Länderkammer, der Rechtsstaat, der Nationalstaat und die Grundrechte manifestiert.

Für Schulklassen wurde ein spezielles Programm ausgearbeitet, in dem es beispielsweise um die im heutigen Grundgesetz verankerten Freiheiten geht. (GEA)
www.reutlingen.de/heimatmuseum