REUTLINGEN. Auch der dritte Verhandlungstag vor dem Amtsgericht Reutlingen brachte kein Ergebnis. Einem 64-jährigen Diplomingenieur aus dem Raum Reutlingen, der heute in der Schweiz lebt, wird vorgeworfen, sich zusammen mit seiner Mutter fast 17.000 Euro Corona-Soforthilfe erschlichen zu haben. Die Staatsanwaltschaft Tübingen, am Mittwoch vertreten durch Nicolaus Wegele, geht davon aus, dass im entsprechenden Zeitraum keinerlei Geschäftstätigkeit bestand, sodass die Soforthilfe unrechtmäßig beantragt worden sei.
Verteidiger Joachim Bonin hatte am zweiten Verhandlungstag eine sehr lange Liste von Zeugen benannt, die geschäftliche Beziehungen mit dem Angeklagten bestätigen könnten. Jetzt dazu vorgeladen war ein Unternehmer, der Stahlwerkzeug anfertigt. Als Richterin Selina Domhan ihn nach seinen Personalien fragte, lehnte er dies mit barscher Antwort ab: »Das haben Sie mich alles schon gefragt. Sie verschwenden meine Zeit.« Als der Tonfall sich nicht besserte, platzte Staatsanwalt Wegele der Kragen: »Wenn Sie sich nicht benehmen können, verhänge ich ein Ordnungsgeld.«
Aufträge für 30.000 Euro
Die Verhandlung ging danach geordneter vonstatten, wobei der Zeuge sich immer wieder über die Behörden beklagte. Der Staatsanwalt wies ihn darauf hin, dass das Gericht nichts damit zu tun habe und es bei der Verhandlung um ganz andere Dinge gehe.
Etwa 2015/2016 habe er, so der Zeuge, eine Geschäftsverbindung mit dem Angeklagten gehabt. Er habe bei ihm den Prototypen einer Anlage erworben, mit deren Hilfe PET in aufgeblasener Form als Verpackungsmaterial für den Versand der Stahlwerkzeuge hergestellt werden könne. Er habe bei ihm für die Maschine auch immer wieder Ersatzteile gekauft sowie außerdem Schutzmasken aus China während der Coronazeit 2020. Bezahlt habe er per Banküberweisung auf ein Konto des Angeklagten, an das er sich jedoch nicht mehr erinnern könne. Seine eigenen Unterlagen seien nach einer Steuerprüfung vernichtet worden. Insgesamt handele es sich um ein Volumen von 30.000 Euro sowie in letzter Zeit Summen von 500 bis 1.000 Euro für den Ersatzteilkauf.
Ratschläge erteilt
Auch habe ihm der Angeklagte, der für die Coronahilfe auch eine Beratungsfirma angegeben hatte, in mehreren Dingen Ratschläge erteilt und ihm sehr gute Kontakte verschafft. Dies laufe im Moment »auf freundschaftlicher Ebene«. Für die Richterin bestand weiterhin die Frage, wo das Geld geblieben sei. Der Angeklagte schwieg dazu, obwohl Wegele bemerkte, er könne ja zu seinen Gunsten aussagen und die Fragen klären.
Verteidiger Bonin regte an, weitere Zeugen zu hören, wie beispielsweise den Vermieter der Geschäftsräume des Ingenieurs. Die meisten von ihm genannten Zeugen könnten allerdings nur über einzelne Geschäfte aussagen, nicht aber über die Geschäftstätigkeit insgesamt. Das Verfahren soll am 20. Juni fortgesetzt werden. (GEA)