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Aktuell INTERVIEW

Hans-Jochen Wagner: Von Gönningen zum Tatort

Die kultige Krimireihe geht in die nächste Runde. SWR-Kommissar Hans-Jochen Wagner gibt Einblicke

Zusammen mit Kollegin Eva Löbau (links) bildet Hans-Jochen Wagner (rechts) das Team Schwarzwald.  FOTO: SCHMIDT/DPA
Zusammen mit Kollegin Eva Löbau (links) bildet Hans-Jochen Wagner (rechts) das Team Schwarzwald. FOTO: SCHMIDT/DPA
Zusammen mit Kollegin Eva Löbau (links) bildet Hans-Jochen Wagner (rechts) das Team Schwarzwald. FOTO: SCHMIDT/DPA

REUTLINGEN. Am Sonntag, 6. November, läuft der neue Schwarzwald-Tatort mit Hans-Jochen Wagner (53) als Hauptkommissar Friedemann Berg im SWR. Im Gespräch mit dem GEA erklärt der Schauspieler, wie seine Leidenschaft zum Film wuchs, wie heimatverbunden er ist und wo man in der Region einen Tatort drehen könnte.

GEA: Sie haben ja schon einige Lebensorte in der Region gehabt …

Hans-Jochen Wagner: Geboren bin ich in Tübingen. Ich hab dann die ersten sechs Jahre meines Lebens in Orschel-Hagen verbracht. Die meiste Zeit in meiner Kindheit bin ich aber in Gönningen aufgewachsen.

Von Gönningen ging es für Sie dann hinaus in die weite Welt. Nun wohnen Sie in Berlin, arbeiteten jedoch in Theaterhäusern in ganz Deutschland. Was bedeutet für Sie Heimat?

Wagner: Da gibt es verschiedene Ebenen. Ich bin ja am Fuße der Schwäbischen Alb aufgewachsen. Das ist schon der Ort, nach dem ich mich im Frühjahr und Herbst sehne. Manchmal schaffe ich es auch, dort hinzukommen. Das ist auf jeden Fall eine Region, die mir sehr am Herzen liegt. Auch die Sprache, das Schwäbische, weckt in mir ein gewisses Heimatgefühl. Ich wurde auf jeden Fall sehr in dieser Gegend geprägt. Jetzt lebe ich aber schon seit 20 Jahren in Berlin. Ich glaube, man muss nicht unbedingt nur eine Heimat haben.

Wie kommt man denn in Gönningen auf die Idee, Schauspieler zu werden?

Wagner: (lacht) Gute Frage. Ich hatte Kontakt zum Schauspiel, da ich auf eine Waldorfschule ging. Da hatten wir auch einige Aufführungen. Das hat mir wirklich sehr gefallen. Mir war noch nicht klar, dass das mein beruflicher Weg sein wird. Ich habe mich schon immer für Theater interessiert und wollte eigentlich eher in Richtung Regie gehen. Zuerst habe ich ein Lehramtsstudium in Tübingen und ein Studium der Kulturpädagogik in Hildesheim begonnen. Danach bewarb ich mich in Berlin an der Schauspielschule »Ernst Busch« für Regie und Schauspiel. Für Schauspiel wurde ich genommen. So hat sich meine berufliche Zukunft entschieden.

 

Nach Abschluss Ihrer Ausbildung im Theater ging es schnell auch in den Film. War das Zufall oder von langer Hand geplant?

Wagner: Das war nicht mein erstes Ziel. Ich wollte erst mal ein paar Jahre im Theater bleiben, um das Gelernte zu festigen. Anfangs habe ich ein bisschen nebenher fürs Fernsehen gearbeitet. Richtig begonnen habe ich dann mit dem Film, als ich nicht mehr an ein Schauspielhaus gebunden war, da das Theater immer sehr langfristig plant und sich Engagements überschnitten hätten. Insofern bin ich in den Film so reingerutscht, aber mag es sehr.

Wo liegt der Unterschied zwischen Filmset und Theaterbühne?

Wagner: Ähnlich ist die Abhängigkeit von einem guten Drehbuch, Kollegen und den Regisseuren. Man ist im Film mehr auf sich zurückgeworfen. Man hat natürlich kein Publikum. Auch wenn beim Dreh viele Leute vom Kameramann bis zum Tonangler um das Set herumstehen, hat man keine wirklichen Zuschauer, die unmittelbar reagieren. Die Szenen sind im Film deutlich kürzer. Da sind drei Minuten pro Szene schon sehr lang. Im Theater bleibt man oft über Stunden in der Figur, steht in direktem Kontakt mit dem Publikum und spürt unmittelbar, ob das Stück gefällt oder nicht. Für mich ist beides sehr interessant.

Der neue Schwarzwald-Tatort steht im Kontext der ARD-Themenwoche »Wir gesucht«. Wie viel »Wir« steckt im neuen Tatort?

Wagner: Die Hauptfigur ist eine Frau, die vor einigen Jahren neu in ein Dorf kam, dort eingeheiratet hat. Ein Kind von ihr und ihr Mann verschwinden. Die Gemeinschaft des Dorfs verdächtigt direkt sie, da sie sich anders verhält, als man es gewohnt ist. Hier bildet sich das gemeinsame »Wir« im Dorf in der Ablehnung eines Dritten. Es ist ein Unterschied, ob ich sage, wir hassen gemeinsam den VfB oder ob ich sage, wir bilden ein Wir, weil wir uns verstehen und Ähnlichkeiten haben und Verschiedenheiten tolerieren. In dieser Tatort Folge wird erzählt, wie Ausgrenzung auch vor Kleinstädten nicht haltmacht und Vorurteile meist nicht überprüft werden.

 

Auch in der kommenden Folge entstehen durch Lügen und Intrigen schlimme Dinge. Was nehmen Sie für sich privat aus den Geschichten mit?

Wagner: Zum einen muss ich drüber nachdenken, weil ich mitspiele. Aber es ist eigentlich immer so, dass mir die Themen auch privat oft nahe gehen. Manche Themen werden vom Film nur am Rande angesprochen, beschäftigen mich dann aber doch sehr. Das ist auch dieses Mal so, da ich ja selbst vom Dorf komme und diese Strukturen kenne. Ich selbst wurde in meiner Kindheit und Jugend nicht ausgegrenzt, aber dieses Phänomen konnte man gut beobachten.

 

Wäre somit auch Gönningen ein potenzieller Drehort für einen Tatort?

Wagner: Auf jeden Fall wäre es möglich, dort einen Tatort zu drehen. Ich würde das sogar gerne tun. Verbrechen geschehen überall. Wenn ich meine alten Klassenkameraden treffe, erzählen die mir schon einige spannende Dinge. Ich würde sofort dort drehen, da könnte ich auch endlich mal wieder schwäbeln. Wenn ich das im Schwarzwald mache, bekomme ich auf die Mütze.

 

Sie verkörpern beim Tatort Kommissar Friedemann Berg. Wie viel von ihm steckt in Ihnen?

Wagner: Das ist schwer zu sagen. Die Rolle ist ja auch andauernd in der Entwicklung. Da passieren natürlich auch Dinge die nichts mit mir zu tun haben. Da ich Ermittler und nicht Täter bin, gibt es von meiner Rolle viele Aufnahmen von alltäglichen Arbeitssituationen. Wenn ich nachdenke, rede oder einfach nur dasitze, ist natürlich einiges von mir dabei.

In der letzten Szene des Films fragen Sie Ihre Partnerin, ob Ihnen das neue gewagte Hemd steht. Würden Sie es auch privat tragen?

Wagner: (lacht) Ne. Ich würde es genauso tragen wie Friedemann Berg. Ich würde es wie er kaufen und erst im Nachhinein merken, dass es ein Fehlkauf ist. Gerade bei Schnäppchen passiert mir das leider häufiger. (GEA)