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Gemeinderat Reutlingen hält für weitere fünf Jahre an Wohn-Containern fest

Gemeinderat hält für weitere fünf Jahre an Wohn-Containern fest. Bebauungsplan soll geändert werden

Werden der Roanner Straße noch weitere fünf Jahre erhalten bleiben: die behelfsmäßigen Container-Unterkünfte für Geflüchtete. FO
Werden der Roanner Straße noch weitere fünf Jahre erhalten bleiben: die behelfsmäßigen Container-Unterkünfte für Geflüchtete. FOTO: PIETH
Werden der Roanner Straße noch weitere fünf Jahre erhalten bleiben: die behelfsmäßigen Container-Unterkünfte für Geflüchtete. FOTO: PIETH

REUTLINGEN. Nein, wohnlich sind sie nicht: die Container-Module an der Roanner Straße, die rund 200 Geflüchteten seit Frühjahr 2016 provisorisches Obdach gewähren. Teilweise sollen sie inzwischen sogar leckgeschlagen sein, wie jetzt von Carola Rau (Linke Liste) im Gemeinderat zu hören. Der befasste sich im Rahmen seiner jüngsten Sitzung mit den vom Landkreis aufgestellten Primitivbehausungen, weil diese mittlerweile in den Besitz der Stadt Reutlingen übergegangen sind. Und die wiederum will beziehungsweise muss die Unterkünfte mangels Kapazitäten noch eine Weile weiterbetreiben. Was eine Bebauungsplanänderung notwendig macht. Sind die vier Container – dem Reutlinger Wohnungsengpass geschuldet – doch im Hopplahopp-Verfahren und auf Basis einer zeitlich befristeten Sonderregelung installiert worden – gewissermaßen als Notlösung mit Verfallsdatum.

»Wir möchten keine zweite Carl-Zeiss-Straße haben«

Nun, bald drei Jahre später, haben die Behelfsdomizile noch immer nicht ausgedient. Denn günstiger Wohnraum ist in Reutlingen – trotz forcierter Bautätigkeit – nach wie vor Mangelware. Und dass er am Standort Roanner Straße eigentlich nur geduldet ist, sorgt für Handlungsbedarf: Der aus dem Jahr 1991 datierende Bebauungsplan »Carl-Diem-Sportanlage« muss deshalb modifiziert, seine Nutzung neu definiert werden.

Für weitere fünf Jahre, so Oberbürgermeisterin Barbara Bosch, möchte die Stadtverwaltung an der Flüchtlingsunterkunft in ihrer jetzigen Form festhalten. Was indes längst nicht allen Stadtparlamentariern schmeckt. Einige – allen voran Holger Bergmann von den Grünen und Unabhängigen – befürchten nämlich, dass man sich damit auf den Weg hin zu einem Dauerprovisorium begibt. Für sein Empfinden ist es die »falsche Richtung«, die da eingeschlagen wird. »Wir möchten«, betont Bergmann, »keine zweite Carl-Zeiss-Straße haben.«

Was ihn grundsätzlich mit allen anderen Fraktionen eint. Dennoch bewerten diese den Fall »Roanner Straße« mehrheitlich anders. Etwa Andreas vom Scheidt (CDU), der in der augenblicklichen Situation für ein einstweiliges Festhalten an der ungeliebten Container-Lösung und damit für eine Bebauungsplanänderung plädiert. Beides, lässt er wissen, sei Stand heute alternativlos und ein Container-Quartier allemal besser als die Obdachlosigkeit. Denn: »Wo sonst sollen wir die Menschen auf die Schnelle unterbringen?«

Eine Frage, die auch Hagen Kluck (FDP), Jürgen U. Fuchs (Freie Wähler) und Edeltraut Stiedl (SPD) umtreibt. Letztere wünscht sich zwar, dass »die Leute in besseren Häusern unterkommen. Aber: Woher solche nehmen? Jetzt sind die Menschen nun mal da und brauchen eine Unterbringung«. Vor diesem Hintergrund sei das Container-Quartier ein unentbehrlicher Notnagel. Kein schöner, aber ein zweckdienlicher.FDiese Sicht eint sie mit ihrem Fraktionskollegen Ramazan Selcuk. »Wenn’s tatsächlich reinregnet, muss man selbstverständlich sofort etwas dagegen tun«, merkt er an, warnt im selben Atemzug aber davor, am Standort Roanner Straße »Unterkünfte in Festbauweise hochzuziehen«.

»Jetzt sind die Leute nun mal da und brauchen eine Unterbringung«

Reutlingen, ist er überzeugt, würde einen fatalen Fehler begehen, wenn es sich dafür entschiede, ein abgeschlossenes Flüchtlingsviertel, sozusagen ein Getto, zu errichten. Doch das will offenbar sowieso niemand. Weder das Gremium noch die Verwaltungsspitze. Mal ganz davon abgesehen, dass Geflüchtete sich ja immer wieder erfolgreich um Wohnungen auf dem ersten Immobilienmarkt bemühen. Friedel Kehrer-Schreiber von den Freien Wählern spricht diesbezüglich aus persönlicher Beobachtung. »Es gibt eine Fluktuation in den Anschlussunterbringungen. Wenn die Menschen Jobs finden, finden sie oft auch feste Wohnungen.«

Letztlich votierte der Gemeinderat bei neun Enthaltungen für die Bebauungsplanänderung und den auf fünf Jahre befristeten Erhalt der Container-Module an der Roanner Straße. (GEA)