GÖNNINGEN. »Seit Mitte des 19. Jahrhundert gibt es in Baden-Württemberg, damals noch im Königreich Württemberg, freiwillige Feuerwehren, die damals den Charakter einer Art Bürgerinitiative hatten«, so Professor Dr. Paul Ackermann, der die Chronik der Feuerwehr Gönningen verfasste. Zunächst wurde eine Kastenspritze angeschafft, doch 1863 forderte der Oberamtmann den Ort zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr auf. Es war jedoch schwierig, denn die Hälfte der Bevölkerung war monatelang im Handel unterwegs. Erst 1866 entstand eine Mannschaft mit 27 Kameraden, 1873 waren es schon 50. Erster Kommandant wurde Georg Haubensak, Kaufmann und Gemeinderat. Er stiftete auch die älteste Fahne. Laufend wurden auch die Gerätschaften ergänzt, beispielsweise 1903 durch einen Hydrantenwagen, eine Leiter auf Rädern und einen Rettungsschlauch mit Transportkarren.
Zur Freiwilligen Feuerwehr kam bald noch eine Pflichtfeuerwehr hinzu, die bis 1921 bestand. Insgesamt waren es im Jahr 1890 immerhin acht Züge mit 250 Mann. 1927–1933 wurde mit Rudi Sauer der Bürgermeister zum Kommandanten gewählt. »Dies macht deutlich«, so Ackermann, »welche wichtige Bedeutung die Feuerwehr in der Gemeinde besaß.« Sie nahm auch an gesellschaftspolitischen Ereignissen wie der Eröffnung des »Gönninger Bähnles« 1902 oder 1913 an der Einweihung des Turmes auf dem Roßberg teil. Immer wieder musste die Feuerwehr vollen Einsatz leisten, so bei der Hochwasserkatastrophe 1906 oder dem Großbrand 1920.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Feuerwehr neu organisiert. 1923 feierte sie ihr 50-jähriges Jubiläum im Rahmen eines Bezirksfeuerwehrtags des Oberamtes Tübingen in Gönningen. Zur Pflege der Kameradschaft und der Verbundenheit veranstaltete die Feuerwehr immer wieder Familienfeste.
Wegen der schweren Fliegerangriffe oft in Reutlingen im Einsatz
1933, nach der Machtübernahme der NSDAP, wurde Glasermeister Emil Walz (1988–1966) zum Feuerwehrkommandanten gewählt, obwohl er überall als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei bekannt und wegen seiner Gesinnung aus dem Ortsparlament ausgeschlossen war. 1933 entstand für das ganze Reich der Begriff des »Einheitsfeuerwehrmanns« mit universellen Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten.
Im Laufe des Zweiten Weltkrieges nahmen die Aufgaben der Feuerwehr zu. Gönningen blieb weitgehend verschont, doch die Kameraden waren wegen der schweren Fliegerangriffe oft in Reutlingen im Einsatz. Unter Egon Walz wurde die Feuerwehr 1945 von der französischen Besatzungsmacht reorganisiert.
Mit den 50-er Jahren begann die Motorisierung auch für die Feuerwehr. Zu ihren Aufgaben kamen verstärkt Öl- und Verkehrsunfälle und in den 80er-Jahren Umweltschäden hinzu. 1971 wurde durch die Eingemeindung Gönningens nach Reutlingen auch die örtliche Feuerwehr eine Abteilung der Feuerwehr Reutlingen. Die Sorge, man würde nun durch die Reutlinger bestimmt, wich rasch einem Kameradschaftsgefühl und der Erkenntnis der Vorteile. So sorgte Stadtbrandmeister Walter Herrmann dafür, dass Gönningen gut ausgerüstet wurde und 1982 endlich ein passendes Feuerwehrhaus erhielt. Ein Funkmeldesystem wurde etabliert. 1990 wurde die Jugendfeuerwehr der Gesamtfeuerwehr Reutlingen gegründet. Zehn Jugendliche konnten für Gönningen gewonnen werden. Seitdem gab es in der Gönninger Feuerwehr immer eine Jugendgruppe.
Die Feuerwehr beteiligte sich auch an Veranstaltungen wie dem 900-jährigen Jubiläum Gönningens. Sie ist bis heute federführend bei der Aufstellung des Maibaums. Einen festlichen Höhepunkt erlebte die Gönninger Feuerwehr bei ihrem 125-jähren Jubiläum im Juni 1998. Das Programm, darunter eine Ausstellung zur Historie, fand großen Anklang.
Technisch hochkomplexe Fahrzeuge
Mit der Wahl des erst 31-jährigen Sven Schwarz zum Kommandanten und seines Stellvertreters Winfried Schanz mit 35 Jahren vollzog die Gönninger Feuerwehr 2005 einen Generationenwechsel. Damit verbunden waren eine neue Einsatzkleidung, technisch hochkomplexe Fahrzeuge und die digitale Alarmierung. Der Sommer 2013 brachte wegen Hochwassern Rekordeinsätze, die sich 2021 wiederholten. Sechs Kameraden fuhren zur Hilfe ins Ahrtal. 2019 bekam die Gönninger Feuerwehr das Leistungsabzeichen in Gold wegen der erfolgreichen Übungen und Fortbildungen und der guten technischen Ausstattung.
In der Gönninger Feuerwehr sind zurzeit sieben Jugendliche aktiv. Von den heute 36 aktiven Gönninger Feuerwehrleuten waren über 20 bereits in der Jugendfeuerwehr tätig. Beim 150-jährigen Jubiläum 2023 würdigten Oberbürgermeister Thomas Keck, Feuerwehrkommandant Stefan Hermann und Bezirksbürgermeisterin Christel Pahl die verdienstvolle ehrenamtliche Tätigkeit der Feuerwehr an der Allgemeinheit. (GEA)