REUTLINGEN. Natürlich feierte die Community auch ein bisschen sich selbst: die lesbische – und das Netzwerk mit dem provokanten Buchstabensalat LSBTTIQ. Die Pädagogin, Wissenschaftlerin und Aktivistin Monika Barz bekam am Montagabend in der Reutlinger Volkshochschule von Manfred Lucha, dem grünen Sozialminister des Landes, das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht.
Jubel brandete auf. Von weither waren sie gekommen, die Freundinnen und Weggefährtinnen von Monika Barz, und durchaus auch einige Männer. Alles in allem wohl weit über hundert Gäste. Die Girlgroup Golden Gees spielte zu Beginn »I’m a survivor« von Destiny’s Child. Die Zeit passte, der Ort auch. Am Vorabend der Walpurgisnacht wurden im Publikum zwei Hexenbesen emporgehalten.
Die VHS Reutlingen war eine weitere wichtige Wirkungsstätte für die Wissenschaftlerin, die bis 2016 Professorin für Frauen- und Geschlechterfragen an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg war, bis zur Fusion zunächst an der Reutlinger FH.
»Ihr seht's, ihr spürt's: Wir sind sehr viele«
Hausherr Ulrich Bausch begrüßte neben dem Minister so viele Gäste aus Politik, Kirche und Verbänden, dass er um einen Sammelapplaus am Ende der Liste bat. Mit der Geehrten verbindet ihn nicht nur ihre langjährige Tätigkeit im Aufsichtsrat der VHS, sondern auch eine besondere Beziehung. Sein Vater Christoph Bausch war seinerzeit Leiter der Evangelischen Akademie Bad Boll, von deren erster Tagung »Lesbische Fauen in der Kirche« 1985 eine Initialzündung für die Frauen- und Lesbenbewegung im ganzen Land ausging.
Ihr Manifest bekam sie mit dem von Monika Barz, Herta Leistner und Ute Wild verfassten Buch »Hättest Du gedacht, dass wir so viele sind? Lesbische Frauen in der Kirche«. Monika Barz engagierte sich vielfältig – etwa als Gründerin des Tübinger Frauenhauses – auch in der autonomen Frauenbewegung, unter anderem als Politikerin bei den Grünen sowie an maßgeblicher Stelle im Paritätischen Wohlfahrtsverband, beim Kirchentag oder im Landesfrauenrat.
Auch nach ihrem Rücktritt von allen Ämtern in den Ruhestand gilt ihr besonderer Einsatz noch dem Schutz der Prostituierten im Verein »Sisters«.
Im Ferienhaus an der französischen Atlantikküste verwirklicht sie mit ihrer Partnerin einen Lebenstraum und tritt im Sommer bei den Gay-Games in Paris an. Golf ist ihr Hobby.
»In Zeiten, wo wieder Nazis in deutschen Parlamenten sitzen«, sei eine solche Ehrung besonders wichtig, sagte Sozialminister Manfred Lucha. »Wir haben Werte«, die es zu verteidigen gelte.
»Mut, klare Haltung und Sichtbarkeit« wie bei Monika Barz hätten auch schon den Aufbruch der 68er begleitet – ohne damals allerdings die patriarchalischen Denkmuster zu überwinden.
Lesbisches Leben sei noch lange »ein evangelisches Tabuthema und ein Kündigungsgrund« gewesen, erst allmählich habe sich etwas verändert. Auf dem Weg dahin habe es der Solidarität bedurft, denn: »Keiner von uns kann das alleine schaffen.«
»Ihr seht’s, ihr spürt’s: Wir sind sehr viele.« So begann die Geehrte ihre Dankesrede. Nicht nur sie selber fühle sich geehrt und gewürdigt: »Die Öffentlichkeit soll sehen, wie wichtig uns diese Ehrung ist.« Allerdings sei das überhaupt kein Grund, sich zurückzulehnen, denn: »Der Ruhm ist nur die vergoldete Spitze des Eisbergs der Diskriminierung.« Es gelte, mit der Sichtbarkeit lesbischen Lebens alle Frauen zu stärken.
Neben Christoph Bausch, dem Ermöglicher der Boller Lesbentagungen, wolle sie auch Herta Leisten als »Mutter der Bewegung« besonders danken.
Diese Vorkämpferin erinnerte in einem von Ulrich Bausch moderierten Podium, gemeinsam mit Tagungsleiterin Irmgard Ehlers und ihrer Nachfolgerin Angelika Jäger an die Stationen der von Bad Boll ausgehenden Veränderung, aber auch an die anhaltenden Kämpfe in der Evangelischen Kirche: »Einfach skandalös« sei die Verweigerung der kirchlichen Ehe für Gleichgeschlechtliche, sagte Irmgard Ehlers. (GEA)