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Floppt Reichenecks Nahwärme-Projekt wegen zu hoher Kosten?

Weil die Preisvorstellungen der FairEnergie für Reichenecker Häuslesbesitzer zu knackig sind, droht der Traum vom klimaneutralen Öko-Dorf zu platzen.

Auf diesem Grün im Norden Reichenecks soll die künftige Energiezentrale fürs Nahwärmenetz zu stehen kommen.  Wenn sie denn tatsä
Auf diesem Grün im Norden Reichenecks soll die künftige Energiezentrale fürs Nahwärmenetz zu stehen kommen. Wenn sie denn tatsächlich kommt. Foto: privat
Auf diesem Grün im Norden Reichenecks soll die künftige Energiezentrale fürs Nahwärmenetz zu stehen kommen. Wenn sie denn tatsächlich kommt.
Foto: privat

REICHENECK. Mehr CO2-Neutralität durch ein Nahwärmenetz? Gerne doch! Aber nicht um jeden Preis. Das steht für die Reichenecker fest, die sich binnen der zurückliegenden Wochen über Kosten und Nutzen des im Flecken geplanten Energieversorgungskonzepts informiert haben und im Nachgang zu diversen Expertengesprächen offenbar schwer schlucken mussten. Viel zu teuer, heißt es, seien die Preise, die die Reutlinger FairEnergie fürs Öko-Projekt aufzurufen beabsichtigt. Weshalb die Stimmung in der kleinen Bezirksgemeinde zu kippen droht.

So zu hören bei der jüngsten Sitzung des Reichenecker Ortschaftsrats, in deren Rahmen Mario Zimmermann, Leiter der kommunalen Task-Force Klima und Umwelt, zunächst in groben Zügen über die Energiewende und deren denkbare Umsetzung innerhalb Reutlingens referierte. Danach strebt die Stadt – wie berichtet – an, kleinere und größere Wärmenetze auf- und auszubauen. »Inselnetze«, so Zimmermann, könnten mittelfristig in etlichen Bezirksgemeinden installiert werden – ausgehend von Liegenschaften und Immobilien, die sich in kommunalem Besitz befinden: Kindertageseinrichtungen, Bezirksämter und Schulen.

Aktuell, sagt Mario Zimmermann, werde geprüft, was in Mittelstadt und Oferdingen darstellbar sei. In beiden Teilorten gehe es primär um Abwasserwärme aus nahegelegenen Kläranlagen. Andernorts seien Holzhackschnitzel und Freiflächen-Voltaik Thema. Immer wieder fällt das Wort »Herausforderung«. Und: Auch alternative Öko-Lösungen werden von Zimmermann in aller Kürze angesprochen – etwa Wasserstoff, der nach Worten des Task-Force-Leiters in der Achalmstadt aber vermutlich der Industrie vorbehalten bleiben werde.

Ernüchterung macht sich breit

Doch zurück zu Reicheneck, dessen Häuslesbesitzer im Zuge sogenannter Kellergespräche und qua Beratung durch die Klimaschutzagentur des Landkreises ins Grübeln gekommen sind. Mehr noch: Ernüchterung hat sich im Dorf breit gemacht, weil Preisvergleiche nur einen Schluss zulassen: dass sich für Privathaushalte – sollte die FairEnergie keine günstigeren Angebote insbesondere für den künftigen Grundpreis unterbreiten – ein Anschluss ans projektierte Nahwärmenetz nicht rechnet. Wärmepumpen seien im direkten Vergleich rentabler und für manchen Reicheneckers darob fast schon konkurrenzlos.

Jedoch: Wärmepumpen benötigen Strom. Viel Strom. Und der sei, wie Mario Zimmermann betont, in der erforderlichen Menge schlichtweg nicht lieferbar. Weshalb eine flächendeckende Pumpen-Lösung – Stand heute – ausscheide. Hierfür bedürfe es nämlich eines groß angelegten Um-, Aus- und Neubaus der Stromnetze beziehungsweise Umspannwerke; und ein solcher könne nunmal nicht von heute auf morgen realisiert werden.

Kluges Fördertopf-Management

Doch wie lassen sich die Investitions- und künftigen Grundkosten des geplanten Reichenecker Nahwärmenetzes auf ein für die Kundschaft akzeptables Maß drücken? Vielleicht durch kluges Fördertopf-Management, das von Bezirksbürgermeister Ulrich Altmann angeregt wird. Seine Idee: Wenn in Reicheneck das große Buddeln tatsächlich beginnen sollte und Wärme-Rohre verlegt werden, könnten doch zeitgleich Glasfaserkabel unter die Erde gebracht und alte Wasserleitungen ausgetauscht werden.

Aus Sicht des Schultes hätte ein solch’ koordiniertes Vorgehen den Charme, dass gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen und drei Fördertöpfe parallel angezapft werden könnten. Was sich positiv auf die Investitionskosten auswirken dürfte. Oder haben Stadt und FairEnergie eine derartige Bündelung bereits ins Kalkül gezogen?

Auf diese Frage hat Mario Zimmermann keine Antwort parat, verspricht aber, die Anregung mitzunehmen. Derweil sich Bettina Binder nach einem Plan B erkundigt. Was, will sie wissen, passiert, wenn das Nahwärme-Vorhaben floppt? »Welche Alternative gibt es in diesem Fall für Reicheneck?« Antwort: Keine städtisch unterstützte. Dann muss jeder für sich selbst nach einer passenden Lösung schauen. Denn ein »Inselnetz« kommt für den Teilort nicht in Betracht. Oder mit Zimmermann gesprochen: »Wir planen ganz fest mit dem Nahwärmenetz. Wir sind optimistisch.«

Stadt stiehlt sich aus der Verantwortung

Ein Optimismus, den man im Dorf indes längst nicht mehr teilt. Zuschauer der Sitzung quittieren Zimmermanns Zuversicht jedenfalls mit missmutigem Raunen. Die Stadt, verlautet aus dem Publikum, stehle sich aus ihrer Verantwortung.

Auch die Ortschaftsräte fordern klipp und klar kommunale Finanz-Hilfe. Dass man sich im Reutlinger Rathaus begeistert übers »Pilotprojekt« äußere, sei nicht genug. Denn mit Lippenbekenntnissen lasse sich bedauerlicherweise keine Klimaneutralität schaffen. Wenn die Stadt das Vorhaben nicht konsequent unterstütze, werde es seifenblasengleich platzen und könnte schlimmstenfalls einen Dominoeffekt auslösen. Denn, dass andere Bezirksgemeinden aus einem Scheitern Reichenecks ihre Lehren ziehen, liege förmlich auf der Hand und würde Reutlingen in puncto CO2-Neutralität weit zurückwerfen. (GEA)