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Erweiterung des Biosphärengebiets: Gönningen stimmt nicht zu

Bezirksgemeinderat votiert mit fünf zu fünf Stimmen gegen Erweiterung des Biosphärengebiets

Konnten die Hälfte des Gönninger Gremiums nicht von einer Biosphären-Erweiterung überzeugen: Michael Göppinger, Angela Weißkopf,
Konnten die Hälfte des Gönninger Gremiums nicht von einer Biosphären-Erweiterung überzeugen: Michael Göppinger, Angela Weißkopf, Christel Pahl und Anna Bierig. FOTO: BERNKLAU
Konnten die Hälfte des Gönninger Gremiums nicht von einer Biosphären-Erweiterung überzeugen: Michael Göppinger, Angela Weißkopf, Christel Pahl und Anna Bierig. FOTO: BERNKLAU

REUTLINGEN-GÖNNINGEN. Großer Bahnhof, kleine Sensation: Die Reutlinger Stadtverwaltung war mit Baubürgermeisterin, Stadt-Marketing-Chefin und dem Abteilungsleiter Grünflächen zur Sitzung des Gönninger Bezirksgemeinderats gekommen. Aber diese geballte behördliche Präsenz nützte am Ende nichts. Mit dem denkbar knappsten Ergebnis, einem Patt von fünf zu fünf Stimmen, hat das Gönninger Gremium jetzt die Bewerbungspläne zur Erweiterung des Unesco-Biosphärengebiets abgelehnt. Was – weil der Rat lediglich empfehlende Funktion hat – von einer Mehrheit im Reutlinger Stadtparlament folgenlos ignoriert werden kann.

Bezirksbürgermeisterin Christel Pahl hatte neben zehn Räten und deutlich mehr Zuhörern als gewöhnlich die drei Gäste aus dem Reutlinger Rathaus zur Sitzung im Gönninger Rathaus besonders herzlich begrüßt. Die Ausweitung ihrer Biosphärengebiete, um die sich die Stadt Reutlingen innerhalb der »Erweiterungskulisse des Biosphärengebiets Schwäbische Alb« bewirbt, war vor der entscheidenden Gemeinderatssitzung am 23. März nicht nur in Gönningen Gesprächsstoff gewesen.

Auf 57 Prozent aufstocken?

Über Bronnweiler, Ohmenhausen, Betzingen und die südliche Kernstadt bis nach Sondelfingen stehen in Bezirken südlich der Bahnlinie Areale der Stadt zur Auswahl. Zu den bisherigen 85 000 Hektar sollen in der Region 35 000 weitere Biosphären-Hektar hinzukommen. Reutlingen hatte – ein europaweites Alleinstellungsmerkmal für eine Großstadt – schon bei der Unesco-Anerkennung im Jahre 2009 rund 1 500 Hektar seiner Gemarkungsfläche eingebracht, was 17,5 Prozent entspricht. Das würde, ginge es auch nach Oberbürgermeister Thomas Keck, der von einer »Herzensangelegenheit« gesprochen hatte, mit dem neuen Bestätigungs-(»Rezertifizierungs«)-Verfahren auf knapp 5 000 Hektar oder 57 Prozent aufgestockt.

Die Gönninger Kernzone bestünde dann aus den Wäldern am Albtrauf rund um den Stöffelberg. Dort würde dann jede Art von forstlicher Bewirtschaftung beendet. »Das wird schon so eine Art Bannwald«, beschrieb das Michael Göppinger, Abteilungsleiter Grünflächen beim Tiefbauamt, in seinem Einstiegsvortrag. Vorsorglich hat der Oberbürgermeister den Gönningern schon 200 jährliche Festmeter an Nutz- und Brennholz zugesagt, die eventuell gegenüber der bisherigen Holzernte verloren gehen könnten. Die weitere Abstufung der Biosphärenbereiche reicht von der Pflegezone bis zur Entwicklungszone, wo lediglich auf chemische Düngung landwirtschaftlicher Nutzflächen verzichtet werden muss.

Wortreiches Werben

Sowohl Baubürgermeisterin Angela Weiskopf als auch »Start«-Chefin Anna Bierig warben wortreich für die Vorteile der erweiterten Biosphärengebiete: fürs Image ganz allgemein und den Tourismus in Form der Förderung von Wanderwegen wie dem Kalktuff-Pfad oder dem Premiumwanderweg »hochgekämpft«, der Tulpenblüte oder dem Samenhandel-Museum. Zuschüsse zur Pflege der Streuobstwiesen seien denkbar und perspektivisch sogar für Kongress- und Event-Gastronomie.

Als exotisches Beispiel nannte Michael Göppinger einen Optiker, der mit einem Brillengestell aus Wacholder-Holz mit Biosphären-Siegel ein erfolgreiches Produkt kreiert habe. Man dürfe »das weltweite Renommee des Unesco-Labels nicht unterschätzen«, sagte Göppinger und wies auf den »Ansturm auf die Erweiterungsflächen« hin. Vor allem das benachbarte Sonnenbühl habe allergrößtes Interesse. Man müsse »neue Weichen stellen«, hatte Baubürgermeisterin Weiskopf gleich eingangs empfohlen, aber auch zugesichert: »Es wird nicht über Ihre Köpfe hinweg entschieden.«

Auch Bezirksbürgermeisterin Pahl sprach sich noch einmal für die Erweiterungspläne aus. Die Stadt habe »in einem Marathon Werbung gemacht« und beharrlich auf die zukunftsweisenden Chancen für Gönningen hingewiesen, während die Kosten nur beim Verzicht auf Holzeinschlag, beim Marketing-Aufwand und bei den Komplementär-Mitteln für die 50-Prozent-Förderung von Projekten lägen.

Bedenken und Einwände

Doch aus dem Gremium wurden trotzdem Bedenken und Einwände laut. So seien aus dem bisherigen Fördertopf von rund 200 000 Euro keine Mittel nach Gönningen, sondern nur zur optischen und ökologischen Ertüchtigung des Busbahnhofs geflossen. Man hätte »die Wirtschaft mehr einbinden müssen«, monierte Gerold Bross. Siegfried Randecker meinte unter Hinweis auf Natur-, Landschafts-, Vogel- und anderen Artenschutz, Gönningen sei »gesegnet mit Schutzgebieten, kann sich aber nicht mehr entwickeln«, worauf die Baubürgermeisterin versicherte, dass im Rahmen der Biosphären-Erweiterung keine weiteren Schutzgebiete ausgewiesen würden.

Unklare Konsequenzen

Andreas Fetzer hatte darauf hingewiesen, dass es »in Gönningen neben Biosphäre auch andere Themen und Sorgen« gebe, etwa Bauland und Wohnraum für Familien. Seine Befürchtung, Entwicklungszonen würden zu strengeren Pflegezonen umgewidmet, versuchte Andrea Weiskopf zu entkräften. Was ihr im Falle von Ratsmitglied Jörg Baisch nicht gelang. Solange die Konsequenzen nicht klar seien, ließ er wissen, könne er keine Zustimmung geben.

Nachdem Christel Pahl zur Abstimmung aufgerufen hatte, hoben sich fünf zustimmende Hände, ebenso viele danach für ein Nein. »Das ist ein Patt«, stellte die Bezirksbürgermeisterin fest und schloss trocken: »Damit ist der Beschlussantrag abgelehnt.« (GEA)