BERLIN. Für Bahnfahrgäste sind es wieder leidvolle Zeiten: Erst fährt aufgrund des Wintereinbruchs tagelang kein Zug im Großraum München. Nun will die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) mit einem 24-stündigen Warnstreik wieder weite Teile des Fern-, Regional- und Güterverkehrs lahmlegen. Erste Fernverbindungen nahm die Bahn bereits für den frühen Donnerstagabend aus dem Angebot - Stunden vor dem eigentlichen Beginn des Arbeitskampfes im Personenverkehr um 22.00 Uhr. Nur so kann der Konzern garantieren, dass am Ende niemand auf freier Strecke übernachten muss.
Im Fernverkehr will die Bahn während des Warnstreiks rund 20 Prozent des Angebots aufrecht erhalten. Im Regionalverkehr werden die Auswirkungen sehr unterschiedlich sein. Im weiter vom Schneechaos betroffenen Bayern dürfte so gut wie nichts fahren. Insbesondere im Nordwesten des Landes, wo die GDL traditionell weniger stark vertreten ist, könnte es Fahrgäste weniger stark treffen.
Im Güterverkehr sollte der Warnstreik bereits um 18.00 Uhr am Donnerstag losgehen. Schon in den Tagen zuvor stauten sich aufgrund des heftigen Schneefalls in Bayern Hunderte Güterzüge, teilte die Bahn am Donnerstag mit. Der Arbeitskampf werde das Chaos vergrößern. Die Auswirkungen im Güterverkehr sollen noch über das Wochenende hinaus zu spüren sein.
35-Stunden-Woche gefordert
Betroffen ist nicht nur die Bahn. Auch der Wettbewerber Transdev wird von der GDL bestreikt. Beide Tarifverhandlungen hat die Gewerkschaft inzwischen für gescheitert erklärt. Knackpunkt ist in beiden Fällen vor allem die Forderung der GDL nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Die Arbeitgeber lehnen das bisher ab.
»Damit ignorieren die Unternehmen nicht nur die berechtigten Bedürfnisse der eigenen Beschäftigten«, teilte Weselsky am Mittwoch mit. »Sie torpedieren zudem die dringend nötigen Maßnahmen zu einer erfolgreichen Personalgewinnung und setzen so fahrlässig die Zukunft des klimafreundlichsten Verkehrsmittels Eisenbahn aufs Spiel.«
Mit dem Arbeitskampf setzt die GDL die Bahn kurz vor dem sogenannten großen Fahrplanwechsel an diesem Sonntag unter Druck. Dieser sieht eigentlich zahlreiche neue Fern- und Regionalverkehrsverbindungen und eine Aufstockung der Zugflotte vor. Doch bevor neue Züge auf die Schiene kommen, muss die Bahn nun zunächst zahlreiche herunternehmen. Dauerstress für die Beschäftigten in den Leitstellen. Bis zum Start des neuen Fahrplans sind die Streikauswirkungen im Personenverkehr aller Voraussicht nach aber kein Thema mehr.
Voraussichtlich keine Streiks über Weihnachten
Nach dem Warnstreik können Fahrgäste zunächst durchatmen. Bis einschließlich 7. Januar hat Weselsky weitere Arbeitskämpfe ausgeschlossen. Damit kommt es am Ende doch zum lange ersehnten Weihnachtsfrieden, den die Bahn schon vor dem Beginn der Tarifauseinandersetzung Anfang November gefordert hatte. Danach ist dann wieder alles möglich. Die Streiks im neuen Jahr würden »länger und intensiver«, sagte Weselsky am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk.
Derzeit stimmen die Gewerkschaftsmitglieder per Urabstimmung über unbefristete Streiks ab. Das Ergebnis wird für den 19. Dezember erwartet. Weselsky rechnet eigenen Aussagen zufolge mit einer Zustimmung von 90 Prozent. Mehr als 75 Prozent sind nötig, wenn die GDL zu solchen Arbeitskämpfen aufrufen will. Die Mitglieder müssen die Maßnahme absegnen, denn Streiks können für sie ins Geld gehen. Das Streikgeld der Gewerkschaft gleicht in der Regel nur einen Teil der Lohn- und Gehaltseinbußen aus, die Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei Arbeitskämpfen entstehen können.
Ein Ausweg aus der Misere ist derzeit nicht erkennbar. Rund zwei Wochen ist es her, dass die GDL die Verhandlungen bei der Bahn hat scheitern lassen. Viel miteinander geredet wurde seither dem Vernehmen nach nicht. Die Fronten sind insbesondere beim Thema Arbeitszeitreduzierung verhärtet. Zudem will die GDL ihren Einflussbereich ausweiten und bei der Bahn auch für die Beschäftigten der Infrastrukturtochter DB Netz Tarifverträge abschließen. Die Bahn lehnt das ab und verweist auf die dort bereits existierenden Tarifregelungen mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Fahrgäste sollten nach dem Warnstreikende am Freitagabend also die streikfreien Wochen bis Anfang des Jahres genießen. (dpa)