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Aktuell Fliegerei

Deshalb müssen Flugzeuge in Reutlingen zum TÜV

In den Wintermonaten haben die Mitglieder des Luftsportvereins Reutlingen am Boden reichlich zu tun.

Sicherheit über den Wolken fängt am Boden an. Im Hangar des Luftsportvereins Reutlingen wird ein Segelflugzeug fertig für die Lu
Sicherheit über den Wolken fängt am Boden an. Im Hangar des Luftsportvereins Reutlingen wird ein Segelflugzeug fertig für die Lufttüchtigkeitsprüfung gemacht. In den Wintermonaten ist das eine ganz typische Arbeit für die Vereinsmitglieder. Foto: Stephan Zenke
Sicherheit über den Wolken fängt am Boden an. Im Hangar des Luftsportvereins Reutlingen wird ein Segelflugzeug fertig für die Lufttüchtigkeitsprüfung gemacht. In den Wintermonaten ist das eine ganz typische Arbeit für die Vereinsmitglieder.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Flugzeuge kriegen keine Plakette, müssen aber dennoch regelmäßig zum TÜV. Nur nennt sich dieser Check nicht Hauptuntersuchung wie bei Autos, sondern Lufttüchtigkeitsprüfung − und ist auch ansonsten ziemlich anders.

Das fängt schon damit an, dass die Besitzer von Fluggeräten ihre Maschinen im Winter monatelang auf diese Prüfung vorbereiten. Ein Besuch in der Halle des Luftsportvereins Reutlingen (LVR) ist der Beweis dafür, sowie sehr aufschlussreich was das Verhältnis von Luftsportlern zur Untersuchung ihrer Fluggeräte betrifft.

Piloten und Prüfer pflegen einen partnerschaftlichen Umgang, denn die Sicherheit über den Wolken fängt am Boden an. Wo Autofahrer gerne mal eine Motorwäsche machen, um Öllecks vor den Meistern von TÜV oder Dekra oder GTÜ zu verbergen, suchen Flugzeugführer pingelig jeden Mangel – um ihn zu beheben. Alles andere wäre lebensgefährlich. Dementsprechend umfangreich sind auch die gesetzlichen Vorschriften.

»Jedes Jahr eine Prüfung der Lufttüchtigkeit«

»Einmal im Jahr gibt es bei allen Flugzeugen eine Prüfung der Lufttüchtigkeit«, erklärt Burkhard Heeß als technischer Leiter des Luftsportvereins Reutlingen. Was das bedeutet, ist für jeden Typ schriftlich festgelegt. »Es gibt ganz viele Dokumente. Dort steht etwa auf den Tag genau drin, wie lange es fliegen darf«, sagt Heeß. Für viele Bauteile sind maximale Betriebszeiten definiert.

Auch die Mechanik eines Flugzeugs, wie hier das Gestänge am Steuerknüppel, will gut geschmiert werden.
Auch die Mechanik eines Flugzeugs, wie hier das Gestänge am Steuerknüppel, will gut geschmiert werden. Foto: Stephan Zenke
Auch die Mechanik eines Flugzeugs, wie hier das Gestänge am Steuerknüppel, will gut geschmiert werden.
Foto: Stephan Zenke

So dürfen etwa die Kupplungen für das Schleppseil von Segelflugzeugen im Schulungsbetrieb nur für 1 250 Starts benutzt werden, müssen Sicherheitsgurte nach 12 Jahren durch neue Exemplare ersetzt sein, der Rumpf nach 6 000 Flugstunden beim Flugzeughersteller intensive Checks absolvieren.

In der Luftfahrt wird nicht darauf gewartet, dass etwas kaputt geht, sondern die Wartung soll genau dies verhindern. Weil moderne Maschinen auch sehr viel länger halten, als die meisten Autos. Hobbyflieger können sich auch nicht ständig neue Gerätschaften leisten, außerdem sind nach den Worten des Reutlinger Vereinsvorsitzenden Marc Bitzer »die Entwicklungssprünge kleiner geworden«. Wozu also investieren, wenn es den Mitgliedern wenig bringt. Von den sieben Segelflugzeugen und drei Motorflugzeugen des Luftsportvereins Reutlingen ist das älteste Exemplar 40 Jahre alt, aber immer noch flugtauglich. Dafür sorgen gerade während der kalten Monate des Jahres die Vereinsmitglieder mit vielen Arbeitsstunden, die auch Lackpflege in einem neuen Licht erscheinen lassen.

Autofahrer polieren ihr »Heilix Blechle« eher nur, damit es hübsch wie eine Speckschwarte glänzt. Segelflieger wienern und wachsen den Lack von Rumpf und Flügeln oder Leitwerk, damit nirgendwo feine Risse entstehen. Denn glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) reagiert sensibel auf Witterungseinflüsse. »Korrosion ist bei unseren Flugzeugen kein Thema, weil sie aus GFK bestehen«, ergänzt Technikchef Heeß. Wenn also die Zeit gekommen ist, ein Fluggerät seiner Lufttüchtigkeitsprüfung unterziehen zu lassen, handelt es sich beim Luftsportverein Reutlingen immer um ein top gepflegtes Exemplar. Die Prüfer kommen dann ins Haus, sprich den Reutlinger Hangar.

Flugzeuglack sollte glänzend und rissfrei sein, denn er schützt Bauteile wie Rumpf und Flügel vor Witterungsschäden.
Flugzeuglack sollte glänzend und rissfrei sein, denn er schützt Bauteile wie Rumpf und Flügel vor Witterungsschäden. Foto: Stephan Zenke
Flugzeuglack sollte glänzend und rissfrei sein, denn er schützt Bauteile wie Rumpf und Flügel vor Witterungsschäden.
Foto: Stephan Zenke

Abgearbeitet wird ein langer Prüfkatalog, der in einer Schrift mit Buchstaben, so klein wie Stecknadelköpfe, eine Schreibmaschinenseite restlos füllt. Die Checkliste für den Motorsegler »Discus 2c« beginnt mit Formalien wie »Bordbuchführung« oder »Betriebsaufzeichnungen«, um dann zügig sehr technisch zu sein.

Unter die Lupe genommen werden die Bereiche Rumpf, Fahrwerk, Tragwerk, Steuerung, Ausrüstung, Leitwerk und Triebwerk. Beim Rumpf interessieren etwa diverse Anschlüsse, Streben, Verbindungsmittel oder die Kabinenverglasung. Das Fahrwerk sollte tadellose Streben und Achsen aufweisen, keinerlei Schwächen bei Bremsen oder Verriegelungseinrichtungen zeigen. Die Steuerung umfasst alleine 16 Prüfpunkte, und in Sachen Leitwerk finden sich sieben Einträge auf der Checkliste. Bei sicherheitsrelevanten Prüfpunkten gibt’s keinerlei Toleranz. Entweder ist die Maschine lufttüchtig, oder eben nicht.

»Eine Stunde fliegen heißt drei Stunden Arbeit«

Die je nach Flugzeugmuster unterschiedlich umfangreichen Tests bestimmen, wie lange die Prüfer im Hangar bleiben. »Etwa drei Stunden pro Flugzeug« seien der Durchschnitt, sagt Heeß. Wo beim Auto mittlerweile auch Computer bei der Hauptuntersuchung eingesetzt werden, kommen die Flugzeugexperten mit vergleichsweise simplen Gerätschaften aus. »Die Prüfer haben Spiegel, Schablonen, Spezialschraubenschlüssel und Endoskope dabei«, verrät der technische Leiter. Die auch bei Segelflugzeugen mittlerweile hochmoderne Elektronik von Instrumenten und Funk wird nach Vorschrift von Experten außer Haus unabhängig von der Lufttüchtigkeitsprüfung gecheckt. Sehr selten besteht ein Flugzeug die Prüfung nicht – bei der Vorbereitung wäre alles andere auch sehr enttäuschend.

Burkhard Heeß ist der technische Leiter des Luftsportvereins Reutlingen.
Burkhard Heeß ist der technische Leiter des Luftsportvereins Reutlingen. Foto: Stephan Zenke
Burkhard Heeß ist der technische Leiter des Luftsportvereins Reutlingen.
Foto: Stephan Zenke

»Eine Stunde fliegen heißt drei Stunden Arbeit«, beschreibt Burkhard Heeß das Verhältnis zwischen Werkstattarbeit und Flugstunden der Mitglieder. Das fördere das Vereinsleben, den Zusammenhalt und das Technikverständnis. Vor allem aber die Sicherheit während der Flugsaison auf dem Übersberg oder über den Wolken. (GEA)

LUFTSPORTVEREIN REUTLINGEN

Aufstieg in die 2. Bundesliga von WeGlide

Der Luftsportverein Reutlingen setzt seinen Fokus neben der Schulung auch auf Langstreckenflüge mit Segelflugzeugen. Dazu gehören mehrere Stunden Aufenthalt im Cockpit und Hunderte von Kilometern an Strecke in der Luft. Gerade auch jüngere Piloten planen und fliegen große Strecken. Diese Flüge werden im Anschluss digital ausgelesen und auf die Internetplattform WeGlide hochgeladen, wo sich Piloten und Segelflugfans treffen sowie Strecken und Geschichten rund um den Luftsport. Dort werden dann je nach Durchschnittsgeschwindigkeit, Länge und Verlauf der Strecke Punkte vergeben. Im Vordergrund der Punktevergabe steht die Sprintwertung (das beste Zweistunden-Fenster im jeweiligen Flug) und die DMST-Wertung (Beispiel: Dreieck geflogen). Anschließend werden alle vereinsinternen Punkte zusammengezählt und zeigen die Gesamtpunktzahl des Luftsportverein Reutlingen in der ent-sprechenden Runde an. Dieses Jahr konnte der Verein in der baden-württembergischen Regionalliga mit seinen Flügen überzeugen, indem insgesamt die größten und schnellsten Strecken zurückgelegt wurden. Damit hat sich der LVR den Meistertitel mit dem 1. Platz in Baden-Württemberg gesichert und damit auch gleichzeitig den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft. www.lv-reutlingen.de www.weglide.org