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Aktuell Jubiläum

Der Automobilclub Reutlingen wird 100 Jahre alt

Der Automobilclub Reutlingen feiert sein 100-jähriges Bestehen. Die Leichtigkeit aus alten Zeiten ist allerdings vorbei. Da sich die Begeisterung aus frühen Tagen nur noch schwer entfachen lässt, müssen die Autoliebhaber neue Wege gehen.

Schauen optimistisch in die Zukunft des Automobilclubs Reutlingen: Michael Baisch (links) und Lars Jenner.
Schauen optimistisch in die Zukunft des Automobilclubs Reutlingen: Michael Baisch (links) und Lars Jenner. Foto: Andreas Stephan
Schauen optimistisch in die Zukunft des Automobilclubs Reutlingen: Michael Baisch (links) und Lars Jenner.
Foto: Andreas Stephan

REUTLINGEN. Für den einen ist es einfach Lärm, für den anderen ist es Musik in den Ohren. Wenn die Motoren aufheulen, sich die Tachonadel in den roten Bereich quält, es klappert und röhrt, dann geht sein Herz auf. »Das ist geil.« Michael Baisch ist erster Vorsitzender des Automobilclubs Reutlingen (ACR) und Kfz-Liebhaber durch und durch. Schon seit seiner Jugend ist er Mitglied des ACR, fand seinen Weg in den Verein über seinen Vater, der in den Achtzigerjahren im Vorstand tätig war. »Wir freuen uns, dass wir tatsächlich unser 100-jähriges Jubiläum feiern dürfen«, sagt Baisch. »Obwohl sich vieles bei uns über die Jahre verändert hat.«

Im Juni 1923 war es Julius Haug, der im Reutlinger General-Anzeiger eine Zeitungsannonce aufgab, in der er alle interessierten Einwohner zur Gründung eines Motorsportclubs in den »Schweizerhof« in der Metzgerstraße einlud. Seinem Aufruf folgten viele. Nur ein Jahr später war der Motorsportverein Reutlingen eingetragen.

Die Autocross-Rennen auf dem Panzergelände Reutlingen waren in den Siebzigern Publikumsmagneten.
Die Autocross-Rennen auf dem Panzergelände Reutlingen waren in den Siebzigern Publikumsmagneten. Foto: Verein
Die Autocross-Rennen auf dem Panzergelände Reutlingen waren in den Siebzigern Publikumsmagneten.
Foto: Verein

»Damals war das Auto natürlich noch elitär«, erklärt Baisch, »nur die Wenigsten hatten ein eigenes, das war etwas ganz Besonderes.« Dementsprechend groß war das Interesse an dem neu gegründeten Club. Über die kommenden Jahrzehnte verzeichnete der ACR einen großen Zulauf, der dann in den Siebzigerjahren mit über 1.000 Mitgliedern seinen Höhepunkt fand. »Das lag auch an den vielen Events, die wir hatten«, so der 48-jährige Vertriebsingenieur. Der Autoclub war damals in aller Munde. Er war regelmäßig auf dem Reutlinger Stadtfest vertreten, richtete lange Zeit die Winterreifenbörse aus, seine Oldtimersparte erfreute sich großer Beliebtheit. Zudem organisierte er Orientierungsfahrten, bei der Fahrer und Beifahrer eine vorgegebene Strecke auf öffentlichen Straßen befahren und dabei Aufgaben lösen mussten, oder Autoslaloms, bei denen ein abgesteckter Parcours möglichst schnell durchfahren werden musste.

Um im Stadtgebiet ein Motorsportgelände zu haben, ließ der ACR den Bösmannsäcker auf eigene Kosten einschottern und walzen. »Das Highlight war immer das Autocross-Rennen«, erinnert sich Baisch. Auf dem ehemaligen Panzergelände wühlten sich hier die Autos durch den Dreck. Ein Event, das Tausende Zuschauer anlockte.

Die Lobby schwindet

1987 verbot die Bundesforstverwaltung allerdings weitere Rennen auf dem Panzergelände. Baisch: »Die Zeiten wurden schwieriger, und uns wurden durch viele Regularien und Auflagen Steine in den Weg gelegt.« Das Aus für den Autoslalom kam 2016. Für ihn benötige der Automobilclub weitläufige, betonierte Areale. Diese will aber niemand mehr zur Verfügung stellen. Aus diversen firmeninternen Gründen, aber auch, weil der Motorsport inzwischen »zu laut« sei. »Heutzutage tun sich die Leute schwer, sich mit Motorsport, vor allem mit Verbrennermotoren, in Verbindung zu bringen. Unsere Lobby schwindet«, sagt Baisch.

Viele Auflagen und Platzmangel, damit weniger Events. Das ging nicht spurlos am Club vorbei. Von den Zahlen der Siebzigerjahre können Baisch und seine Vorstandskollegen nur träumen. Inzwischen zählen sie noch 132 Mitglieder. Was stimmt sie dennoch optimistisch? »Unser Vereinsleben ist intakt. Es finden viele gesellschaftliche Events bei uns statt, regelmäßige Stammtische, wir haben immer noch eine erfolgreiche Oldtimersparte, die sich zu Messen trifft und mehrtägige Ausfahrten unternimmt«, meint Baisch. Besonders stolz ist er auf das Vereinsheim in der Marie-Curie Straße, dessen Aufbau 1992 begann und nach vielen Spenden und Arbeitsstunden der Clubmitglieder 1996 eingeweiht werden konnte.

Beim Jugendkart fahren die Kinder und Jugendlichen durch Hütchen abgesteckte Strecken.
Beim Jugendkart fahren die Kinder und Jugendlichen durch Hütchen abgesteckte Strecken. Foto: Verein
Beim Jugendkart fahren die Kinder und Jugendlichen durch Hütchen abgesteckte Strecken.
Foto: Verein

Den wichtigsten Punkt für die Zukunft nennt Lars Jenner, Jugendleiter des AC Reutlingen: Jugendkart. Die 1990 gegründete Abteilung habe sich über die Jahre sehr gut entwickelt, seit 2015 wird sie von Jenner betreut. »Jugendarbeit ist schon lange ein großes Thema bei uns und soll in Zukunft noch weiter in den Fokus rücken.« Nach einer kleinen Delle in der Corona-Zeit setzen sich nun wieder genügend Jugendliche regelmäßig beim ACR in das Kart. Trainiert wird auf einem Gelände in Eningen.

»Wir legen mit unserem Kart-Training motorische und koordinative Grundlagen bei den Kindern. Sie lernen das sehr schnell und haben dadurch auch im späteren Straßenverkehr deutliche Vorteile«, meint Jenner. Ziel sei es auch, den Kindern am Ende einer jeden Saison, die von April bis in den Oktober hineinreicht, die Teilnahme an Wettkämpfen zu ermöglichen. Aber auch hier ist der Aufwand der enorm. »Bis wir alle Karts aus der Garage geholt und mit dem Hänger nach Eningen transportiert haben, vergeht schon eine Stunde. Dazu kommt das ständige Aufstellen der Hütchen, wofür wir auf die Unterstützung der Eltern angewiesen sind«, erklärt Jenner.

Elektrifizierte Zukunft

»Die Gesellschaft ist im Wandel, deshalb müssen auch wir uns anpassen«, weiß Baisch. Er sieht Aufgaben auf den ACR zukommen. »Das Thema E-Mobilität ist ein sehr großes. Wir müssen und wollen unseren Kartsektor auf Elektro umrüsten. Das ist allerdings alles andere als günstig.« Er betont, dass der Verein diesen Schritt nur gehen werde, wenn die Energie für die Karts auch sauber über eine Photovoltaik-Anlage gewonnen werden kann. »Grünen Sport betreiben wir nur mit grünem Strom.« Noch fehlen aber die finanziellen Mittel für die Umrüstung.

Ein fehlendes Trainingsgelände in der Umgebung ist ein weiteres Problem, mit dem der ACR kämpft. Zwar wären die Autonarren froh, überhaupt ein Gelände in Eningen nutzen zu können, jedoch »bräuchten wir in Reutlingen ein Areal, um wieder mehr anbieten zu können«, so Baisch. Er ist aber optimistisch, dass sich Unterstützer finden werden, die den Weg gemeinsam mit dem ACR gehen. Womöglich schon im Zuge des Reutlinger Stadtfestes am 21. und 22. Juni. Baisch wird hier mit seinen Mitstreitern nach jahrelanger Abstinenz wieder Präsenz zeigen.

Oder aber vorher schon, bei der großen Feier zum 100. Geburtstag des ACR am Samstag, 8. Juni, in der Marie-Curie Straße. Damit auch alle, die bisher nicht viel mit dem Motorsport zu tun hatten, sehen: Der Automobilclub Reutlingen hat immer noch viel zu bieten. Das Aufheulen der Motoren kann immer noch Musik in den Ohren sein. Nur die Melodie wird sich ändern. (GEA)

100-Jahrfeier des ACR

Der Automobilclub Reutlingen hofft auf viele Besucher bei seinem großen Fest zum 100. Geburtstag: am Samstag, 8. Juni, ab 11 Uhr im Vereinsheim in der Marie-Curie Straße 20 in Reutlingen. Neben Essen und Getränken gibt es ein buntes Rahmenprogramm mit Hüpfburgen, Ballon-Wettbewerb, Rennsimulator und Ausstellungsfahrzeugen. (anst)