REUTLINGEN-BRONNWEILER. Auf knapp tausend Einwohner 150 Mitglieder: Die Quote des Albvereins Bronnweiler ist noch ganz gut. 125 Jahre Bestehen werden dieses Jahr gefeiert. Der Laternenumzug gestern Abend durchs Dorf war ein weiteres Großevent im Jubiläumsjahr, das über die Wände der Vereinsstube hinausweist und bald 200 Dorfbewohner auf die Beine brachte.
Einen Rückblick in die lange Vereinshistorie wollte man nicht haben: »Wir möchten nach vorne schauen«, erklärt Eva Eckstein, die Erste Sprecherin des Vereins, der von einem gut zehnköpfigen Team geleitet wird – ganz modern und auch der Not geschuldet: Immer weniger Einzelpersonen wollten die komplette Vereinsverantwortung übernehmen, berichtet Eckstein.
Zu viel Verantwortung
Nicht nur Vorstände hafteten unterdessen für alles und jedes. Heutzutage werden Wanderführer verklagt wegen einer wackligen Stufe von Erwachsenen, die sich auf einer Tour den Haxen brechen. »Das ist schlimm geworden. Die Leute klagen eher – und sie bekommen recht vor Gericht.« Das mehre nicht die Lust am Ehrenamt, weiß die 60-Jährige. Kein Wunder, dass bisweilen ganze Wanderwege schon bei leichten Unzulänglichkeiten geschlossen werden und bleiben.
Verantwortungsaufteilung scheint angezeigt. Doch eine verteilte Teamspitze ist im Vereinsrecht so nicht vorgesehen und so mussten die Bronnweilemer doch wieder in die gewohnte Struktur zurück, auch wenn die Vorsitzende jetzt Sprecherin heißt und ihr Vize Herbert Bauer Sprecher. Intern arbeite man jedoch als Gruppe zusammen, hierarchiefrei »ohne Entscheidungen von oben«.
Natur, Heimat, Wandern sind die drei Säulen der Ortsgruppe im schönen Wiesaztal. Seit vielen Jahrzehnten gibt es eine rührige Naturschutzgruppe, die beispielsweise Obstbäume oder Feuchtbiotope auf Bronnweiler Gemarkung pflegt. Über dieses Engagement werde nicht viel geredet, es ist aber laut Eva Eckstein »ein wichtiges Standbein« des Vereins. »Die Ehrenamtlichen nehmen sich viel Zeit dafür.«
Lichtstube wärmt auch das Herz
Der Begriff Heimat war lange mit einem »Geschmäckle« behaftet. Unterdessen wärmt er manchen längst wieder Herz und Seele. Der Verein lädt alle 14 Tage zur Lichtstube. Die alte Tradition, eigentlich ein Energiesparmodel, führt Menschen seit Jahrhunderten zusammen. In Bronnweiler trifft man sich im Winter alle 14 Tage zum Stricken, Basteln und/oder Plaudern. Bei Tee und oder Wein ist jeder willkommen – die nächste Lichtstube ist am 14. November, 19 bis 21 Uhr, im Vereinsraum in der ehemaligen Schule.
Identifikation mit Heimat heißt für Eckstein auch, etwas für Kinder anzubieten, bei dem sie Traditionen kennenlernen. Honig machen mit dem Imker ist beispielsweise so ein Angebot.
Gewandert wird natürlich auch: Eckstein tut’s auch gern allein. Viele tun es gern gemeinsam im Verein, und sie sorgen dafür, dass es auch andere gern tun: Beschilderung und Pflege, Kartierung der Wege auf der Plattach und bei der Linde fallen ins »Revier« des Bronnweiler Vereins.
Das gemeinsame Unterwegssein sei eine »großartige Erfindung«, sagt die Vereinssprecherin. Gerade auch für Menschen, die alleine sind. Unverbindlich mitwandern, Leute kennenlernen – jeder darf mit und das kostenlos. So sind die regelmäßigen Mittwochswanderungen ein Angebot, das teilweise bis zu 50 Teilnehmer auf die Beine bringt. Nach zwei Stunden Marsch gibt es im Albvereinsraum Kaffee und Gelegenheit zu weiterem »Ratschen«, wie Eckstein sagt, was für so manchen wohl die Hauptattraktion des Programms sei, so ihre Einschätzung.
Nachwuchs aus der Familiengruppe?
Hat der Albverein mit seinen teils etwas angestaubt wirkenden Angeboten in einer erlebnisgierigen, von Überangeboten übersättigten Gesellschaft eine Zukunft? Die Mitgliederstruktur des Vereins kann Sorgen machen, sind doch vor allem Ältere im Verein. Zuversicht schenkt dem Führungsteam die Tatsache, dass es im AV Bronnweiler eine »ziemlich lebendige Familiengruppe« gibt, aus der man sich Nachwuchs erhofft.
Mitgliederschwund, Probleme, die Führungsämter zu besetzen: Ist der Verein an sich in Deutschland ein Auslaufmodell? Eva Eckstein wagt keine Prognose, nennt stattdessen Zahlen. »Vor 20, 30 Jahren waren 70 Prozent der Deutschen im Verein. Heute sind es noch 35 Prozent.«
Überhaupt nicht verstaubt und das Gegenteil von Auslaufmodell sind die Ziele, die der Verein verfolgt. »Wir möchten bei uns in Bronnweiler den gesellschaftlichen Zusammenhalt pflegen und Vereinsamung entgegenwirken«, sagt Eckstein.
Bronnweiler soll kein Schlafdorf werden
Events sollen Gelegenheit zum Austausch bieten und dafür sorgen, dass der kleine Reutlinger Teilort »kein Schlafdorf wird«. Gemeinsam Projekte angehen unter dem Schutzschirm einer bewährten Struktur, auch das soll die Gemeinschaft stärken. »Die Welt gut und schön erhalten und dabei vor der Haustür anfangen«: Mit diesem Leitsatz versucht Eva Eckstein, das Kondensat des Vereinsbestrebens in einem Satz zusammenzufassen.
Dabei füllt der Verein auch Lücken: Nachdem im vergangenen Jahr die Reutlinger Verwaltung die Bücherei-Zweigstelle in Bronnweiler ohne große Vorwarnung zugemacht hat, bieten eine Handvoll Albvereinler alle zwei Wochen einmal Bücherausleihe an: Eva Eckstein vornedran. Der Bibliothekarin ist Leselust insbesondere der kleinen Dorfbewohner von Berufswegen schon ein Herzensanliegen. (GEA)