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Das Gedenken lesbarer machen

REUTLINGEN-SONDELFINGEN. Heinz Ziegler verfügt über einen langen Atem. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann bleibt er für gewöhnlich dran. Geduldig und meistens mit jener Beharrlichkeit, die nur tiefster Überzeugung entspringen kann. So geschehen auch bei seinem jüngsten Projekt: einer Gedenktafel für Sondelfingens gefallene und vermisste Soldaten des Zweiten Weltkriegs.

Neun Jahre hat es gedauert, bis Zieglers Idee zur Reife gelangte. Jetzt meldet der 78-Jährige Vollzug. Die Erinnerungstafel ist komplett. Sie soll an der Fassade der örtlichen Leichenhalle montiert und anlässlich des Volkstrauertags (15. November) eingeweiht werden - den Toten zum Gedenken und den Lebenden zur Mahnung, wie der Heimatkundler erklärt. Wobei er insbesondere die jüngere Generation erreichen möchte. Die Teens und Twens, das Mittelalter - also all jene, die das große Glück hatten, in einen nunmehr 64 Jahre währenden Frieden hineingeboren zu werden.

Über 160 Opfer

»Die Toten mahnen uns - Vergesst sie nie« steht in großen Lettern am Kopf der schwarz eloxierten Aluminiumplatte, darunter die eingravierten Namen von über 160 Gefallenen und Vermissten dieses, wie Heinz Ziegler sagt, so sinnlosen Krieges. »Manche Familien«, weiß der ehemalige Vize-Bürgermeister von Sondelfingen, »haben zwischen 1939 und 1945 drei Söhne beziehungsweise Brüder verloren.« Dieses Leid, diese Schicksale im kollektiven Bewusstsein auch nachfolgender Generationen zu verankern, ist dem 78-Jährigen ein Herzensanliegen.

Zwar haben Kriegsopfergedenken und Pietät an der Sondelfinger Leichenhalle bereits seit Jahrzehnten ihren festen Platz. Allein: Das von einem Eninger Bildhauer gefertigte Relief aus dem Jahre 1957 ist vergleichsweise schwer lesbar. Gut und gerne 2,50 Meter hoch ist die Wand, die es ziert. Von der Decke bis zum Boden reichen die eingemeißelten Namen der Gefallenen und Vermissten, denen der Künstler eine stilisierte »Trauernde« zur Seite gestellt hat - sehr geschmackvoll, sehr dezent in Grau- und Beigetönen gehalten, aber vom Schriftbild her leider nur mühsam zu entziffern.

Zu mühsam, wie Heinz Ziegler findet, der deshalb mit großer Sorgfalt erst sämtliche Namen abgeschrieben hat, ehe er die lange Liste auf jene anthrazitfarbene Gedenktafel übertragen ließ, die demnächst in direkter Nachbarschaft und in Ergänzung des Originals (Relief) zu hängen kommen wird.

Über ihren Preis möchte sich Heinz Ziegler nicht äußern. Dass er sie auf eigene Kosten anfertigen ließ, räumt er allerdings ein. Und dass sich seine Hoffnung auf einen städtischen Zuschuss zerschlagen hat, ebenfalls. »Für solche Investitionen«, teilte ihm die Verwaltung mit, seien derzeit keine Mittel vorhanden. Aber vielleicht möchte sich ja der eine oder andere Sondelfinger mit einem »Obolus« beteiligen?

Heinz Ziegler würde das freuen. Natürlich. Gleichwohl will er niemanden drängen. »Ich habe den Krieg als Jugendlicher miterlebt«, sagt er schlicht. »Ich weiß, wie wichtig es ist, dass seine Sinnlosigkeit, seine Schrecken nicht in Vergessenheit geraten«; dass die Erinnerung an das Grauen nicht mit den letzten Zeitzeugen beerdigt wird. (GEA)