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Aktuell Sonnenfinsternis

Blendende Schönheit

REUTLINGEN. Sieht man was? Was sieht man? Wie sieht es aus? »Wie ein Sichelmond«, meint ein Passant auf dem Reutlinger Marktplatz. Um ihn hat sich eine Gruppe von Menschen gebildet, die die partielle Sonnenfinsternis am Freitagvormittag zusammen erleben.

Wohl dem, der rechtzeitig eine Schutzbrille ergattert hatte.
Wohl dem, der rechtzeitig eine Schutzbrille ergattert hatte. Foto: Gerlinde Trinkhaus
Wohl dem, der rechtzeitig eine Schutzbrille ergattert hatte.
Foto: Gerlinde Trinkhaus
Eine spezielle »Sofi«-Brille hat nur eine von ihnen dabei – Christa Buck lässt aber jeden einmal durchgucken.

Jana Zielke ist ganz aus dem Häuschen vor Glück. »Mein Vater war Astronom, der ist für die Sonnenfinsternis 1999 extra von Prag in unsere Region gekommen. Damals hat man die Corona dann nicht einmal gesehen. Aber die Hoffnung darauf, sie zu sehen, hat ihm gereicht«, erzählt sie. »Deshalb denke ich heute natürlich ganz besonders an ihn. Er war damals 85 Jahre alt.« Sie ist vom Ereignis sichtlich berührt. »Da wird einem mal wieder bewusst, wie klein der Mensch doch ist.«

»Die Brillen waren innerhalb von kürzester Zeit ausverkauft«
Andere finden die Sonnenfinsternis nicht so spannend. Für Werner A. Dobler ist sie »nichts besonderes, einfach nur wie ein absoluter Neumond«. Er erinnert sich an die 1999er »Sofi« und meint, »das war etwas ganz, ganz Beeindruckendes«. Auch einen Temperaturunterschied oder eine Änderung des Lichts will er nicht bemerkt haben.

Vor den Türen des Isolde-Kurz-Gymnasiums wuselt es. Alle Schüler, die eine Schutzbrille haben, dürfen draußen einen Blick auf die verdunkelte Sonne werfen. »Oh Gott, wie geil«, entfährt es einem Mädchen. In der 7 b gibt’s nur eine Brille, aber die wandert von Nase zu Nase. Die Lehrerin Rosemarie Bielefeld hat gut zu tun, um sicherzustellen, dass niemand mit bloßen Augen in Richtung Himmel guckt. Und sei’s nur beim Fotografieren mit dem Handy.

Im Stadtgarten sitzen die Zehntklässler (»Wir haben eine Hohlstunde«) und verfolgen ebenfalls das Ereignis, wenn auch viel weniger aufgeregt: »Das ist echt interessant«, sagen sie.

»Irre sieht das aus, so mitten am Tag«, findet Sabine Ayen, Lehrerin der Außenklasse der Peter-Rosegger-Schule, die mit der Matthäus-Beger-Schule in der Planie kooperiert. Auch dort stehen Kinder mit Schutzbrillen, die andächtig dieses besondere Schauspiel am Himmel betrachten.

Am Marktplatz hat sich unterdessen eine Gruppe vor der Kreissparkasse versammelt. Einer der Mitarbeiter, die dem Ereignis ihre Fünf-Minuten-Pause widmen, erzählt, dass vor 16 Jahren viele Mitarbeiter frei genommen hätten, um sich das Phänomen anzusehen. Gestern sei das aber nicht gegangen. »Man kann sich nicht 100 Prozent freinehmen für eine 80-prozentige Sonnenfinsternis«, lacht er.

Nach gut einer Stunde ist die ganze Aufregung um die teils verdeckte blendende Schönheit schon wieder vorbei. Ein Ereignis, das es sich für einige anzusehen lohnt, andere dagegen eher kalt lässt. Für Margarete Grauer und Gabi Diener war der Freitagmorgen nicht nur der partiellen Sonnenfinsternis wegen besonders: »Wir sind Freundinnen und haben uns seit zehn Jahren nicht mehr gesehen!«, erzählen die beiden.

»Da wird einem mal wieder bewusst, wie klein der Mensch doch ist«
Das Naturschauspiel nahmen sie zum Anlass, sich zu treffen. Und sie sind innovativ: Alte Röntgenbilder nutzen sie als Schutz vor der UV-Strahlung. Und tatsächlich – die Sonne in Sichelform ist wie durch eine Spezialbrille zu sehen. »Das haben wir gestern im Fernsehen gesehen!«, erzählen sie.

Auch andere Passanten versuchen, ohne Brille auszukommen. Ob durch die Sonnenbrille oder das Handy – so richtig zu klappen scheint allerdings nichts davon. Die Nachfragen nach den Spezialbrillen war groß – zu groß. Jutta Rüge, die bei der Augenoptik Möller arbeitet, erzählt: »Wir hatten einige Brillen, die waren aber innerhalb von kürzester Zeit ausverkauft.«

Sie selbst hat sich die Sonnenfinsternis nicht angesehen. »Das kann ich mir heute Abend immer noch im Internet anschauen«, sagt Jutta Rüge, »oder im Fernsehen«. (GEA)