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Aktuell Amtsgericht

Beschlagnahmter Facebook-Account sorgt für Aufsehen

REUTLINGEN. Damit hat er nicht gerechnet. Richter Sierk Hamann blickt heute erstaunt auf einen Medien-Ansturm, den das Reutlinger Amtsgericht so noch nicht erlebt hat. Obwohl es eigentlich um wenig Spektakuläres geht, sind sie alle da: SWR und ZDF, RTL und N 24 mit ihren Kameras. Denn Hamann hat den Facebook-Account eines Angeklagten beschlagnahmt, zumindest Teile der Daten. Worum es eigentlich geht, wird zur Nebensache. Im Saal 1 schweben ganz andere Fragen: Kommt Hamann an die Daten ran? Ist das alles verhältnismäßig? Wird hier Rechtsgeschichte geschrieben?

Weil Amtsrichter Sierk Hamann Teile des  Facebook-Accounts eines Angeklagten beschlagnahmt hat, ist das Medieninteresse riesig.
Weil Amtsrichter Sierk Hamann Teile des Facebook-Accounts eines Angeklagten beschlagnahmt hat, ist das Medieninteresse riesig.
Weil Amtsrichter Sierk Hamann Teile des Facebook-Accounts eines Angeklagten beschlagnahmt hat, ist das Medieninteresse riesig.
Amtsgerichtsdirektor Friedrich Haberstroh ist eine halbe Stunde vor Prozessbeginn für die Damen und Herren vom Fernsehen da. Vor laufenden Kameras erklärt er juristische Selbstverständlichkeiten. Ob es verhältnismäßig sei irgendetwas zu beschlagnahmen müsse der Richter »in jedem Einzefall prüfen«. In die Ermittlungen fließe ja auch »nicht alles ein, was im Facebook-Account steht«. Im übrigen solle die Öffentlichkeit doch bitte »zwischen dem Wort Facebook und dem Prozess unterscheiden«. Aber nur weil das größte soziale Netzwerk der Welt von einem Reutlinger Amtsrichter ins Spiel gebracht worden ist, sind alle da.

Auch die Polizei sowie jede Menge Zuschauer - der Saal ist voll. Dann erscheint Richter Sierk Hamann mit einem Gesichtsausdruck irgendwo zwischen Erstaunen und Entsetzen. »Ich bin ein wenig überrascht, wie sich die Dinge entwickeln«, meint der Jurist, »der Facebook-Account soll nicht zum Mittelpunkt des Verfahrens werden«. Das Gericht beschäftigt eine ganz andere Frage.

Hat der 20-Jährige Angeklagte Beihilfe zum Wohnungseinbruchs-Diebstahl geleistet, oder nicht? Weil dabei die Kommunikation zwischen dem mutmaßlichen Einbrecher und den Angeklagten eine Rolle spielt, will Hamann auch auf von Facebook gespeicherte Nachrichten und Chats zugreifen. »Nur auf einen Bruchteil der Informationen. Wir haben nicht ihren ganzen Account beschlagnahmt«, betont der Richter. Gespannt warten alle im Amtsgericht nun auf den aktuellen Stand dieser Aufsehen erregenden Nebensache des Verfahrens.

Die Daten sind noch nicht da. »Mich wundert, dass Facebook Irland sich noch nicht gemeldet hat«, erklärt Sierk Hamann, »denn die haben im Rahmen des Gesetze Auskunft zu erteilen«. Hätten sie aber noch nicht, weswegen auch ein Rechtshilfe-Ersuchen bei der irischen Justiz auf dem Tisch liege. Offenbar habe auch der Angeklagte selbst die Daten seines Facebook-Accounts angefordert. Die Enttäuschung über das bislang erfolglose Bemühen um Daten aus dem sozialen Netzwerk steht dem Reutlinger Amtsrichter ins Gesicht geschrieben, wiewohl er sich davon den Prozess nicht verderben lassen möchte.

Zeugen werden gehört, darunter die Mutter der beim Einbruch geschädigten Familie, aber auch ein Polizeibeamter. Wer den Prozessauftakt erlebt hat, hört wenig Neues. Stattdessen fragen sich viele, wie es jetzt in Sachen Facebook weitergeht.

»Das Amtsgericht wird nicht warten, bis Facebook irgendetwas herausrückt«, erklärt Hamann entschlossen. Es handele sich um einen normalen Prozess, der ganz normal mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt werde. Komme was da wolle, sagt der Jugendrichter, »im April wird die Sache zu einem Ende kommen«. (GEA)