REUTLINGEN-MITTELSTADT. Keine Vergnügungssteuer ist bei der jüngsten Sitzung des Bezirksgemeinderates fällig geworden. Im Gegenteil wäre bei den Themen Baugebiet »Westlich Klingäckerstraße« sowie Anträgen für den Reutlinger Doppelhaushalt 2024/25 eher einer Frustzulage fällig gewesen. Denn die Dinge laufen in für die Räte enttäuschender und ratlos machender Weise keinesfalls so, wie sich das Mittelstädter wünschen.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht beschleunigte Genehmigungsverfahren ohne Umweltprüfung für kleine Neubaugebiete untersagt hat, ärgert sich auch der Bezirksgemeinderat über die Konsequenzen. Denn was nach jahrelangen Planungen und Vorarbeiten im Gebiet »Westlich Klingäckerstraße« entstehen sollte, wird jetzt noch länger auf sich warten lassen. In der undankbaren Rolle des Überbringers schlechter Nachrichten präsentiert Ulrich Wurster als Abteilungsleiter für Wohnbau und Gewerbe im Amt für Stadtentwicklung und Vermessung dem Gremium die Fakten: Der bisherige Bebauungsplan ist hinfällig, die ganze Angelegenheit wird im Normalverfahren wiederholt, »um rechtssicher zu sein«. Fassungslosigkeit macht sich im Sitzungssaal breit.
»Ist den Leuten vom BUND eigentlich klar, dass jeder jetzt seine Bäume niedermacht«, kommentiert Sascha Felden die Aussichten auf Verhandlungen um die Streuobstwiesen im Baugebiets. Bei den Bäumen handele es sich doch um alte und ungepflegt vor sich hinkümmernde Exemplare. Daniel Böhringer fragt ganz praktisch »nach der schieren Anzahl der Verfahrenspunkte, die jetzt kommen«.
Die sind für Ulrich Wurster schnell aufgezählt, werden aber langsam laufen: Beteiligungsrunde, öffentliche Auslegung, Satzungsbeschluss. Immerhin, sagt Bezirksbürgermeister Wilhelm Haug, scheine »ein Konsens mit dem örtlichen Naturschutz möglich«. Man habe sich bereits getroffen, werde das auch wieder tun. Die Wiederaufnahme des Verfahrens als Konsequenz eines Fehlers des Bundesgesetzgebers sorgt allenthalben für Kopfschütteln. »Das können wir alle nicht verstehen, wie so etwas passieren konnte«, meint Leonie Neumann. Haug wünscht sich »eine zügige Stadtverwaltung und eine untere Naturschutzbehörde mit Augenmaß«. Was die Erfüllung von Wünschen angeht, sieht es an anderer Stelle zappenduster aus.
»Nichts« von den bereits 2022 vom Mittelstädter Bezirksgemeinderat gestellten Anträgen sei im Doppelhaushalt der Stadt Reutlingen für die Jahre 2024 und 2025 angekommen, stellt der Bezirksbürgermeister fest. Kein Cent sei für den Bau der Buchbachstraße eingeplant. Null Euro finde sich zur Planung und Finanzierung eines Dorfgemeinschaftshauses. Keinerlei Mittel enthalte der Etat zum Ausbau eines Radweges zwischen der Einmündung »Am Wieslenbach« und »Im Paradies«. Auf besonderes Unverständnis über diese komplette Ignoranz gegenüber den Mittelstädter Anträgen stößt insbesondere die nicht im städtischen Etat zu entdeckende Finanzierung für die Mensa der Grundschule.
Die Mittel für die Mensa finden sich nach Haugs Recherchen »noch nicht mal in der mittelfristigen Finanzplanung«. Das bedeute, dieses für die Kinder und Eltern der Gemeinde wichtige Projekt werde in Reutlingen auf die lange Bank geschoben. Der Bezirksbürgermeister schlägt vor, insbesondere dieses Vorhaben nochmals mit dem nötigen Nachdruck vorzubringen, den Antrag auf Aufnahme in die mittelfristige Finanzplanung zu stellen, »damit die teure Planung nicht umsonst war«.
Dieses Unterfangen findet die einstimmige Zustimmung aller Bezirksgemeinderäte. Ebenso werden sämtliche alten und unerfüllten Anträge nochmals im Reutlinger Rathaus gestellt. Frust und Unverständnis darüber formuliert Sascha Felden deutlich: »In Mittelstadt wird nicht investiert.« (GEA)