REUTLINGEN. Der Lebenslagenbericht zum Thema Wohnen war eine der wichtigsten Aufgaben, die die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Reutlingen in den vergangenen zwei Jahren zusammen mit anderen Beteiligten erledigt hat. »Dieser Bericht wirkt nach«, sagt AWO-Geschäftsführer Ulrich Högel. »Im kommenden Frühjahr soll es ein Hearing zum Thema Wohnungsnot im Reutlinger Gemeinderat geben, und es ist ein Bündnis gegen Wohnungsnot entstanden.« Seinen zusätzlichen Posten als Liga-Vorsitzender hat er nun symbolisch mit dem Staffelstab – turnusgemäß nach zwei Jahren – an den Diakonieverbands-Geschäftsführer Dr. Joachim Rückle abgegeben.
LIGA der freien Wohlfahrtspflege
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege Kreis Reutlingen ist eine Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Sie sieht sich als sozialpolitische Interessenvertretung der sozial und gesundheitlich benachteiligten Menschen im Landkreis. Sie will Verständnis wecken für die Belange der Hilfsbedürftigen und Einfluss nehmen auf sozialpolitische Entscheidungen im Landkreis. Mitglieder sind die Arbeiterwohlfahrt Reutlingen (AWO), Caritas, Diakonie, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz. (GEA)
Zuvor hatte Wolfgang Grulke vom Paritätischen sogar vier Jahre lang den Vorsitz inne. »Eigentlich wäre jetzt die Caritas dran, aber Lisa Kappes-Sassano wird bald in den Ruhestand gehen, es wäre nicht sinnvoll, wenn sie jetzt den Liga-Vorsitz übernehmen würde«, so Rückle. Die größte Aufgabe, die die Liga in den kommenden Jahren bewältigen muss, ist eine gemeinsame Haltung der freien Träger gegenüber den Geldgebern wie Stadt und Landkreis. »Die Fleischtöpfe werden kleiner, als Liga brauchen wir eine gemeinsame Haltung«, so Rückle.
»Die Lohnerhöhung, die für die Landkreis-Beschäftigten völlig normal sind, kriegen die freien Träger nicht«, so der Diakonieverbands-Geschäftsführer. »Die Lücke wird immer größer«, ergänzte Högel. Der Stellenwert des Sozialen müsse insgesamt verbessert werden, »wenn wir mit unserer Arbeit immer nur als Kostenfaktor gesehen werden anstatt als Investition in die Zukunft, dann verhandeln wir mit Landkreis und Stadt nicht auf Augenhöhe«, betonte Rückle.
»Bei der Finanzierung unserer Tätigkeiten müssen wir immer als Bittsteller auftreten«
Inhaltlich, also die Arbeit betreffend, sind sich laut Uli Högel Landkreis, Stadt und freie Träger meist einig, »da herrscht wunderbare Augenhöhe, bei der Finanzierung unserer Tätigkeiten müssen wir immer als Bittsteller auftreten«. Ein gewisser Frust spricht aus diesen Äußerungen, weil die freien Träger immer mehr Kosten anderweitig finanzieren müssen, also zumeist über Spenden. Immerhin werde die soziale Arbeit, egal, in welchen Bereichen, zum Wohle der gesamten Gesellschaft erledigt, sind sich Rückle und Högel einig.
Und dazu gehöre auch das neu gegründete Bündnis für Menschenrechte: »Wir sehen diese Tätigkeit als sozialpolitischen Auftrag, wir wollen die Gesellschaft mitgestalten«, betonte Rückle. Das sei ja auch durchaus von Stadt und Landkreis so gewünscht, »aber dann muss auch die Grundlage dafür geschaffen werden«. Wenn nämlich die freien Einrichtungen und Organisationen zahlreiche Aufgaben im Sozialen nicht übernehmen würden, »dann füllen womöglich wie im Osten der Republik Nazigruppen diese Räume«, so Joachim Rückle.
»Wir spielen eine große Rolle beim Zusammenhalt der Gesellschaft«
»Wir spielen eine große Rolle beim Zusammenhalt der Gesellschaft«, so Rückle weiter. Als Beispiele führten die beiden Geschäftsführer Einrichtungen wie die Vesperkirche an, Fair-Kauf oder Tafel. Natürlich sei auch im Bereich des Sozialen die überbordende Bürokratie ein riesiges Problem. Die Anträge für Projekte zu stellen, verschlinge ungeheuer viel Zeit und Ressourcen. Stattdessen wäre die institutionelle Förderung der Verbände dringend vonnöten, um der sozialen Arbeit in der Region eine stetige, finanzielle Basis zu geben.
Wichtig sei auch, dass sich die unterschiedlichen Träger der Liga nicht als Konkurrenten sehen – obwohl sie alle auf die gleichen Finanztöpfe angewiesen sind. »Wir stimmen uns ab, denn es geht generell um den Stellenwert des Sozialen«, so Rückle. Dieser Stellenwert sei gefährdet, angesichts all der Krisen, Klimawandel und gesellschaftlicher Herausforderungen. »Der Druck auf das Soziale wird immer größer, während die Verwaltungsanteile bei Stadt und Landkreis immer mehr zunehmen – diese Anteile fehlen dann in der sozialen Arbeit.« (GEA)