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Abriss des Pflegeheims »Voller Brunnen« in Reutlingen: So soll der Neubau aussehen

Reutlinger Gemeinderat stimmt Neubauplänen für RAH-»Kompetenzzentrum« in der Mittnachtstraße zu

Verschiedene Dienstleistungen der Altenhilfe und noch viel mehr unter einem Dach: Das neue Kompetenzzentrum der RAH. VISUALISIER
Verschiedene Dienstleistungen der Altenhilfe und noch viel mehr unter einem Dach: Das neue Kompetenzzentrum der RAH. Foto: VISUALISIERUNG: WEINBRENNER.SING
Verschiedene Dienstleistungen der Altenhilfe und noch viel mehr unter einem Dach: Das neue Kompetenzzentrum der RAH.
Foto: VISUALISIERUNG: WEINBRENNER.SING

REUTLINGEN. Das letzte Stündlein des Pflegeheims Voller Brunnen rückt näher: Bis Ende 2022 muss der Betrieb eingestellt und das Gebäude abgerissen werden. Doch die Nachfolge ist geklärt, die Pläne für den Neubau am alten Standort stehen. In der jüngsten Gemeinderatssitzung informierte Timo Vollmer, Geschäftsführer der Reutlinger Altenhilfe (RAH), darüber, wie das künftige »Kompetenzzentrum« in der Mittnachtstraße aussehen soll. Die Räte waren angetan von der Konzeption, die einstimmig durchging, vermissten aber einen geschützten Außenbereich für Demenzkranke. Sie beantragten, die Planung entsprechend zu ändern.

Wintergarten, viel Glas, lauschige Außenanlage: Das Pflegeheim Voller Brunnen mag das »schönste, optimalste und ansprechendste« Haus Reutlingens sein, wie FWV-Rat Kurt Gugel schwärmte, muss wegen Brandschutzbestimmungen und der Landesheimbauverordnung, die nur noch Einzelzimmer zulässt, ausgemustert werden. Ein Umbau wäre nicht wirtschaftlich.

Der Neubau entsteht am alten Standort im Areal Voller Brunnen, allerdings nach Südwesten gerückt Richtung Mittnachtstraße, wo auch der Haupteingang der neuen Anlage sein wird. Die nennt sich nicht Alten- und Pflegeheim, sondern Kompetenzzentrum, weil sich auf den drei Stockwerken viele verschiedene Angebote unter einem Dach finden. Vorgesehen sind 86 Pflegeplätze, davon 14 für Kurzzeitpflege, sowie noch mal 30 Tagespflegeplätze als neues Angebot und eine Sozialstation.

Letztere wird ebenso im Erdgeschoss angesiedelt sein wie die Kundenberatung, das zentrale Belegungsmanagement samt Hausverwaltung, Friseur und Fußpflege, die Produktionsküche sowie das öffentliche Café mit Mittagstisch und Veranstaltungsraum. »Das wird ein vernetztes Gebäude«, so Timo Vollmer zum Café, das schon bisher generationenübergreifender Treff fürs Viertel war.

Das erste und zweite Geschoss ist dem Pflege-Wohnbereich vorbehalten, das dritte – ein zum Halbgeschoss ausgebautes Dachstockwerk – der Hauptverwaltung. Die Zentrale vor Ort zu haben, ist laut Vollmer ein Novum, das viele Vorteile mit sich bringt. »Bewerber und neue Mitarbeiter können sich direkt ein Bild vom Haus machen«, nannte er ein Beispiel.

Attraktiv, aber nicht mehr zeitgemäß: Ende 2022 wird der Betrieb eingestellt und das Haus Voller Brunnen abgerissen. FOTO: PIETH
Attraktiv, aber nicht mehr zeitgemäß: Ende 2022 wird der Betrieb eingestellt und das Haus Voller Brunnen abgerissen. FOTO: PIETH
Attraktiv, aber nicht mehr zeitgemäß: Ende 2022 wird der Betrieb eingestellt und das Haus Voller Brunnen abgerissen. FOTO: PIETH

Der Flächenverbrauch sei durch eine »unglaublich effiziente Bauweise« deutlich geringer als beim alten Gebäude, sodass eine großzügige, freie Fläche auf dem Areal entstehe. Und, so die gute Botschaft für die Bewohner: Es wird vorab keinen Teilabriss geben. »Wir rücken nah dran ans Bestandsgebäude, der Betrieb kann bis zum letzten Tag aufrechterhalten bleiben«, erklärte der RAH-Chef.

Auch das Klima spielt beim Neubau eine Rolle. Er wird als KfW-Effizienzhaus 40 plus erstellt und kann dank Wärmedämmung und einer 700-Quadratmeter-Fotovoltaikanlage auf dem Dach 88 Prozent des Strombedarfs aus Eigenerzeugung decken. Rund 28 Millionen Euro wird das Gebäude kosten. Der Spatenstich ist für Oktober geplant. Spätestens im Januar 2023 muss der Neubau bezugsfertig sein.

»Wir stehen voll und ganz dahinter«, signalisierte SPD-Rätin Edeltraut Stiedl Zustimmung zu den RAH-Plänen. Gut, dass die wichtigen Kurzzeit- und Tagespflegeplätze integriert seien. Gut auch, dass es wieder ein öffentliches Café (»eine Bereicherung«) gebe. Weniger gut, so Stiedl: Es fehle ein geschützter Gartenbereich für demente Menschen. »Es kann nicht sein, dass das auf so einer riesengroßen Freifläche nicht möglich sein soll.« Für Demenzkranke seien Bewegungsflächen und Freiraum enorm wichtig, pflichtete ihr Frank Glaunsinger (CDU) bei: »Das ist heute nicht mehr wegzudenken.« Das war auch das Einzige, was er auszusetzen hatte an der »modernen Begegnungsstätte, wo alles an einem Platz ist«.

Ein Hauch von Wehmut kam bei Kurt Gugel auf, der lange Hausarzt im Vollen Brunnen war. Am Neubau führe freilich kein Weg vorbei, sah er ein, und die vorgelegten Pläne seien ja »sehr positiv«. Wie seine Vorredner bemängelte er den fehlenden Freibereich für Demenzkranke. Bleibe zu hoffen, dass der »ziemlich sportliche« Zeitplan eingehalten werden könne.

Trotz ihres Bekenntnisses zum Neubau warf auch Regine Vohrer (FDP) einen nostalgischen Blick zurück aufs Bestandsgebäude, dessen Qualität »in der Wärme liegt, die das Haus ausstrahlt«. Carola Rau (Die Linke) trauerte dem alten Gebäude nicht wirklich nach. Das sei zwar schön, doch der Neubau überzeuge auch durch viel kürzere Wege fürs Pflegepersonal. »Das ist ein Gewinn.« Susanne Häcker (Grüne und Unabhängige) fand es »wunderbar«, dass das neue Heim am alten Standort und damit die Vernetzung ins Quartier erhalten bleibt.

Auf die Frage von Regine Vohrer, ob die Pflegeplätze im neuen Heim noch bezahlbar sind, räumte Timo Vollmer ein: »Es wird teurer als im Bestandsgebäude, ja.« Schuld sei nicht die RAH. »Das System krankt.« Die Pflegeversicherung sei eine Teil- und keine Vollkaskoversicherung. Ein Neubau, der vom Träger schließlich refinanziert werden müsse oder auch Tarifsteigerungen gingen komplett zulasten der Selbstzahler. »Die Kassenzuzahlung bewegt sich gedeckelt nicht, das ist ein Systemproblem.«

Das Gremium sprach sich einstimmig für den Neubau des Kompetenzzentrums im Vollen Brunnen aus. Einstimmig beschloss es auch den Antrag, im Außenbereich einen geschützten Bereich für Demenzkranke anzulegen und dafür »die baulichen und organisatorischen Voraussetzungen« herzustellen. (GEA)