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Aktuell Konzertprojekt

9. Sinfonie: Geflüchtete singen mit dem Reutlinger Philharmonia Chor

Flüchtlinge singen mit dem Reutlinger Philharmonia Chor gemeinsam Beethovens 9. Sinfonie

Chorleiter Martin Künstner (rechts) mit Flüchtlingen und ihrem Betreuer Eberhard Schütz bei einer Probe für Beethovens 9. Sinfon
Chorleiter Martin Künstner (rechts) mit Flüchtlingen und ihrem Betreuer Eberhard Schütz bei einer Probe für Beethovens 9. Sinfonie. FOTO: RAPP
Chorleiter Martin Künstner (rechts) mit Flüchtlingen und ihrem Betreuer Eberhard Schütz bei einer Probe für Beethovens 9. Sinfonie. FOTO: RAPP

REUTLINGEN. Integration bestimmt als Schlagwort allenthalben die Flüchtlingsdiskussion. Dafür muss man sich aber erst einmal kennenlernen, gibt Eberhard Schütz zu bedenken. »Wir wollen Kontaktflächen schaffen«, beschreibt der Diakon die Bemühungen seines »OstStadtCafé-Teams«, das sich im Diakonieverband Reutlingen um Asyl und Migration kümmert. Dass Chorgesang solch eine Begegnungsfläche bieten kann, zeigt sich derzeit in den Proben des Philharmonia Chores, in denen sich eine Gruppe Flüchtlinge auf Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie vorbereitet, um beim Schlusschor »Freude, schöner Götterfunken« am 3. Februar in der Stadthalle mitzusingen.

Eberhard Schütz hatte schon vor den vergangenen Sommerferien bei Martin Künstner, dem Dirigenten des Philharmonia Chores, angeklopft, ob er sich eine Mitwirkung von Flüchtlingen bei der Neunten vorstellen könne. Der »gemeinschaftliche Gedanke« sollte genau bei diesem weltberühmten Beethoven-Werk sprießen, das, so Schütz: »die Menschheit berührt«, weil Frieden verheißen wird: »Alle Menschen werden Brüder.«

Keinem Experiment abgeneigt

Wie anspruchsvoll dessen Erlernen für ungeübte Chorsänger ohne Notenkenntnis werden würde, zeigte sich indessen erst bei den Proben im Spätherbst. Doch Martin Künstner, keinem Experiment abgeneigt, nahm die Herausforderung an und übte mit den anfangs acht Männern aus Eritrea, Gambia, Afghanistan und Syrien in zwei Sonderproben.

In den regulären Proben werden sie von den deutschen Choristen unter die Fittiche genommen, indem sie jeweils zwischen zwei erfahrenen Sängern sitzen, die ihnen stimmliche Stützen sind. Mit Inhalt und Poesie von Schillers »Ode an die Freude«, die Beethoven in der Neunten vertont hat, beschäftigte man sich intensiv im Asylcafé. Der Text muss in der Sinfonie mitunter rasend schnell von der Zunge gehen. »Eine mords Konzentrationsgeschichte«, sagt Eberhard Schütz.

Aber die Neu-Sänger seien euphorisch und erfüllt nach dem Gemeinschaftserlebnis der Proben. Zwei von ihnen haben mittlerweile auf dem Weg zur Integration andere Fortschritte gemacht: Einer hat einen Job in Schichtarbeit gefunden, der ihm keine Zeit mehr für die Chorproben lässt und ein Lehrer aus Syrien musste absagen, weil er eine Ausbildung als Erzieher anfangen konnte.

Eberhard Schütz, der selber auch mitsingt, lobt Martin Künstners unkomplizierte Art: »diese schwere Ernsthaftigkeit und trotzdem locker und fröhlich« und ergänzt: »Klasse, dass der Chor diese Offenheit hat.«

Vor der 9. Sinfonie wird in dem Konzert in der Reihe »Reutlingen vokal« mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen am Donnerstag, 3. Februar, in der Reutlinger Stadthalle noch Beethovens selten zu hörende Chorfantasie op. 80 aufgeführt.

Diese Komposition, die häufig als »kleine Neunte« apostrophiert wird, lebt wesentlich auch von einem Klaviersolo, das die vielfach preisgekrönte Pianistin Magdalena Müllerperth interpretieren wird. Als Gesangssolisten in beiden Stücken ist ein Solistenquartett zu hören, das mit der 9. Sinfonie im Neujahrskonzert in der Stiftskirche Tübingen brilliert hat: Christine Reber (Sopran), Josy Santos (Alt), Johannes Petz (Tenor) und Siegfried Laukner (Bass).

Karten gibt es bei allen Verkaufsstellen des Kultur-Tickets Neckar-Alb. (GEA)