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1.427 Einschläge: Landkreis Reutlingen ist Blitzhochburg

Bei einem Gewitter kommt es nach einem Blitzschlag zu einem Feuer in einer Umspannstation in Hayingen und zu einem Stromausfall in Münsingen. Ein 35-Jähriger verliert in Unterensingen sogar sein Leben. Wie man sich schützen kann, warum es im Landkreis Reutlingen so häufig blitzt und weshalb die Energie nicht zur Stromgewinnung taugt.

Blitze am Himmel über Pfullingen, aufgenommen an der Kunstmühlestraße Richtung Georgenberg.
Blitze am Himmel über Pfullingen, aufgenommen an der Kunstmühlestraße Richtung Georgenberg. Foto: Dieter Reisner, f-drei
Blitze am Himmel über Pfullingen, aufgenommen an der Kunstmühlestraße Richtung Georgenberg.
Foto: Dieter Reisner, f-drei

Wie entsteht ein Blitz?

Für einen Blitz sind hohe Temperaturen, feuchte Luft und verschiedene Luftschichten nötig. Wenn warme Luft aufsteigt und kalte Luft absinkt, können Wassertröpfchen in den Wolken zusammenstoßen und sich elektrisch aufladen. Diese Ladung kann sich in Form eines Blitzes entladen. Meist passiert das innerhalb der Wolken. Aber auch zwischen Wolke und Erdoberfläche kann das geschehen. Dann schlägt ein Blitz etwa im Boden oder in einem Gebäude ein.

Wo schlagen Blitze häufig ein?

Je näher etwas einer Gewitterwolke kommt, desto eher kann dort ein Blitz einschlagen. In hohen Gebäuden wie Türmen oder Funkmasten passiert das häufiger. Es gibt auch Gegenden, in denen mehr Blitze zu sehen sind als anderswo. »Im Süden Deutschlands war es in den vergangenen 20 Jahren wärmer als im Norden«, erklärt Stephan Thern, der den Siemens-Blitzinformationsdienst leitet. »Darum hat es dort mehr Gewitter und somit auch mehr Blitze gegeben.« Blitzhauptstadt in Deutschland ist das bayerische Kempten mit 245 Einschlägen pro 100 Quadratkilometer. Dahinter folgen die Landkreise Ostallgäu, Garmisch-Partenkirchen, Lindau und Weilheim-Schongau.

Wie sieht es in Reutlingen und Tübingen aus?

In der Region Neckar-Alb schlagen Blitze verhältnismäßig oft ein. Im Landkreis Reutlingen wurden im Jahr 2022 insgesamt 1.427 Einschläge gezählt. Damit liegt Reutlingen im Ranking der 401 Landkreise und kreisfreien Städte auf Platz 34. Heruntergerechnet auf 100 Quadratkilometer schlugen 131 Blitze ein, bedeutet in dieser Kategorie sogar Rang 27. Der Landkreis Tübingen verzeichnete deutlich weniger Blitzeinschläge, nämlich 598, und belegt damit Platz 148. Pro 100 Quadratkilometer schlugen 115 Blitze ein - Rang 44 im bundesweiten Vergleich.

Warum ist die Blitzdichte in der Region so hoch?

In aller Kürze: Die Schwäbische Alb ist schuld. Sie wirkt, ähnlich wie der Schwarzwald, wie eine Rampe, sagt Stephan Thern. »Gewitterwolken entstehen, wenn warme Luft nach oben getrieben wird. Das passiert durch nachströmende Kaltluft, die sich unter die warme Luft schiebt. Weil es oben kälter ist als unten, wird der Effekt nochmal verstärkt.« Der zweite Grund, warum es hierzulande viel blitzt: »Die Wolken werden an den Hängen des Mittelgebirges aufgehalten. Und wenn die Luft gewitterträchtig ist, dann gewittert es länger, heißt es blitzt auch mehr«, erklärt Thern.

Wie hat sich die Blitzdichte entwickelt?

Im vergangenen Jahr hat es in Deutschland so selten geblitzt wie seit mehr 30 Jahren nicht mehr. Insgesamt zählte der Blitz-Informationsdienst von Siemens 242.421 Einschläge. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Messungen im Jahr 1991. 2021 hatte es noch fast doppelt so oft geblitzt. Ursache für den Rückgang ist laut Stephan Thern, dass es so trocken war und so wenige Gewitter gab.

Warum misst man Blitze und wie macht man das?

Ein Blitzeinschlag kann gefährlich sein und Schaden anrichten. Deshalb will man vorhersagen, wo es Blitze geben könnte. So kann man die Menschen rechtzeitig warnen oder größere Maschinen und Anlagen abschalten. Blitze können mit Antennen gemessen und gezählt werden. Stephan Thern erklärt: »Ein Blitz sendet einen Impuls aus, der über viele hundert Kilometer empfangen werden kann. In Europa überwachen rund 100 miteinander verbundene Mess-Stationen die Blitze und zählen die Einschläge.«

Wie stark sind Blitze?

Blitze können Stromstärken von deutlich mehr als 100.000 Ampere und Spannungen von mehr als 100 Millionen Volt erreichen. Zum Vergleich: Steckdosen in Deutschland liefern 230 Volt und eine Stromstärke von 16 Ampere.

Was passiert, wenn ein Mensch vom Blitz getroffen wird?

Wenn ein Mensch vom Blitz getroffen wird, dauert das maximal eine tausendstel Sekunde. Der größte Teil des Stroms wird von der Körperfläche abgeleitet. Deshalb können Menschen einen Blitzeinschlag auch überleben. »In aller Regel kommt es aber mindestens zu Brandwunden. Die Hitze bringt sogar Ringe und Ketten zum Schmelzen«, sagt Thern. Zudem könne der Strom Auswirkungen auf das Nervensystem haben. »Wie groß die Schäden am Körper sind, hängt davon ab, wie stark der Blitz ist und wo er am Körper einschlägt.«

Wie schützt man sich im Freien?

Am sichersten sind Menschen unter Brücken, in Gebäuden oder Autos. Offenes Gelände (Wasser), Berggipfel, Bäume und Masten sollten dagegen gemieden werden, schreibt das Innenministerium Baden-Württembergs auf seiner Website. Zu Überlandleitungen sollte demnach ein Mindestabstand von 50 Metern eingehalten werden. Gegenstände mit Metallteilen, wie beispielsweise Regenschirme oder Fahrräder, sollten nicht genutzt werden. »Wenn man sich nicht unterstellen kann, sollte man sich auf den Boden hocken und die Füße zusammenstellen. So vermeidet man, dass gefährliche Schrittspannung entsteht«, sagt Stephan Thern.

Wie schützt man Haus und Inventar?

Ein Haus wird laut Thern prinzipiell mit einem Blitzableiter geschützt, »damit der direkte Strom das Gebäude nicht schädigen kann.« Besonders wichtig sei das, weil viele Dachstühle noch aus Holz seien und bei einem Einschlag in Brand geraten können. »Elektronische Geräte im Haus können trotz Blitzableiter kaputtgehen. Deshalb ist es am besten, diese bei Gewitter auszustecken.« Man könne elektronische Geräte zusätzlich über den Schaltkasten absichern. »Das muss aber ein Fachmann erledigen.« Für Steckdosen gebe es außerdem Schutzsicherungen, die vor schwachen Überspannungen schützen. »Ab einem gewissen Punkt ist Blitzschutz auch eine Frage des Geldes.« Die werde bei Krankenhäusern oder Rechenzentren sicher anders beantwortet als in einem gewöhnlichen Wohnhaus.

Warum eignen sich Blitze nicht zur Stromgewinnung?

»Ein Blitzeinschlag dauert nur wenige Tausendstelsekunden und ist damit viel zu kurz, um in nennenswertem Umfang nutzbare Energie zu übertragen«, schreibt der deutsche Energiekonzern Eon auf seiner Website. Außerdem gebe der Blitz den Großteil seiner Energie bereits bei der Entstehung an die Umgebung ab. Pro Blitz wären demnach lediglich rund 16 Kilowattstunden gewonnen – genug, um etwa 12 Stunden lang Haare zu föhnen. Die Erdblitze eines ganzen Jahres würden laut Rechnung von Eon rund 6,9 Millionen Kilowattstunden Strom liefern und damit etwa den Jahresverbrauch von rund 2.400 Haushalten decken.

Wie berechnet man die Entfernung eines Gewitters?

»Wenn man den Blitz sieht, fängt man an, im Sekundentakt zu zählen. Donnert es, hört man auf. Jede Sekunde entspricht 330 Metern. Das ist die Schallgeschwindigkeit, mit der sich der Donner nähert«, erklärt Stephan Thern. Wer beispielsweise bis zehn gezählt hat, kann annehmen, dass das Gewitter noch 3.300 Meter entfernt ist. Das Problem: »Man weiß oft nicht, welcher Blitz zu welchem Donner gehört.« Allerdings nutze die Berechnung auch nicht viel. »Sobald man Donner hört, sollte man sich in Sicherheit bringen.« (GEA/dpa)