Die FWV lässt nicht locker. Nach dem interfraktionellen Anlauf im Frühjahr 2023 auf zeitweise Öffnung der Umweltspur auf der Lederstraße fordert die Gemeinderatsfraktion nun im Bauausschuss per Antrag die »vollständige 24/7 Öffnung der gesperrten Fahrspur probeweise für sechs Monate ab sofort«. Die FWV argumentiert mit den gesunkenen Messwerten insbesondere auch im Bereich der NO2-Werte.
Übers Jahr 2023 wurde tatsächlich ein Stickstoffdioxid-Mittelwert von »nur« 28 Mikrogramm pro Kubikmeter erfasst – also weit unter dem Grenzwert 40 Mikrogramm. Die Stadt lehnt das Ansinnen dennoch ab mit dem – erneuten – Verweis, dass eine ganztägige Aufhebung der Spurreduzierung nicht möglich sei. Sie könne nur im Zuge der Fortschreibung des Luftreinhalteplans durch das zuständige Regierungspräsidium Tübingen (RP) angepasst werden.
Und dieses RP wird schon im Februar die Fortschreibung präsentieren. Darin werden, so heißt es aus Tübingen »nach derzeitigem Planungsstand sowohl das Lkw-Durchfahrtsverbot wie auch die temporäre, verkehrsmengenabhängige Fahrspurreduzierung in der Lederstraße als Maßnahme bestehen bleiben«.
Eine – wenn auch populäre – Luftnummer der FWV also? Wenn man nach Brüssel schaut, allemal: Die EU plant bekanntlich die Verschärfung der Grenzwerte für relevante Luftschadstoffe – im NO2 -Bereich sage und schreibe auf die Hälfte. Danach würde in Deutschland allein bei diesem Schadstoff aktuell an knapp der Hälfte der Messstationen die Latte reißen. Ende Februar soll entschieden werden, ob und wie diese neue EU-Qualitätsrichtlinie kommt.
Auch wenn die EU-Vorgaben – so sie denn in dieser Strenge formuliert werden – erst 2030 virulent würden, ist doch die Marschlinie klar: Reduzierung der Luftschadstoffe. Reduzierung des CO2-Aus- stoßes im Verkehrssektor. Reduzierung des Autoverkehrs.
Dabei zeigen die Messwerte der vergangenen Jahre, dass das Bemühen der Luftreinhalter Früchte trägt – nicht nur in Reutlingen. In der verkehrspolitisch lange allzu trägen Achalmstadt hat die Luftreinhaltung zudem wie kein anderes Vehikel je zuvor geholfen, den Blick endlich auch auf die Lebewesen zu richten, die sich abseits der Autofahrer im Straßenraum tummeln.
Und die Reutlinger Bürger zeigen gute Ansätze, dass sie Veränderung mitgehen können. Die aktuelle städtische Verkehrserhebung hat ergeben, dass 51 Prozent der Wege in der Stadt unterdessen ohne Auto absolviert werden. Der Autoverkehrsanteil ist seit 2007 um 14 Prozent gesunken, der Radverkehr hat zehn Prozent Anteil dazugewonnen.
Der Binnenverkehr macht 67 Prozent des Gesamtverkehrs aus: Hier gibt es insbesondere im Bereich der Kurzstrecken bis fünf Kilometer noch jede Menge Potenzial. Dafür gilt es, Anreize zu setzen, das Auto mal stehen zu lassen.
Und da setzt die FWV ein falsches Signal mit dem ewigen Herumdoktern an der Spuröffnung, die das Autofahren wieder leichter machen soll. FWV-Rat Georg Leitenberger gab sich jedenfalls mit der Antwort der Stadt nicht zufrieden, forderte, das Thema als Tagesordnungspunkt für eine der nächsten Sitzungen anzusetzen.