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24 Jahre lang Kinder missbraucht: Oferdinger muss ins Gefängnis

Das Landgericht Tübingen verurteilt ehemaligen Oferdinger zu fünfeinhalb Jahren Haft.

Das Landgericht in Tübingen.
Das Gerichtsgebäude in Tübingen. Foto: Ralf Rittgeroth
Das Gerichtsgebäude in Tübingen.
Foto: Ralf Rittgeroth

REUTLINGEN-OFERDINGEN. Für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis geht ein 55-Jähriger, der jahrelang in Oferdingen Kinder sexuell missbraucht hat. Vor dem Landgericht Tübingen gab der Mann zu, von 1998 bis Juni 2022 an vier Jungen und einem Mädchen Hand- und Oralverkehr durchgeführt zu haben. Er gestand auch, pornografische Bilder von Kindern gemacht und im Internet verbreitet zu haben. Die Polizei hatte bei ihm mehrere tausend einschlägige Bild- und über 250 Videodateien gefunden, darunter viele »widerliche, üble Darstellungen«, wie der Vorsitzende Richter Armin Ernst sagte.

Ernst blieb mit dem Strafmaß unter der Forderung der Oberstaatsanwältin nach acht Jahren Haft mit vorsorglicher Sicherungsverwahrung. Rotraud Hölscher, die 30 Jahre Berufserfahrung mit Schwerpunkt Sexualdelikte hat, sagte, sie habe »so etwas noch nie gesehen«. Einzigartig an dem Fall sei vor allem die Offensichtlichkeit, mit der er sich unter anderem als Fußballtrainer und Nachhilfelehrer das Vertrauen der Kinder erschlichen und erkauft hat. Den Kontakt zu den Opfern im Alter zwischen neun und 13 Jahren knüpfte er engmaschig.

Liste mit 288 Taten

Bei sich zuhause spendierte er den Kindern Süßigkeiten und ließ sie am Computer spielen. Die sexuellen Handlungen während dieses Spielens betrachtete er als Gegenleistung. Der Richter listete 288 Taten des schweren sexuellen Missbrauchs auf. Die ersten Taten seien nur deshalb verfolgbar gewesen, weil die Verjährungsfrist zugunsten der Opfer verlängert worden sei.

Verdacht schöpfte niemand. Die Kinder schwiegen. Nach Jahren fiel der allzu enge Kontakt zu den Kindern im Sportverein auf, doch den Stein ins Rollen brachten erst Ermittler aus den USA. Sie stießen bei der Durchforstung von kinderpornografischem Material in einer Cloud auf die Oferdinger IP-Adresse und informierten die deutsche Justiz.

Ein Gutachter hatte dem Täter bescheinigt, er habe von seiner Krankheit Pädophilie gewusst, sei aber stets überfordert gewesen. Eine entsprechende Therapie dauere drei bis vier Jahre, die der Mann nun in der Haftanstalt absolviert. »Er konnte nicht aufhören, obwohl er wollte«, sagte Hölscher. Sie machte dem Täter den Vorwurf, sich trotz der Kenntnis seiner Neigungen immer wieder in die Nähe der Kinder begeben zu haben.

»Die Dunkelziffer möchte ich gar nicht wissen.« Die Oberstaatsanwältin berichtete aus ihrer Erfahrung mit männlichen Opfern, die fast nie Anzeige erstatten würden. So auch in diesem Fall. »Es wäre nie aufgeflogen, wenn es die amerikanische Organisation nicht gäbe und wenn nicht die Polizei reagiert hätte.« Die Angehörigen hätten von alldem nichts gewusst und seien aus allen Wolken gefallen.

Auch Richter Armin Ernst betonte, es sei »einmal mehr« ausschließlich der Verdienst der amerikanischen Organisation, dass der Fall überhaupt ans Tageslicht kam. »In Deutschland bekommt man es nicht hin, rauszufinden, was in Clouds hochgeladen wird.«

Auch kritisierte Ernst die Qualität des »erweiterten Führungszeugnisses«. Vereine und Eltern sollten sich darauf nicht verlassen, sondern besonders aufmerksam sein. In ihrem Plädoyer versetzte sich die Oberstaatsanwältin in die Rolle der Opfer, die mit schweren Belastungen zu kämpfen hätten. »Wir können nur erahnen, wie es ihnen geht.« Die Kinder hätten in solchen Fällen keine Ahnung, was im Moment des Missbrauchs mit ihnen geschieht. Und nur das Geständnis des Mannes und die polizeilichen Ermittlungen hatten den Opfern erspart, vor Gericht auszusagen und »ihr Inneres nach außen zu kehren«.

Der Gutachter hatte dem Täter eine krankhafte Störung diagnostiziert, dennoch sei er strafrechtlich voll verantwortlich. Ihm wurde zugutegehalten, dass er nicht vorbestraft, therapiewillig und geständig ist. Der Täter verfolgte die Verhandlung mit stoischer Miene und zeigte sich reumütig. »Es gibt dafür keine Entschuldigung«, sagte er kaum vernehmlich mit dünner Stimme, als ihm der Richter das letzte Wort erteilte. Es tue ihm leid, er könne nur um Verzeihung bitten. Das Rückfallrisiko ist laut Gutachten »erhöht«, weshalb er weiter in Haft bleibt, wenn er die Therapie abbricht. (GEA)