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»Zunehmend Anfragen zum Thema Kurzarbeit« in Reutlingen und Region

Geschäftsführer Jan Vetter (links) und Vorsitzender Martin Holder von der Bezirksgruppe Reutlingen des Arbeitgeberverbands Südwe
Geschäftsführer Jan Vetter (links) und Vorsitzender Martin Holder von der Bezirksgruppe Reutlingen des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. Foto: Südwestmetall
Geschäftsführer Jan Vetter (links) und Vorsitzender Martin Holder von der Bezirksgruppe Reutlingen des Arbeitgeberverbands Südwestmetall.
Foto: Südwestmetall

REUTLINGEN. Deutlich rückläufiger Auftragseingang bringt manches Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in eine schwierige Lage. Dies berichten Vorsitzender Martin Holder und Geschäftsführer Jan Vetter von der Bezirksgruppe Reutlingen des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, dem GEA. »Wir haben zunehmend Anfragen unserer Mitgliedsbetriebe zum Thema Kurzarbeit – aber nicht zum Personalabbau«, sagte Vetter.

Noch habe das Gros der Betriebe einen gewissen Bestand an Aufträgen, der derzeit abgearbeitet werde. »Viele schauen aber mit Sorgen auf den Rest dieses Jahres«, erklärte Vetter. Holder, im Hauptberuf Vorstandsmitglied beim Reutlinger Maschinenbauer Wafios, formulierte: »Jedes Unternehmen ist massiv hinterher, die Beschäftigung zu sichern. Jeder Arbeitgeber überlegt es sich drei Mal, ob er Personalmaßnahmen ergreift.« Es gebe glücklicherweise tarifliche Instrumente wie die Absenkung der Arbeitszeit, um Dellen in der Auslastung auszugleichen und gut ausgebildete und eingearbeitete Mitarbeiter für wieder bessere Zeiten zu halten.

Energiepolitik im Blick

Die Lieferkettenproblematik sei nicht mehr so groß wie vor einem Jahr, so Holder. Selbst an Halbleiter kämen die Firmen wieder besser ran. Aber sie hätten nun bei nachlassenden Bestellungen ihrer Kunden mit gestiegenen Energie- und Personalkosten (durch den Tarifabschluss im vergangenen November) und mit höheren Zinsen zu kämpfen. »Sie versuchen, es über ihre Preise weiterzugeben. Aber in Gänze bekommen die Betriebe das nicht hin«, fasste Geschäftsführer Vetter Aussagen von Firmenchefs zusammen.

»In der Energiepolitik muss schnell etwas passieren«, sagte Holder. Gefährlich sei auch, dass sich die Schere bei den Energiepreisen, insbesondere zu den USA und zu China, immer weiter öffne; dies sei eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit, fügte Vetter hinzu. Es gebe auch in der Region energieintensive Unternehmen, die Abwanderungspläne in der Schublade hätten. Der Druck steige von Monat zu Monat, merkte Holder an und verwies darauf, dass die Industriepolitik der Amerikaner Wirkung zeige: »Sie kommen nicht umhin, sich mit dem Inflation Reduction Act auseinanderzusetzen.«

Sorge um den Fahrzeugbau

Den Bezirksgruppen-Vorsitzenden stimmt zudem nachdenklich, dass die deutsche Schlüsseltechnologie Fahrzeugbau im Vergleich zur Konkurrenz in China in Schieflage geraten sei: »Volumenmodelle brechen weg. Da braut sich gerade etwas zusammen.« Viele Betriebe müssten sich mit dem Strukturwandel vom Verbrenner zum Elektrofahrzeug befassen. Vetter wies auf die Agentur Q hin, eine gemeinschaftliche Einrichtung der Tarifvertragsparteien Südwestmetall und Industrie-Gewerkschaft (IG) Metall für Information und Beratung in Weiterbildungsfragen. 

Um Strukturwandel und Fachkräftemangel durch die alternde Bevölkerung zu bewältigen, setze Südwestmetall auf Fachkräftezuwanderung, mehr Vollzeit-Beschäftigung (insbesondere von Frauen) und Angebote zur Qualifizierung der Beschäftigten, erläuterte Vetter. Zudem sei es für die Branche wichtig, »bei jungen Menschen die MINT-Begeisterung zu wecken«. Der Ausdruck »MINT« steht zusammenfassend für die Fachgebiete beziehungsweise Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Praktiker Holder stellte fest, dass Informationstechnologie- und Software-Experten sowie Elektrofachleute händeringend gesucht würden: »Alle befassen sich mit der Transformation und benötigen Personen, mit denen Produkte digitalisiert werden.«

Größte der 13 Bezirksgruppen

Südwestmetall ist der Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg und damit Ansprechpartner für Unternehmen der Branche in arbeits- und sozialrechtlichen, tarifvertraglichen und sozialpolitischen Fragen, aber auch Interessenvertreter gegenüber Gewerkschaft, Staat und Öffentlichkeit. Die Bezirksgruppe Reutlingen ist die größte der 13 Bezirksgruppen von Südwestmetall.

15 hauptamtliche Beschäftigte unter der Leitung des 1972 geborenen promovierten Juristen Jan Vetter (seit 2011) kümmern sich am Sitz in der Reutlinger Schulstraße um 262 Mitgliedsbetriebe mit zusammen knapp 60.000 Arbeitnehmern. 99 dieser Betriebe gehören Südwestmetall an, 163 sind im tarifungebundenen Unternehmerverband Südwest. Räumlich ist die Bezirksgruppe zuständig für die Landkreise Reutlingen, Tübingen, Zollernalb, Calw, Freudenstadt und Sigmaringen (Nord). Wafios-Vorstandsmitglied Holder, Jahrgang 1958, steht der Bezirksgruppe seit Herbst 2020 als ehrenamtlicher Vorsitzender vor. (GEA)