Die meisten Deutschen werden das wichtigste Ereignis des Wochenendes verschlafen. Manche werden erst merken, was passiert ist, wenn sie am Sonntagabend eine Stunde zu spät zum Tatort kommen, weil der längere Tag sie zum Verbleib im Biergarten einlud. Dank Mediathek und vielen Wiederholungen werden sie es verkraften.
Die generelle Frage lautet: Ist eine Stunde viel oder wenig Zeit? Wer in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf Stundenbasis beschäftigt ist, bekäme für eine Stunde weniger Lohn ausbezahlt. Das könnte im Einzelfall viel Geld sein. Derjenige müsste nur dafür sorgen, dass er im Herbst noch beim gleichen Arbeitgeber angestellt ist, um dann den entfallenen Lohn wieder auszugleichen.
Vielen Briten wäre hingegen eine dreijährige Brexit-Tortur erspart geblieben, hätten sie sich eine Stunde mehr Zeit genommen, um über die Folgen ihres Kreuzchens beim Referendum zu sinnieren. Vielleicht hätte auch dem damaligen Vorstandschef des Autozulieferers ZF, Stefan Sommer, ein Stündchen mehr Geduld gut getan, um die Übernahme des Bremsenherstellers Wabco durch die ZF-Gremien zu bringen. Er scheiterte, musste gehen, die Lorbeeren erntet nun sein Nachfolger Wolf-Henning Scheider.
Sind wir in die Arbeit vertieft, ist eine Stunde oft nichts – wir wissen nicht, wo die Zeit geblieben ist. Auf Reisen auf die andere Seite der Erde spielen einzelne Stunden keine Rolle. Den Jetlag tragen wir wie eine Trophäe, die uns als Weltenbummler ausweist, mit zur Arbeit. Er wird häufig als Entschuldigung geduldet, wenn der Kollege einige Tage völlig neben der Spur ist.
Aber wehe, die Uhr wird eine Stunde vor- bzw. zurückgestellt, dann fällt der Deutsche in eine Depression, die arbeiten über Wochen hinweg fast unmöglich macht. Wie hat es Deutschland unter diesen Bedingungen nur geschafft, zu so einer starken Wirtschaftsnation zu werden? Womöglich wirkt sich die Zeitumstellung aber tatsächlich lähmend auf die Deutschen aus. Vielleicht haben sie nur deshalb die beiden Weltkriege verloren, weil sie mit der damals gültigen Sommerzeit nicht zurechtkamen.
Wie viele Stunden haben wir verschwendet, um über die Zeitumstellung zu diskutieren. Was hätten wir Sinnvolles in dieser Zeit bewerkstelligen, wie viele Ideen hätten wir verwirklichen können. Wir können die langen Sommerabende nicht genießen, zu sehr sorgen wir uns um unsere Gesundheit.
Doch dies wird wohl bald vorbei sein. Wahrscheinlich kehren wir zur Normalzeit zurück und unser Leben wird wieder richtig getaktet. Wir haben dann aber keine leichte Ausrede mehr, warum wir im Büro mal wieder nichts auf die Reihe bekommen. Mancher wird zugeben müssen, dass er die vergangene Nacht schlicht zu tief in Glas geschaut hat.