HOHENSTEIN-OBERSTETTEN. Der Firmenverbund steht heute für über 1.800 Beschäftigte an acht Standorten und für über 44.000 gebaute Häuser. Seine Heimatgemeinde Hohenstein hat den Bundesverdienstkreuzträger 1988 zum Ehrenbürger erklärt und 1998, noch zu seinen Lebzeiten, die Straße entlang des Schwörer-Werkes in Oberstetten von Im Anger in Hans-Schwörer-Straße umbenannt. Die beeindruckende Persönlichkeit führte das Unternehmen bis zum Tod am 23. Dezember 2007 im Alter von 84 Jahren in einer Klinik in Tübingen fast 58 Jahre lang. Hans Schwörer hat in mehreren nach wie vor lesenswerten Schriften seine Erfahrungen und Geschäftsgrundsätze festgehalten. Sie können gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Phase mit Strukturwandel und Konjunkturschwäche wie derzeit ein Kompass für Ordnungspolitik und betriebswirtschaftliche Entscheidungen sein.
Er wurde als zweites von acht Kindern seiner Eltern 1923 in Oberstetten geboren und als Johannes Augustin Schwörer getauft (die Vornamen beider Großväter), aber stets Hans gerufen. Sein Vater Johannes Schwörer (1891-1974), ein Kirchenmaler, hatte seine Mutter Hilde Schwörer (1894-1972), eine Bauerntochter, bei Arbeiten an der Kapelle in deren Heimat Waldhausen (bei Riedlingen) als Sehender kennengelernt – und im Ersten Weltkrieg beide Augen verloren.
Briefträger und Tankwart
Die Familie betrieb in Oberstetten einen Gemischtwarenladen samt Postagentur mit dem damals einzigen Telefon im Ort und Tankstelle. Nachdem Johannes Schwörer 1923 – also im Geburtsjahr seines zweitältesten Sohnes Hans – gehört hatte, dass Baustoffe gefragt seien, entwickelte er als weiteres Standbein einen Handel mit Lager am Bahnhof in Kleinengstingen, zu dem ihn sein Blindenhund führte. »Da bin ich schon als kleiner Bub oft dabei gewesen«, erzählte Hans Schwörer später dem GEA. Während seiner sieben Jahre in der Volksschule Oberstetten von 1930 an habe er zudem regelmäßig im elterlichen Laden helfen müssen, sei auch Tankwart und vertretungsweise Briefträger und Überbringer von telefonischen Nachrichten im Ort gewesen: »Urlaub machte niemand. Man musste immer da sein.«
Auf die Schule folgte eine kaufmännische Lehre im Baustoffhandel des strengen Vaters. Hans Schwörer besuchte die Handelsschulen in Münsingen, Urach und Riedlingen, weil Lehrer zum Kriegsdienst eingezogen und Schulen zusammengelegt wurden. 1941 legte er vor der Industrie- und Handelskammer Ulm die Kaufmannsgehilfenprüfung mit großem Erfolg ab. Bereits 1942 wurde er als Soldat einberufen. Als Rechnungsführer einer Strafgefangenen-Einheit war er auf dem Weg an die Front nach Russland, als er überraschend zurückbeordert und auf dem Rückweg eine bakterielle Herzklappenentzündung erlitt. »Das Lazarett war meine Rettung«, schrieb er später. Nach zweieinhalb Jahren wurde er Ende 1944 von der Wehrmacht wegen dauernder Dienstunfähigkeit entlassen und erlebte das Kriegende abwechselnd in Oberstetten und in der Klinik in Tübingen.
Wieder genesen, wobei besonders eine Kneipp-Kur in Bad Wörishofen half, sammelte er weitere Erfahrungen im väterlichen Baustoffhandel. Aber er wollte mehr. »Neues entwickeln, ausprobieren und produzieren«, wie er berichtete. Gemeinsam mit seinen Brüdern, dem promovierten Juristen und späteren Bundestagsabgeordneten Hermann Schwörer (1922-2017) und Richard Schwörer (1925-2012), gründete er Anfang 1950 einen eigenen Baustoffhandel. »Der Markt auf der Alb war uns aber zu klein – und so gingen wir gegen den Willen unseres Vaters nach Sigmaringen«, formulierte Hans Schwörer. Dass es in Sigmaringen noch keinen Baustoffhandel gegeben habe sowie die Lage an der Bahnstrecke zwischen Ulm und dem Bodensee hätten die Entscheidung auch begünstigt. Zudem gelang es Hermann Schwörer, vom Fürsten von Hohenzollern ein Grundstück in Bahnhofsnähe zu kaufen.
Erst Baustoffhändler, dann Baustoffproduzent, dann Fertighaushersteller
»Den Baustoffhandel habe ich von Anfang an als Zwischenstation verstanden. Meine Vision war die Produktion«, erklärte Hans Schwörer vor 20 Jahren in einem Interview mit dem GEA. So entwickelte sich aus der Baustoffhandlung zunächst ein Unternehmen der Baustoffindustrie, das Bimssteine, Montagedecken und Fertigteile für den Industriebau herstellte. Zu Sigmaringen kamen Standorte in Veringenstadt (1954), Oberstetten (1956) und Weißenthurm (Rheinland-Pfalz, 1959) dazu. »Das Schwörer-Haus zu entwickeln, war meine Idee, und ich habe immer fest an diese Idee geglaubt«, sagte Hans Schwörer. Allerdings sei bis in die 1970er-Jahre hinein der Industriebau die tragende Säule der Firma gewesen.
Die ersten Industriehallen und Geschossbauten entstanden in den frühen 1960er-Jahren. Mitte der 1960er-Jahre begann Schwörer mit dem Bau von Einfamilienhäusern. Laut Auftragsbuch sind in den 1960er-Jahren rund 400 Einfamilienhäuser entstanden. Seit Anfang der 1980er-Jahre gehört Schwörer zu den führenden Fertigbaufirmen. Heute gibt es außer den vier oben genannten Standorten weitere in Haigerloch-Stetten (seit 1968), Ahrensfelde (Brandenburg, nahe Berlin, 1990), Coswig (Sachsen-Anhalt, 1991) und Aadorf (Schweiz, 2005). Die Unternehmensgruppe ist Bau-Generalistin: Sie bietet neben Fertig-Eigenheimen in Holzbauweise als Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser mehrgeschossigen Wohnungsbau, Gewerbebau, Keller, Garagen sowie Gartenhäuser an und ist (mit eigenem Sägewerk) als Zulieferer für die Holzindustrie und als Ökostromproduzent tätig.
Hans Schwörer legte großen Wert auf moderne, wirtschaftliche und umweltschonende Produktionstechnologie im Werk und Bautechnik in den hergestellten Häusern. »Nur mit andauernder Innovation kann man die Zukunft gewinnen«, stellte er fest. Dies bedeute, eine Idee zu haben, sie umzusetzen und vor allem auch, sie zu vermarkten. »Es gibt immer und überall Verbesserungsmöglichkeiten. Nur nicht lockerlassen: aufregender, schlauer und immer besser werden«, spornte er seine Belegschaft an.
Die schwierige Entscheidung über die unternehmerische Nachfolge
Entsprechend bot Schwörer Anfang der 1980er-Jahre als erster Haushersteller eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung serienmäßig an. Der Betrieb setzte früh auf aufwendige Architektur mit mehr Variabilität als Wettbewerber. Bei einer Werksführung zeigte Hans Schwörer stolz auf »diese kräftigen Dachsparren« und auf »unsere Cospanplatten zur Trittschalldämmung von Decken über dem Erdgeschoss«. Schwörer hat beizeiten auf verbesserten Wärmeschutz in seinen Häusern geachtet und Informationstechnologie in Planung und Produktion eingeführt, um individuelles Bauen zu rationalisieren.
Als seine schwierigste Entscheidung bezeichnete Hans Schwörer die über seine unternehmerische Nachfolge. Er, der wegen seiner angeschlagenen Gesundheit eigentlich nicht heiraten wollte, es sich mit 67 Jahren aber noch anders überlegte, hatte keine Kinder. Von 1992 bis 1996 probierte er es mit »Topmanagern« von außen. »Der Betriebsrat hat damals gesagt, die Mitarbeiter hätten jetzt Angst vor den Bossen, deshalb hätten wir einen hohen Krankenstand«, berichtete er dem GEA. Manchen Managern gehe es offenbar nur um persönliche Vorteile, um Gehalt, Karriere und hohe Altersversorgung. »Mittelständische Firmen brauchen Risikounternehmer. Unternehmer sein heißt, etwas zu unternehmen. In erster Linie muss der Unternehmer der erste Diener seiner Firma sein.«
Daher rief Hans Schwörer 1994 bei einem Klinikaufenthalt in Baden-Baden seinen Neffen Johannes, Sohn seines Bruders Richard und damals Rechtsreferendar in Stuttgart, an. »Ich habe ihn zuvor vor allem bei Familientreffen gesehen. Bei meinem Besuch in Baden-Baden hat er nach meinem Interesse gefragt, sein Nachfolger zu werden«, sagt Johannes Schwörer, 56, nun. Sie einigten sich darauf, dass er 1995 noch sein zweites Staatsexamen bestehen und dann im Betrieb einsteigen solle. »So kam es, dass ich meine geplante Karriere bei der Oberfinanzdirektion verworfen habe«, fügt Johannes Schwörer schmunzelnd hinzu.
Mitarbeiter sollen Mitdenker und Mitentscheider sein
Er habe während der gemeinsamen Zeit an der Spitze der Firma von jedem Gespräch mit seinem Onkel profitiert. »Der hat einen angehalten, für alles Lösungen zu erarbeiten. Man sollte über mehrere Varianten nachdenken«, erinnert sich der Hobby-Schachspieler. Hans Schwörer habe gut motivieren und gut delegieren können. Dies hänge auch mit seiner Zuwendung gegenüber allen Beschäftigten zusammen: »Er hat sich für alles interessiert und mit jedem geredet – egal ob Fahrer, Vertriebsmann oder Werksmitarbeiter. Er mochte keinen Standesdünkel.«
Seinen Schriften zufolge stellen Unternehmer und Mitarbeiter eine Solidargemeinschaft dar mit dem gemeinsamen Interesse der Existenzsicherung: »Die Mitarbeiter müssen gut behandelt werden und ihre Meinung sagen dürfen.« Sie sollten Mitdenker und Mitentscheider sein. Denn die Leistung der Firma beruhe im Wesentlichen auf der Leistung der Mitarbeiter.
»Manchmal fehlt bei den Führungskräften das Problembewusstsein, während die einfachen Mitarbeiter merken, wo es klemmt«, schrieb Hans Schwörer. Folgerichtig rief er die Leitenden »zum Feldeinsatz« auf: »Es ist wichtig, dass der Vorgesetzte sieht, was seine Leute leisten müssen.« Johannes Schwörer und der Oberstettener Werksleiter Jochen Renner und viele andere Abteilungsleiter des Unternehmens beherzigen diese Empfehlung bis heute und wirken regelmäßig persönlich auf Baustellen mit.
Verzicht auf Luxus und Statussymbole
Hans Schwörer wollte auch dadurch Vorbild sein, dass er auf Luxus und Statussymbole verzichtete. »Erst kommt die Firma, und dann kommt sehr lange nichts, und dann kommt man selbst. Ich habe nie ein Segelboot, einen Sportwagen oder ein Flugzeug gehabt, sondern Tag und Nacht nur meine Firma«, erklärte er im Interview mit dem GEA. Seine Erfahrungen mit Unternehmensberatern fasste er in einem bemerkenswerten Satz zusammen: »Sie produzierten immer nur eine Menge Papier und verlangten viel Geld.« Er bevorzugte daher danach, es aus eigener Kraft zu schaffen und orientierte sich lieber an zwei klassischen Redewendungen. Zum einen: »Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!« Zum anderen: »Tue recht und scheue niemand.«
Der Schwörer-Haus-Gründer war ein sehr gastfreundlicher Mensch. Besucher sollten im Besprechungszimmer immer mit dem Blick zum Fenster sitzen und zusehen können, wie alle paar Minuten ein Langholzzug ins Werk fuhr. Die Belegschaft ist stolz auf ihren Firmengründer und feiert ihm zu Ehren morgen ein Mitarbeiterfest, ganz ohne Standesdünkel – so wie Hans Schwörer es sich immer gewünscht hat. (GEA)