Logo
Aktuell Buchhandel

Osiander stärkt seine Standorte: Investition in Reutlingen

Tübinger Unternehmen erwartet im laufenden Geschäftsjahr Verbesserungen bei Umsatz und Ergebnis.

Christian Riethmüller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Osianderschen Buchhandlung, aufgenommen in der Reutlinger Filiale d
Christian Riethmüller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Osianderschen Buchhandlung, aufgenommen in der Reutlinger Filiale des Unternehmens im Listhaus. Foto: Schanz
Christian Riethmüller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Osianderschen Buchhandlung, aufgenommen in der Reutlinger Filiale des Unternehmens im Listhaus.
Foto: Schanz

REUTLINGEN/TÜBINGEN. »Wir haben in den vergangenen fünf Jahren trotz Corona und hoher Inflation knapp 20 Millionen Euro investiert. Daher stehen wir im Vergleich mit anderen Einzelhändlern jetzt auch wieder richtig gut da«, sagt Christian Riethmüller dem GEA. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der traditionsreichen Osianderschen Buchhandlung mit Sitz in Tübingen verweist dabei auf zahlreiche Verbesserungen im Filialnetz, das aktuell aus 61 Standorten besteht – 47 in Baden-Württemberg, elf in Bayern und drei in Rheinland-Pfalz. Zudem habe sich die seit 2021 gelebte Partnerschaft mit Thalia (Hagen/Nordrhein-Westfalen) bewährt, macht Riethmüller auf einen weiteren wichtigen Aspekt unternehmerischen Handelns in schwierigen Zeiten aufmerksam.

Das Geschäft mit Kunden wird daher inzwischen über die Osiander Vertriebsgesellschaft (OVG) abgewickelt, deren Vorsitzender der Geschäftsführung Christian Riethmüller ebenfalls ist. Der Betriebswirt Riethmüller erwartet, dass Osiander im laufenden, am 30. September endenden Geschäftsjahr 2023/2024 einen Umsatz von 111 Millionen Euro erreichen wird – davon 100 Millionen Euro in den Filialen und 11 Millionen Euro im digitalen Handel. Dies wäre ein Umsatzplus von 4,5 Prozent gegenüber dem Geschäftsjahr 2022/2023. Zur Ertragslage weiß Riethmüller, im vorigen Geschäftsjahr habe Osiander eine Umsatzrendite vor Steuern von 2,5 Prozent geschafft. Dann fügt er hinzu: »2023/2024 werden wir uns verbessern.«

576 Beschäftigte

Osiander beschäftigt derzeit 576 Personen, davon 59 Auszubildende. In Vollzeitstellen umgerechnet, seien dies 428, erklärt der Geschäftsführer. In der Zentrale in Tübingen, die im Herbst 2023 von Derendingen in die Weststadt umgezogen ist, arbeiten 40 Personen in Kundencenter, Marketing, Buchhaltung und Personalwesen. Der Rückgang von knapp 700 Beschäftigten Anfang 2020 auf nun 576 habe mit der Verringerung der Zahl der Filialen und der Auflösung von Logistik und Informationstechnologie in der Zentrale als Folge der Thalia-Kooperation über OVG zu tun, erläutert Riethmüller.

Osiander hatte im Jahr 2002 lediglich fünf Filialen. Vor allem in den 2010er-Jahren fuhr das Unternehmen einen starken Wachstumskurs. Allein zwischen 2016 und 2020 verdoppelte sich die Zahl der stationären Geschäfte durch Neueröffnungen und Übernahmen von 36 auf 72. In 2021 war mit 75 Filialen der Spitzenstand erreicht.

Ein Hackerangriff auf die Computersysteme der Firma in 2019, die Corona-Pandemie und die sich anschließende Zeit hoher Inflation hätten phasenweise sinkende Umsätze und deutlich gestiegene Energie- und Personalkosten sowie Indexmieten in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt, so Riethmüller. »Der Hackerangriff hat uns eine halbe bis eine Million Euro gekostet, Corona zwischen zwei und drei Millionen Euro«, sagt er.

Investition in Reutlingen

Seit 2019 habe Osiander 17 Buchhandlungen geschlossen, »die nicht gut gelaufen sind«. Im selben Zeitraum seien jedoch auch 18 neue Filialen eröffnet worden. Es sei ihm wichtig, die Situation an bestehenden Standorten von der Kosten- und von der Umsatzseite her zu verbessern. »In 19 Städten sind wir umgezogen, meist aus zwei- in eingeschossige Flächen, weil die Kunden nicht mehr gerne in Obergeschossen einkaufen wollen – oder wir sind in bessere Lagen gegangen. Teilweise haben wir auch Mietminderungen erreicht«, erzählt Riethmüller. An 18 Standorten sei in den vergangenen fünf Jahren groß umgebaut worden. Dabei sei in neue Ladeneinrichtungen investiert worden. Obergeschosse seien zum Teil aufgegeben, Treppen ausgebaut worden.

Ähnliches geschieht nun in Reutlingen. »Wir nehmen 250.000 Euro in die Hand, um den Standort zu stärken«, sagt Riethmüller. Wie berichtet, nutzt Osiander das Untergeschoss nicht mehr. Mit 1.500 Quadratmetern Fläche, knapp 300 weniger als bisher, bleibe das Listhaus aber vor Tübingen (1.000 Quadratmeter) die größte Osiander-Filiale, so der Geschäftsführer. »Es ist unsere umsatzstärkste Filiale«, ergänzt er. Nach dem Umbau, der kommende Woche beendet sein soll, rechne er damit, dass Reutlingen auch bei der Rentabilität wieder zu den Top-5-Filialen gehören werde. Osiander ist seit 1983 in Reutlingen – zunächst in der Kaiserpassage und seit 1992 in der Wilhelmstraße.

Neben stabiler Informationstechnologie habe die Kooperation mit Thalia Osiander auch verbesserten Zugriff auf Spielwaren und Geschenkartikel gesichert, teilt der Geschäftsführer mit. Zu den jüngsten Änderungen im Sortiment gehörten auch der Ausbau bei englischen Büchern und von Jugendabteilungen: »Das Durchschnittsalter unserer Kunden ist von früher knapp über 50 Jahren auf nun knapp unter 40 Jahren gesunken.«

Zur nachlassenden Attraktivität von Innenstädten sagt Riethmüller: »Politik und Verwaltungen sollten Händlern mehr Freiräume geben, etwa bei der Warenpräsentation vor Läden oder mit mehr verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr ohne bestimmte Ereignisse.« Von Kirchen und Gewerkschaften erwarte er mehr Verständnis dafür, »dass zum Beispiel offene Adventssonntage im Wettbewerb mit dem Onlinehandel wichtig sind«.

Kooperation mit Thalia

Die 1596 gegründete Osiandersche Buchhandlung ist der zweitälteste bestehende Betrieb der Branche in Deutschland. Gesellschafter der Osianderschen Buchhandlung GmbH (Tübingen) sind die Osiander Stiftung der Familie Riethmüller (Tübingen, 90 Prozent) und – seit 2021 – die Ravensbuch GmbH & Co. KG (Ravensburg, 10 Prozent), hinter der ebenfalls Mitglieder der Familie Riethmüller stehen. Geschäftsführer der Osianderschen Buchhandlung sind Christian Riethmüller, 49, sein Cousin Martin Riethmüller, 37, und Susanne Gregor, 58.

Im Jahr 2021 ist die Osiandersche Buchhandlung eine Kooperation mit der Thalia Bücher GmbH (Hagen/Nordrhein-Westfalen) in den Bereichen Informationstechnologie-Plattform und Web-Shop, Einkauf und Logistik eingegangen, die über die Osiander Vertriebsgesellschaft mbh & Co. KG (OVG, Tübingen) abgewickelt werden. An der OVG hält Thalia Bücher 51 Prozent der Anteile, die Osiandersche Buchhandlung 49 Prozent. Geschäftsführer der OVG sind Christian Riethmüller, Thomas Reif, 62, Leiter Finanzen bei der Osianderschen Buchhandlung, und Ingo Kretzschmar, 45, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Thalia Bücher.

Die 576 Beschäftigten sind bei der Osianderschen Buchhandlung angestellt. Das Unternehmen ist auch Mieterin der 61 Filialen. (GEA)