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Aktuell Wirtschaftspolitik

Der Ukraine-Krieg und seine Folgen beherrschen den Sommer-Empfang der IHK Reutlingen

Der Ukraine-Krieg hat den diesjährigen Sommer-Empfang der Gremien Reutlingen und Tübinger der Industrie- und Handelskammer Reutlingen in der Hochschule Rottenburg beherrscht.

IHK-Vizepräsident Johannes Schwörer (links) und Prof. Bastian Kaiser, Rektor der Hochschule Rottenburg.  FOTO: BERNKLAU
IHK-Vizepräsident Johannes Schwörer (links) und Prof. Bastian Kaiser, Rektor der Hochschule Rottenburg. FOTO: BERNKLAU
IHK-Vizepräsident Johannes Schwörer (links) und Prof. Bastian Kaiser, Rektor der Hochschule Rottenburg. FOTO: BERNKLAU

ROTTENBURG. Zu ihrem Sommerempfang hatten die Gremien Reutlingen und Tübingen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen diesmal an einen besonders schön gelegenen Ort geladen: auf den Schadenweiler Hof, Sitz der Forsthochschule Rottenburg, am Rammert-Rand über der Bischofsstadt thronend. Weniger schön waren das Ambiente des nüchternen Hörsaals und das beherrschende Thema: der Ukraine-Krieg und die Folgen – von schwerer Energie- und Wirtschaftskrise bis zu einer möglichen weltweiten Hungersnot.

Christian Erbe, Präsident der IHK Reutlingen, war verhindert. Er hätte bei der Podiumsdiskussion ein Gegengewicht abgeben können zu dem heftig kritisierenden Hochschullehrer Klaus Gestwa, Leiter des Osteuropa-Instituts an der Universität Tübingen. Die Begrüßung der Mitglieder und Ehrengäste »aus Wirtschaft, Verwaltung, Justiz und Wissenschaft«, der Bundes- und Landtagsabgeordneten, hatte IHK-Vizepräsidentin und Vorsitzende des IHK-Gremiums Tübingen Daniela Eberspächer-Roth übernommen.

Senkung der Standards

Die Oberbürgermeister Boris Palmer und Thomas Keck waren aus Tübingen und Reutlingen gekommen, Zollernalb-Landrat Günther-Martin Pauli aus Balingen, aber auch die Präsidenten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen und des Tübinger Landgerichts, Christian Heckel und Reiner Frey, sowie Bernd Engler, Rektor der Universität Tübingen. Auch die Marbacher Gestüts-Chefin Astrid von Velsen-Zerweck und Gunnar Schwab, Leiter der Arbeitsagentur Reutlingen, begrüßte die Vizepräsidentin namentlich.

Mit dem Gastgeber begann die Reihe der Grußworte. Forsthochschulrektor Bastian Kaiser mahnte angesichts des Ukraine-Krieges Besonnenheit und Verantwortung an und sprach sich für die Fortführung von Begegnungen aus: Man solle »nicht allen Handel beenden nach 77 Jahren Frieden«. Der Tübinger Landrat Joachim Walter forderte angesichts sich verschärfender Krisen eine »unvermeidliche Senkung der Standards«. Rottenburgs Finanzbürgermeister Hendrik Bednarz wies auf die Bereitschaft zur Integration ukrainischer Flüchtlinge hin und sprach sich für eine forcierte Nutzung erneuerbarer Energien wie der Windkraft aus.

Als alleinig verbliebenes Gegenüber von IHK-Moderator Christoph Heise hatte der Tübinger Osteuropa-Professor Klaus Gestwa freie Bahn für scharfe Kritik am russischen Präsidenten Wladimir Putin: »Ziel des Kreml ist die vollständige Vernichtung der Ukraine«, hob er an, war sich aber gleichzeitig vollkommen sicher, dass Russland seine Atomwaffen nicht einsetzen werde. Er goss Hohn und Spott über die »schöne Illusion von Wandel durch Handel« und warf der Wirtschaft vor: »Mit Ihren Zahlungen haben Sie Putins Armeen aufgerüstet«, das sei jetzt »eine Art Blutgeld«, um zu folgern: »Die Entspannung ist voll in die Hose gegangen. Wir haben uns selbst beschissen.«

Hunger als Waffe

Erst Ouvertüre sei, was »uns an Energiekrise erst noch mit voller Wucht treffen« werde. Aber es dürfe »kein Zurück geben«, fordert Gestwa. Man müsse »da durch, durch dieses Tal der Tränen«. Putin, so der Professor, werde »weiter zuschlagen, in Moldawien, Georgien und irgendwann in Nato-Ländern«. Russland erpresse den Westen nicht nur mit dem Zudrehen des Gashahns: »Der Kreml setzt auch Hunger als Waffe ein, um die westliche Politik auszuräuchern.« Aber es gebe ja noch die »Hoffnung auf eine biologische Lösung«, womit er auf Gerüchte anspielte, Putin sei schwer krank.

Zwischen BASF und Daimler

Mahnende Stimmen kamen aus den Reihen der Industrie- und Handelskammer. Nach lahmenden Lieferketten von China her gebe es jetzt erste Engpässe wegen der Gaskrise, warnte Fertighaus-Unternehmer Johannes Schwörer aus Hohenstein, Vorsitzender des IHK-Gremiums Reutlingen, und nannte Ziegel und Glas als Beispiele aus seiner Branche. Der IHK-Vizepräsident Hans-Ernst Maute sieht seine Kunststoff-Firma in Bodelshausen im »Sandwich zwischen Zulieferer BASF und Kunde Daimler«. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann konnte nach Gestwas Totalveriss der bisherigen SPD-Politik und Brandt’scher Entspannung nur noch für Waffenlieferungen an die Ukraine und »Einigkeit des Westens« plädieren.

Schwörer forderte im Schlusswort, angesichts der Ernährungskrise Flächenstilllegungen zu überdenken und regional den Wald als Ressource zu nutzen. Man dürfe aber, so sein Appell, »trotz allem den Optimismus nicht verlieren«. (mab)