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Das elektronische Herz von Bosch schlägt in Reutlingen

Die Werkleiter Dirk Kress und Cornelius Surkamp sehen gute Zukunft für den Bosch-Standort Reutlingen.

Cornelius Surkamp (links) und Dirk Kress, Leiter der Bosch-Werke in Kusterdingen (Industriegebiet Reutlingen-West; Steuergeräte)
Cornelius Surkamp (links) und Dirk Kress, Leiter der Bosch-Werke in Kusterdingen (Industriegebiet Reutlingen-West; Steuergeräte) und Reutlingen (Halbleiter), informierten über die Lage am Bosch-Standort Reutlingen. Foto: Markus Niethammer
Cornelius Surkamp (links) und Dirk Kress, Leiter der Bosch-Werke in Kusterdingen (Industriegebiet Reutlingen-West; Steuergeräte) und Reutlingen (Halbleiter), informierten über die Lage am Bosch-Standort Reutlingen.
Foto: Markus Niethammer

REUTLINGEN. Bei der Bilanzpressekonferenz im April hatte Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung des Stuttgarter Technologiekonzerns Bosch, angekündigt, dass die Produktionskapazität im Halbleiterwerk in Reutlingen um etwa 10 Prozent ausgeweitet werde. Gestern, beim Bosch-Standort-Pressegespräch nannte Werkleiter Dirk Kress die Einzelheiten dazu. Demnach investiert Bosch in zwei Schritten insgesamt mehr als 150 Millionen Euro. Die Reinraumfläche von 35 000 Quadratmetern solle in diesem Herbst um 1 000 Quadratmeter vergrößert werden – entsprechende Bauarbeiten laufen. Weitere, mehr als 3 000 Quadratmeter Reinraumfläche seien ab 2023 geplant, erklärte Kress und fügte hinzu: »Dazu sind mehrere Umzüge nötig. Büros werden zu Fertigungsflächen.« Bosch suche aufgrund der hohen Nachfrage nach Mikrochips zudem 150 Entwickler.

Kress, 48 und seit Mitte 2019 Leiter des Werks von Bosch in Reutlingen, berichtete, dass auch Bosch von der Verknappung bei Halbleitern stark betroffen sei. Der Bedarf der Konsumgüterindustrie in Coronazeiten sei eben merklich gestiegen, verwies er auf Laptops und Handys.

Blick in die Halbleiter-Fertigung bei Bosch in Reutlingen. FOTO: BOSCH
Blick in die Halbleiter-Fertigung bei Bosch in Reutlingen. Foto: Bosch
Blick in die Halbleiter-Fertigung bei Bosch in Reutlingen.
Foto: Bosch

Dann sei der schnelle Nachfrageanstieg aus der Automobilindustrie hinzugekommen. Auch ein Feuer bei einem Halbleiterhersteller in Japan habe die Situation verschärft. »Aktuell beschäftigt uns eine weitere Coronawelle in Südostasien, vor allem in Malaysia«, sagte Kress. Dadurch seien dort Fabriken über Wochen geschlossen. Dies habe zu einer Verknappung bei der Wiederanlieferung aus Asien geführt. Denn wichtig für die Einordnung sei zu wissen, dass die Fertigungszeit für Halbleiter (bei 600 Arbeitsschritten) bis zu einem halben Jahr dauern könne. »Wir sind in Reutlingen Bestandteil eines internationalen und vernetzten Produktionssystems und arbeiten, unter Vollauslastung, an der Problemlösung mit, indem wir unsere Kapazität erweitern«, stellte Kress fest.

Insgesamt zeigten sich Kress und Cornelius Surkamp, 47 und seit Mai dieses Jahres Leiter des im Industriegebiet Reutlingen-West gelegenen und für die Produktion von Steuergeräten zuständigen Werks Kusterdingen von Bosch, sehr zuversichtlich für die Zukunft des Standorts Reutlingen. »In Reutlingen schlägt das elektronische Herz von Bosch«, sagte Surkamp. Von dort kämen Antworten auf Herausforderungen der Mobilität der Zukunft. Bosch in Reutlingen sei gut und breit aufgestellt. Ob Airbags, Gurtstraffer, Tempomat oder Regensensor – es gebe kaum ein modernes Auto, das ohne Mikrochips auskomme, so Kress. Die in Reutlingen nun auch gefertigten Siliziumkarbidchips verbesserten die Reichweite von Elektrofahrzeugen. Entwicklung und Produktion in räumlicher Nähe ergänzten sich bei Halbleitern und Steuergeräten in vielen Fällen positiv. »Wir haben eine hohe Kompetenz, Prozesse zu industrialisieren«, sagte Surkamp. Der Standort sei oft Vorreiter für andere Bosch-Werke.

8 000 Beschäftigte in Reutlingen

In Reutlingen hat Bosch derzeit 8 000 Beschäftigte, darunter 210 Auszubildende. Zum Standort gehören neben dem Halbleiterwerk in Reutlingen (3 500 Mitarbeiter) und dem Steuergeräte-Werk in Kusterdingen (1 500 Beschäftigte) die ebenfalls in Kusterdingen ansässige Tochterfirma Bosch Sensortec GmbH (400 Mitarbeiter) und der Geschäftsbereich Bosch E-Bike Systems (600 Mitarbeiter). Weitere Arbeitnehmer verdienen ihr Geld bei Bosch in Entwicklung, Vertrieb und Verwaltung. So hat der Bosch-Geschäftsbereich Automobilelektronik mit etwa 40 000 Beschäftigten an weltweit 40 Standorten seinen Stammsitz in Reutlingen. Teilweise haben Bosch-Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze auch in der »Welle« im Büropark Orschel, in Gebäuden in der Dieselstraße und Täleswiesenstraße (alle Reutlingen) sowie in Pfullingen.

Gemäß einer Standortvereinbarung von 2018 sind betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2025 ausgeschlossen. Allerdings wurde 2019 ein Abbau von 500 Stellen über Altersteilzeit, Vorruhestand und Abfindungen angekündigt, weil es einen Wandel bei den Anforderungen an die Beschäftigten gebe. »Der Stellenabbau ist inzwischen zu zwei Dritteln durch Verträge umgesetzt. Das Programm läuft weiter«, sagte Kress auf Nachfrage.

Die Bosch-Gruppe ist ein internationales Technologie- und Dienstleistungsunternehmen mit weltweit 395 000 Mitarbeitern, davon knapp 132 000 in Deutschland. Sie erreichte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 71,5 Milliarden Euro und wies einen Gewinn von 749 Millionen Euro aus. Auf Standortebene nennt der Konzern solche Daten nicht. (GEA)