Logo
Aktuell Handel

Bayern spannt Schlecker-Beschäftigte auf die Folter

München (dpa) - Das nervenaufreibende Tauziehen um die Auffanglösung für 11 000 Schlecker-Beschäftigte hat sich zu einem Machtkampf zwischen Union und FDP ausgeweitet. Ob die strittige Transfergesellschaft zustande kommt, hängt an Bayern. Aber die schwarz-gelbe Regierung in München zögert, weil die FDP nicht mitziehen will. Bundeswirtschaftsminister und FDP-Bundeschef Philipp Rösler gab seinen Parteifreunden Rückendeckung. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) beharrt dem Vernehmen nach aber auf einer Lösung für die Beschäftigten der 2200 bereits geschlossenen Filialen der Drogeriemarktkette.

Eine Mitarbeiterin der insolventen Drogieriemarktkette Schlecker trägt einen Button mit der Aufschrift "Belegschaftsunterstuetze
Eine Mitarbeiterin der insolventen Drogieriemarktkette Schlecker trägt einen Button mit der Aufschrift »Belegschaftsunterstuetzer«. Foto: dpa
Eine Mitarbeiterin der insolventen Drogieriemarktkette Schlecker trägt einen Button mit der Aufschrift »Belegschaftsunterstuetzer«.
Foto: dpa
Doch die Zeit drängt: Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz will im Fall eines Scheitern der Auffanglösung noch an diesem Donnerstag die Kündigungen aussprechen. Die rund 11 000 Beschäftigten, die wegen Pleite der Drogeriekette ihren Job verlieren sollen, könnten in den Transfergesellschaften weitergebildet und bei der Suche nach einem neuen Job unterstützt werden. Außerdem hätten sie für sechs Monate einen Großteil ihres Gehaltes sicher.

Geiwitz hatte eine Frist bis Donnerstag, 08.00 Uhr gesetzt. Er ließ die Frist aber verstreichen, weil das federführende Land Baden-Württemberg Zusagen von 12 Ländern hat, die sich an der Bürgschaft für einen Kredit von 70 Millionen Euro für Transfergesellschaften beteiligen wollen. In Berlin unterbrachen die Ministerpräsidenten am Mittag ihre Konferenz, um in einem Kamingespräch über den Fall Schlecker zu verhandeln.

Nur Niedersachsen und Sachsen haben bisher eine Übernahme eines Bürgschaftsanteils verweigert - auch hier war das Votum der FDP entscheidend. Deren Anteil will aber Baden-Württemberg übernehmen - hier hat Schlecker seinen Hauptsitz. Zwischen den Landesregierungen von Stuttgart und München liefen die Telefone heiß. Baden-Württembergs Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) muss 45 Millionen Euro an Bürgschaftsgeldern aus anderen Ländern zusammenbringen. Ohne Bayern wäre dieser Versuch gescheitert.

Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sagte am Vormittag, der Freistaat wolle nur mitmachen, wenn alle Länder an Bord seien. Sei dies nicht der Fall, könne es »auch aus grundsätzlichen Erwägungen und auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes anderer Unternehmen« keine Beteiligung Bayerns geben. Die Vorsitzende der FDP Bayern, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, unterstrich: »Eine Auffanggesellschaft eröffnet keine Perspektive. Die Erfahrungen mit Quelle und Holzmann zeigen, dass nur eine grundlegende Sanierung notleidende Unternehmen rettet und Arbeitsplätze nachhaltig sichert.«

Ein Sprecher von Finanzminister Markus Söder (CSU) hatte zuvor gesagt: »Bayern verschließt sich nicht grundsätzlich einer Lösung.« Seehofer ließ in Berlin am Vormittag offen, ob sich der Freistaat beteiligt. »Wir wollen helfen, nur die Hilfe muss seriös und tragfähig sein«, sagte er der dpa am Rande der Konferenz der Ministerpräsidenten. Er verwies auf einen Kabinettsbeschluss, wonach Bayern die Lösung mittrage, »wenn Klarheit herrscht und wenn die Geschlossenheit der Bundesländer gegeben ist«. Dazu brauche er aber noch Informationen aus Stuttgart.

Aus dem baden-württembergischen Finanzministerium hieß es jedoch, die gefordeten Informationen über die Zusagen anderer Ländern seien München übermittelt worden. Später hieß es aus Regierungskreisen in Bayern, sie lägen vor. Zudem hieß es, dass sich das bislang eingeplante bayerische Haftungsvolumen von 10,6 Millionen Euro nicht erhöhen würde. In Münchner Regierungskreisen wurde jedoch die »höchst unprofessionelle und ungewöhnliche Verhandlungsführung« Stuttgarts beklagt.

Rösler sieht den Fall bereits als entschieden an. Jetzt sei die Bundesagentur für Arbeit gefragt, »den Beschäftigten von Schlecker schnell neue Perspektiven aufzuzeigen«. Der FDP-Vorsitzende beharrte auf seiner ordnungspolitischen Linie. »Die Arbeitsmarktsituation ist günstig, denn es gibt derzeit fast doppelt so viele freie Stellen im Einzelhandel, als Schleckermitarbeiter, denen eine Kündigung droht.«

Heftige Schelte ernteten die Liberalen von Verdi-Chef Frank Bsirske. »Die FDP spielt Roulette mit den Arbeitnehmern bei Schlecker. Sie stellt ihre egoistische, parteipolitische Profilierung über das Schicksal der Menschen«, sagte Bsirske in Potsdam.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wies darauf hin, dass eine Transfergesellschaft Teil eines Sozialplans sei. »Es geht nicht darum, ein Unternehmen zu unterstützen«, sagte sie in Berlin. Durch eine Auffanglösung könne verhindert werden, dass die Beschäftigten praktisch über Nacht in die Arbeitslosigkeit entlassen würden.

Am Mittwochabend hatte der zuständige Landtagsausschuss in Stuttgart nach stundenlangen Beratungen beschlossen, dass Schmid 45 Millionen Euro an Bürgschaftszusagen bei anderen Ländern für eine Auffanglösung in letzter Minute einsammeln soll. Baden-Württemberg wollte 25 Millionen selbst übernehmen und für die gesamte Bürgschaft über 70 Millionen für einen Kredit der Staatsbank KfW in Vorleistung treten.