ENGSTINGEN. Engstingen sei in einer komfortablen Situation, meinte Planer Rainer Ambacher. Die Gemeinde braucht dringend ein neues Feuerwehrhaus, das Gebäude in Kleinengstingen wurde 1936, das in Großengstingen 1956 errichtet. Die Wehren sollen, unabhängig vom Standort, künftig gemeinsam und zentral in einem Gebäude untergebracht werden. Und hier bieten sich »komfortabel« gleich zwei Standorte an: der Festplatz hinterm Automuseum und die Neue Ortsmitte gegenüber dem Rewe-Markt. Der Gemeinderat hatte sich mit zehn Ja- bei fünf Nein-Stimmen für den Festplatz entschieden. Dem Entschluss im November ging eine langjährige Beratungsphase voraus, die schon im Jahr 2020 begann. Seither gab es öffentliche Sitzungen, eine Klausurtagung und mehrere Abstimmungsrunden mit Gemeinderat, Feuerwehr und den Planungsbüros Künster und Ambacher.
Auch wenn der Entschluss nicht leichtfertig gefasst wurde, er gefiel nicht allen Engstingern, ein Bürgerentscheid wurde auf den Weg gebracht. Abgestimmt wird am 9. Juni, am Tag der Kommunal- und Europawahlen. Die Frage lautet: »Sind Sie dafür, dass das neue Feuerwehrhaus in der ›Neuen Ortsmitte‹ an der Kleinengstinger Straße (gegenüber des Rewe-Markts) gebaut wird?«
Die beiden Standorte sind etwa zweihundert Meter voneinander entfernt, beide liegen an der Kleinengstinger Straße zentral zwischen Groß- und Kleinengstingen. Beide Standorte sind prinzipiell geeignet, haben die Planungsbüros ermittelt.
Der Teufel liegt also im Detail, über die Vor- und Nachteile beider Varianten wurden die Engstinger durch eine Bürgerinformation unterrichtet. Für die Bürgerinitiative, die hinter dem Bürgerentscheid steht, sprach Jürgen Elsner, für sich selbst, die Gemeinderatsminderheit und die Feuerwehr Bürgermeister Mario Storz, die Gemeinderatsmehrheit vertraten Jörg Betz und Martin Staneker. Moderiert wurde die Veranstaltung in der Freibühlhalle von Regierungspräsident a.D. Dr. Jörg Schmidt.
Erschließung
Beide Standorte sind geeignet, sagen die Planer Clemens Künster und Rainer Ambacher, jeweils mit Vor- und Nachteilen. Am Festplatz sei »im Großen und Ganzen eine problemlose Erschließung möglich«, sagte Ambacher. Kaum Gefälle, genug Platz fürs Feuerwehrhaus und Parkplätze. 700 Meter Erschließungsstraße müssten gebaut werden. Dabei könnte auch die Hauptwasserleitung von Engstingen ertüchtigt werden, für »Brandschutz und Versorgungssicherheit«. Lärmschutz sei ein Thema, aber »das kriegt man hin«.
Auch in der Neuen Ortsmitte sei die Erschließung einfach, allerdings ist dort das Gefälle ausgeprägter, das Feuerwehrhaus müsste also entweder auf einem Sockel oder ein Stück weit in die Erde gebaut werden. Auch hier braucht es eine Erschließungsstraße, aber die wäre für die Neue Ortsmitte ohnehin notwendig. Die Verkehrsanbindung über die Kleinengstinger Straße sei optimal.
Fazit der Planer: Beide Standorte funktionieren, der Festplatz bietet Erweiterungsmöglichkeiten für die Feuerwehr, in der Neuen Ortsmitte sei die Verkehrsanbindung günstiger.
Kosten
Die Planer haben für beide Standorte Erschließungskosten in Höhe von knapp einer Million Euro errechnet. So einfach ist es aber nicht: Die Straße in der Neuen Ortsmitte wird ja künftig nicht nur von der Feuerwehr benutzt werden. Ambacher hat 50 Prozent der Baukosten – 455.000 Euro – der Feuerwehr zugeschlagen, noch zu viel, meinte Jürgen Elsner von der Bürgerinitiative pro Neue Ortsmitte. Allerdings käme auch die Erschließungsstraße am Festplatz anderen Nutzern zugute. Eine Trasse hoch zur Siedlung Berg sei lange geplant, erinnerte Martin Staneker, einer der Sprecher der Gemeinderatsmehrheit für den Festplatz, auch ein Radweg sei dann möglich.
Sicherheit
Die Feuerwehr selbst möchte in die Neue Ortsmitte. Wichtiges Argument sind Erreichbarkeit und Sicherheit. Bei der Anfahrt und beim Ausrücken. Einsätze seien purer Stress, sagte ein Feuerwehrmann. Je entspannter man auf die Straße komme, desto besser. Planungsfehler solle man gleich am Anfang vermeiden. Die Ausfahrt vom Festplatz zur Meidelstetter oder zur Kleinengstinger Straße ist beengt und könne nur bedingt umgestaltet werden, meint auch Bürgermeister Mario Storz.
Gemeinderatsmehrheitsvertreter Jörg Betz ließ das so nicht stehen: Man rücke aus auf eine Gemeindestraße, dann auf die nächste, dann auf die nächste – jede Kreuzung, jeden Engpass könne man ja nicht entschärfen. Betz und Staneker zeigten außerdem eine Planungsvariante mit einer gedrehten Ansicht des Feuerwehrhauses, die Zu- und Abfahrt leichter machen würde – wie und wo hier ein Feuerwehrhaus gebaut würde, steht ja noch nicht fest.
Zukunft Neue Ortsmitte
Dass das mächtige Gebäude in der Neuen Ortsmitte ordentlich Fläche belegt, nannte schon Planer Künster als Standortnachteil. Die Aussicht auf ein 60 Meter langes und mit Aufschüttung wegen Gefälle fast 20 Meter hohen Baus auf dem Filetstück der Gemeinde gefiel weder Martin Staneker noch Ulrich Gundert. Ob es Sinn mache, so ein Großprojekt ohne Gesamtkonzept zu planen, fragte auch einer der Besucher. Aktuelle Herausforderungen müsse man aktuell lösen, antwortete Planer Künster, langfristige Wunschperspektiven könne man nicht immer verwirklichen. Der Spielraum in der Neuen Ortsmitte würde durch das Feuerwehrhaus sicher kleiner, letztlich sei das eine politische Entscheidung.
Ortsbildprägend werde der Bau sein, räumte Bürgermeister Storz ein. Das Schüren von Ängsten vor einem 60-Meter-Betonklotz sei aber unbegründet – das Gebäude könne attraktiv, etwa in Holzbauweise, ausgeführt werden. Und durch den Betrieb handele es sich auch nicht um eine unbewohnte Garage, betonten einige Feuerwehrleute.
Zukunft Festplatz
Auch das Areal mit und um den Festplatz hat allerdings langfristig Entwicklungsmöglichkeiten für Wohnraum oder ein Mischgebiet, besonders wenn vielleicht das Automuseum abgerissen und benachbarte Gewerbeflächen gekauft werden könnten. Das liegt noch in der Zukunft und der Festplatz liege seit Jahren brach, erinnerte Betz. Zwischen Bahnschienen, Gewerbe und Sägerei sei die Situation schwierig, erklärte Martin Staneker. Hier das Feuerwehrhaus zu bauen, böte die Möglichkeit, die lange angedachte Erschließungsstraße zu bauen: »Ohne Feuerwehrhaus keine Straße.« Und für die Feuerwehr gebe es die Chance hier zu wachsen, ein »Feuerwehrquartier« zu errichten: »Kein Unternehmen würde sich Erweiterungsmöglichkeiten entgehen lassen«, glaubt Betz.
Symbolik
Für die Feuerwehr ist die Entscheidung klar. Wegen des Sicherheitsaspekts und der noch zentraleren Lage als auf dem benachbarten Festplatz. Mit Vorteilen bei Erreichbarkeit und unter »einsatztaktischen Gesichtspunkten«. Dieser Entscheidung zu folgen, sei ein Zeichen der Wertschätzung für die Leistung der Wehren. Diesen »weichen Faktor« dürfe man nicht unterschätzen, mahnte Bürgermeister Storz.
Bürgerentscheid
Am 9. Juni haben die Bürger das Wort. Die beim Bürgerentscheid zu beantwortende Frage lautet: »Sind Sie dafür, dass das neue Feuerwehrhaus in der «Neuen Ortsmitte» an der Kleinengstinger Straße (gegenüber des Rewe-Markts) gebaut wird?«
Jetzt haben die Bürger das letzte Wort, ihr Entscheid am 9. Juni ist für die Gemeinde bindend.