ENINGEN. »Bisher haben wir diese Forschungen zum Biomethan unter Laborbedingungen durchgeführt«, sagt Dr. Andreas Lemmer, Leiter des Forschungsprojekts Biomethan auf dem Unteren Lindenhof im Arbachtal bei Eningen. Der Wissenschaftler der Forschungsstation der Universität Hohenheim kennt sich bestens aus mit Biogasanlagen: »Eine steht hier schon seit 2008, mit der können wir über ein Blockheizkraftwerk so viel Strom produzieren, dass wir ein Drittel selbst verbrauchen und zwei Drittel verkaufen.«
Wärme entsteht dabei auch, 80 Prozent werden auf dem Lindenhof verbraucht, berichtet Lemmer. Er selbst könne »nichts anderes als Biogas«, sagt der Privatdozent an der Uni Hohenheim und lacht dann lauthals heraus. Schon 1999 hat er seine Doktorarbeit über Biogas geschrieben, vier Jahre lang war er in der Industrie, »ebenfalls im Zusammenhang mit Biogasanlagen«. Danach ging er zurück zur Uni und forscht seitdem zu seinem Spezialthema.
Neue Anlage im Arbachtal
Auf dem Unteren Lindenhof wird momentan eine Biomethan-Anlage gebaut, die 200-mal größer ist als diejenige, die bisher unter Laborbedingungen gelaufen ist. »Aber die neue ist noch 50-mal kleiner als eine reguläre«, erklärt Lemmer. Zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist diese Anlage für die Forschungsstation im Arbachtal entwickelt worden, durch spezielle Verfahren kann sie den Methangehalt des Biogases auf 99,99 Prozent erhöhen.
Jetzt erfolgte die Bauabnahme der Anlage, bald werde sie der TÜV testen und vor allem auf Sicherheitsaspekte prüfen. Lemmer ist überzeugt, dass mit Biogas im Verkehrsbereich jede Menge Kohlendioxid eingespart werden kann. Und das vor allem bei Bussen, beim Schwerlastverkehr und bei Landmaschinen. »Gerade bei schweren, großen Fahrzeugen ist wegen der riesigen Batterien der Elektroantrieb schwierig.« Zwar gebe es Busse, die elektrisch fahren. »Aber wie sinnvoll ist es, wenn sie mit Kohlestrom geladen werden«, fragt der Privatdozent rhetorisch.
FORSCHUNGSSTATION UNTERER LINDENHOF
Staatssekretärin Sabine Kurtz besichtigt Biomethanprojekt
Die Staatssekretärin im Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Sabine Kurtz hat vor Kurzem gemeinsam mit der Landtagsabgeordneten Cindy Holmberg die Forschungsstation Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim auf dem Lindenhof in Eningen besucht. Im Fokus stand die Forschungsbiogasanlage. Sabine Kurtz betonte mit Hinweis auf die von der Landesregierung Anfang Juli beschlossenen Biogas-Strategie für Baden-Württemberg: »Biogas ist eine Schlüsseltechnologie zur Realisierung einer klimaneutralen Zukunft«. »Wie wichtig es ist, technologieoffen zu sein, auch im Bereich Biomethan, ist dabei nochmals klar geworden«, teilt Cindy Holmberg mit, »Biomethan wird für die Energieversorgung und Wärmeerzeugung genutzt und kann gerade im Ländlichen Raum zu einem wichtigen Bestandteil der Energiewende werden.« Die Agrarversuchsstation Lindenhof hat umfangreiche Versuchsmöglichkeiten in allen Produktionsstufen der landwirtschaftlichen Erzeugung tierischer Produkte bei Rindern, Schweinen, Schafen und Kleintieren. Ebenso stehen Flächen zur Erzeugung pflanzlicher Biomasse für Ernährung und Energie zur Forschung zur Verfügung. Es werden Forschungen über die Verbesserung von Produktionsmethoden bei der Erzeugung und der Veredelungswirtschaft unternommen. »Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Erforschung der Nachhaltigkeit der Konversion von Biomasse aus der landwirtschaftlichen Produktion in Energie für die Stromerzeugung. Langfristig soll auch Kraftstoff für Fahrzeuge aus der Biogasanlage hergestellt werden«, heißt es weiter in Holmbergs Mitteilung. Die Landtagsabgeordnete ist Sprecherin der Grünen für den Ländlichen Raum, sie fährt selbst ein Elektroauto. (eg)
Mit dem in Eningen hergestellten Biomethan könnten im Vergleich zu Diesel 65 Prozent CO2 eingespart werden. Das wäre eine gute Ergänzung zur E-Mobilität, findet der Forscher. "Und wenn wir anstatt landwirtschaftlicher Reststoffe Gülle zur Herstellung von Biomethan verwenden, dann wird die CO2-Bilanz sogar negativ", führt Lemmer aus. Weil nämlich Emissionen vermieden werden, die bei der Lagerung und beim Ausbringen von unbehandelter Gülle entstehen würden. Aber: Wenn Methan verbrannt wird, kommt aus dem Auspuff doch trotzdem Kohlendioxid hinten raus, oder? "Natürlich, aber nur so viel, wie vorher von den Pflanzen aufgenommen wurde."
Klar sei, dass weltweit zu viel Treibhausgase produziert werden. Das Landesmobilitätsgesetz in Baden-Württemberg sieht laut Lemmer vor, dass bis 2030 Stadt- und Regionalbusse nur noch mit treibhausgasfreiem Antrieb zugelassen werden. Zu 100 Prozent. Weshalb Lemmer erneut auf den »Unsinn« hinweist, Fahrzeuge mit Kohlestrom zu speisen.
Bus fährt mit Biomethan
Für das Forschungsprojekt arbeitet Lemmer mit einem Busunternehmen in Ravensburg zusammen. Auch von Münsingen nach Reutlingen fährt bereits ein Hybridbus, angetrieben mit Biomethan. Das sei eine »ökologisch sinnvolle Lösung, um die Emissionen drastisch zu reduzieren«. Hinzu komme der Aspekt der Bezahlbarkeit. Biomethan biete beides, als Gas (CNG) oder auch als flüssiger Energieträger (LNG). »Die Technik ist ausgereift, die Busse sind verfügbar und die Wartung der Fahrzeuge ist problemlos – im Gegensatz zu Elektrobussen.«
Beim Biomethan-Tag, der vor wenigen Wochen auf dem Unteren Lindenhof veranstaltet wurde, seien Politiker vor Ort gewesen, weitere hätten sich angesagt. Die bisherige Fixierung auf Elektromobilität und Wasserstoff sei zu einseitig, sagt Andreas Lemmer: »Alles andere wird nicht gedacht.« Biomethan könnte jedoch eine Brückentechnologie sein.
Immerhin werde die Biomethan-Forschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg unterstützt ein Verbundprojekt namens »NEOBus – negative Emission ÖPNV« finanziell.
Biomethan ist laut Lemmer einer »der wenigen erneuerbaren Energieträger, der bereits derzeit in großer Menge zur Verfügung steht, auf eine vorhandene Infrastruktur zurückgreifen kann und bei intelligenter Herstellung die beste Treibhausgasbilanz aller erneuerbaren Treibstoffe aufweist«. Außerdem biete es landwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit einer guten zusätzlichen Einnahmequelle, betont Forscher Lemmer. (GEA)