GAMMERTINGEN. Gemeinderat Gerhard Jaudas (CDU) stieg mit einem Thema in die Sitzung des Gammertinger Gemeinderats ein, das nicht auf der Tagesordnung stand: Die CDU-Fraktion im Rat habe sich in den vergangenen Tagen viele Gedanken zum Thema Potenzialflächen für Windenergie gemacht. Die Gemeinde- und Ortschaftsräte würden laufend von Bürgern angesprochen, wo und wie viele Windräder sich auf Gammertinger Gemarkung und drumherum drehen sollen.
Hintergrund sind die Planungen des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben. Der Entwurf des Teilregionalplans Energie für die 1. Anhörung wurde am 8. Dezember 2023 von der Verbandsversammlung beschlossen. Das Planwerk umfasst unter anderem die Raumnutzungskarte mit den Flächenkulissen Windenergie und Photovoltaik. Das Beteiligungsverfahren läuft, die Träger öffentlicher Belange, also auch die Stadt Gammertingen, können bis zum 29. April zum Anhörungsentwurf Stellung nehmen und Änderungswünsche einbringen. Gemeinde- und Ortschaftsräte haben sich bereits nichtöffentlich im Februar über das Thema ausgesprochen und dabei eine erste fraktionsübergreifende Basis gefunden, ergänzte Bürgermeister Andreas Schmidt im Rat. Schmidt zeigte sich daher etwas verwundert über Jaudas' Vorstoß.
CDU wünscht Windkraftgegner als Berater
Was will die Gammertinger CDU? Jaudas führte zwei konkrete Punkte an: »Wir beschließen zeitnah, Rechtsanwalt Armin Brauns für eine juristische Einschätzung zur Erstellung und Unterstützung unserer Stellungnahme - also der Stellungnahme der Stadt zum Anhörungsentwurf - zu beauftragen.« Zudem solle zeitnah eine Bürgerinformationsversammlung zum Thema Windkraft organisiert werden. Mehr Information werde deutlich eingefordert und das sei auch nachvollziehbar, meinte Jaudas.
Beim Thema Bürgerversammlung ging der Bürgermeister ohne Einschränkungen mit. Schmidt verwies ergänzend auf die bisher erfolgten öffentlichen Verlautbarungen des Regionalverbands: von der auch von Gammertinger Bürgern besuchten Informationsveranstaltung "Räume suchen – Gebiete finden" im Juli in Bad Saulgau über die Veröffentlichung des Entwurfs des Teilregionalplans Energie im Oktober mit Begleitung in den öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats.
Bürgerinformation soll kommen
Eine fachliche Begleitung zur Stellungnahme kann sich Schmidt prinzipiell vorstellen. Wobei das Prozedere zurzeit in allen Kommunen und nicht nur im Bereich des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben durchgezogen wird, in aller Regel ohne anwaltliche Begleitung. Wenn überhaupt einen »Fachmann«, dann müsste man sich vorher sehr gut und genau überlegen, was man sich von dem Experten überhaupt erwarte und welche Fragen er zu klären habe, meint Schmidt: »Einen, der nur daneben steht, brauchen wir nicht.« Zur Person des Rechtsanwalts Armin Brauns hatte er eine klare Meinung: »Das wäre ein absoluter Fehler. Brauns ist ausgewiesener Windkraftgegner und alles andere als eine neutrale Unterstützung.« Das ist nicht Schmidts Privatmeinung: Brauns hat seine Webseite mit »Ihr Anwalt gegen Windenergieanlagen« betitelt.
Mittlerweile hat sich Rat Jörg Scham (SPD/Grüne/Unabhängige") schriftlich zu Jaudas' Einlassungen gegenüber den Kollegen im Gemeinderat, dem Bürgermeister und der Presse geäußert. "Armin Brauns als Gutachter zu beauftragen ist ein absolutes No-Go. Er ist erklärter Windkraftgegner und jemanden, der von vornherein gegen den politischen Willen recherchiert, können wir als Kommune unmöglich beauftragen." Jaudas hatte Parallelen zur Erstellung des Feuerwehrbedarfsplans gezogen, dabei wurde ein externer Berater, Ralf Jörg Hohloch, mit viel Feuerwehrerfahrung hinzugezogen. Den Vergleich lehnen Schmidt und Scham wegen Brauns' Positionen einhellig ab.
Jörg Scham äußerte sich irritiert: Die vorhergegangene nichtöffentliche Sitzung sei konstruktiv und zielführend verlaufen. »Wir waren uns einig mit unserer beabsichtigten Stellungnahme zu den beiden Windkraftvorranggebieten auf unserer Gemarkung.« In die Stellungnahme soll unter anderem ein größerer Abstand zu den Ortsrändern als gesetzlich vorgeschrieben aufgenommen werden. »Gerne hätten wir die Sitzung öffentlich machen können«, schreibt Scham, »für eine Bürgerversammlung sind wir grundsätzlich offen.«
Trotz unterschiedlicher Vorstellungen in Einzelfragen sieht der Bürgermeister den Gemeinderat auf gemeinsamen Kurs. Für die Energiewende müssten gute und sozial verträgliche Lösungen gesucht werden. Primäres Ziel sei es auf jeden Fall, die Planungen in den Albgemeinden für die Bürger erträglich zu machen, sagte Rat Franz Hanner aus Kettenacker (CDU). Das Thema Windenergie dürfte die Bürger nicht nur in Gammertingen auf jeden Fall noch einige Zeit beschäftigen. Mehr Informationen zum Teilregionalplan Energie gibt es auf der Webseite des Regionalverbands. (GEA)