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Wieso St. Johanner einen Windpark besuchen

Bei Ohnastetten könnte ein Windpark mit bis zu acht Anlagen entstehen. Ein Gespür dafür, wie sich's mit Windrädern vor Haustür lebt, bekamen St. Johanner Bürger und Kommunalpolitiker bei einer Lehrfahrt in den Windpark Goldboden-Winterbach im Rems-Murr-Kreis.

St. Johanner Kommunalpolitiker und Bürger besuchten den Windpark Goldboden-Winterbach im Rems-Murr-Kreis.
St. Johanner Kommunalpolitiker und Bürger besuchten den Windpark Goldboden-Winterbach im Rems-Murr-Kreis. Foto: Marion Schrade
St. Johanner Kommunalpolitiker und Bürger besuchten den Windpark Goldboden-Winterbach im Rems-Murr-Kreis.
Foto: Marion Schrade

ST. JOHANN. Im Süden von St. Johann-Ohnastetten hat der Regionalverband Neckar-Alb ein rund 164 Hektar großes Vorranggebiet definiert, auf dem sich in Zukunft fünf bis acht Windräder drehen könnten. Mit 96 Hektar besitzt die Gemeinde St. Johann den überwiegenden Teil der Flächen, der Rest ist Staatswald. Erste Informationen zum potenziellen Windpark gab's bei einer Einwohnerversammlung vor zwei Wochen. Am Montag folgte eine Besichtigungstour, organisiert vom Forum Energiedialog, das die Kommunen im Namen des Landes Baden-Württemberg bei der Energiewende unterstützt. Dafür, dass die Diskussionen über Windkraft oft erbittert, emotional und teils auch unsachlich geführt werden, hielt sich die Zahl der Teilnehmer erstaunlicherweise in Grenzen: Rund 25 St. Johanner Bürger, davon acht Gemeinderäte, nahmen das Angebot an, sich den Windpark Goldboden-Winterbach anzusehen und mehr zu erfahren. Im Bus wäre noch Platz gewesen.

Im Schurwald am Rande der Gemeinde Winterbach im Rems-Murr-Kreis drehen sich seit 2017 drei Windräder. Betrieben wird der Park von der EnBW, die drei Anlagen vom Typ Nordex N131 sind mit einer Nabenhöhe von 164 Metern, einem Rotordurchmesser von 131 Metern und einer Gesamthöhe von 230 Metern etwas kleiner als die, die künftig bei Ohnastetten stehen könnten. Moderne Windräder bringen es, wie Michel-André Horelt vom Forum Energiedialog ausführte, auf eine Gesamthöhe von bis zu 285 Metern.

Die Offenheit war von Anfang an groß, Bedenken haben sich nicht bewahrheitet

Bei der Exkursion waren es allerdings nicht die technischen Daten, die im Vordergrund standen. Die Besucher aus St. Johann bekamen nicht nur Informationen, sondern auch Erfahrungswerte aus erster Hand: Karl Gohl und Jürgen Nachtrieb berichteten als Gemeinderäte und Bürger zweier Winterbacher Teilorte in unmittelbarer Nähe zum Windpark. Dessen Anfänge reichen ins Jahr 2014 zurück, als das Vorranggebiet im Schurwald ausgewiesen wurde. Anders als in St. Johann, wo die Gemeinde als Flächen-Eigentümerin von Einnahmen und Mitspracherecht profitiert, waren und sind die Flächen bei Winterbach ausnahmslos im Besitz des Staatsforsts. Die Kommune hat vom Windpark also keinerlei finanziellen Vorteil.

Trotzdem, berichteten die Räte, sei die Stimmung von Anfang an überwiegend positiv gewesen: »Die Gemeinde wollte sogar selbst bauen, wir standen voll hinter dem Projekt«, blickte Jürgen Nachtrieb zurück. Die Kommune trat - gemeinsam mit einem Förderverein für erneuerbare Energien, der sich schon vor der Windpark-Projektphase gegründet hatte - im Bieterverfahren an, landete aber abgeschlagen auf Platz vier.

Auch wenn die Befürworter laut Gohl und Nachtrieb klar in der Überzahl waren: Auch in Winterbach gab's eine Gegenbewegung. Die Bürgerinitiative »Pro Schurwald« brachte ähnliche Bedenken an, wie sie auch bei aktuell laufenden Projekten auf der Alb immer wieder laut werden. Keine der Befürchtungen, so die beiden Räte, habe sich letztlich bewahrheitet. Der Park ist weder wirtschaftlich unrentabel noch hat er Milan oder Fledermaus vertrieben. »Es gibt Abschaltungen zu bestimmten Zeiten«, erläuterte Nachtrieb mit Blick auf den Artenschutz. Auch Eiswurf, Blitzeinschlag und Brände waren bisher kein Problem - und ebenso wenig der Lärm, der auch in den Diskussionen auf der Alb breiten Raum einnimmt.

Nicht lauter als ein moderner Kühlschrank

Engelberg, der Teilort, in dem Jürgen Nachtrieb lebt, liegt einen Kilometer vom Windpark entfernt. Der Gemeinderat fühlt sich, auch wenn er den Anlagen beispielsweise bei einem Spaziergang deutlich näher kommt, nicht gestört: »Man hört, wenn überhaupt, ganz leicht den Schlag der Rotoren. Man nimmt es irgendwann auch gar nicht mehr wahr, man gewöhnt sich dran.« Das gelte selbst für Sommerabende auf der Terrasse: Der Stimmung tun die Anlagen keinen Abbruch. Michel-André Horelt vom Forum Energiedialog hatte die Zahlen dazu: Nachts gilt für Mischgebiete - dazu gehört die Ortsmitte Ohnastetten - ein Immissionsgrenzwert von 45 Dezibel, in reinen Wohngebieten liegt er sogar noch zehn Dezibel darunter. »35 Dezibel entsprechen der Lautstärke eines modernen Kühlschranks, es ist wie ein ganz leises Flüstern«, veranschaulichte Horelt am Beispiel.

Auch die Eingriffe in die Landschaft haben sich, so die Räte, in Grenzen gehalten - sowohl während als auch nach der Bauphase. Die Hauptwege, die heute zu sehen sind, waren schon vor dem Windpark da. Für die Anlagen mussten allerdings Bäume gerodet werden. Pro Windrad werde während des Baus statistisch ein Hektar Fläche benötigt, informierte Fachmann Horelt. Steht die Anlage erst einmal, reduziert sich der dauerhafte Bedarf auf die Hälfte.

Und was nahmen die Besucher mit nach Hause auf die Alb? Vor allem den Eindruck, dass die Anlagen weit weniger massiv wirken als befürchtet und den Alltag offenbar kaum beeinträchtigen. Das Problem der St. Johanner, falls sie den überhaupt eins haben, ist weniger die Angst vor Lärmbelästigung als vor eine Befürchtung, die auch in Winterbach eine Rolle spielte: Gibt es einen »Dominoeffekt«? Folgt auf den ersten Windpark der zweite, wird das Dorf umzingelt? Diese Sorge, das war bei der Fahrt deutlich herauszuhören, treibt die Bürger in St. Johann am meisten um. Zum einen, weil auf der Fläche bei Ohnastetten nicht nur drei, sondern fünf bis acht Anlagen entstehen können. Und zum anderen, weil sich auch in der Nachbarschaft auf Engstinger und Lichtensteiner Gemarkung künftig etliche Windräder drehen könnten. Dennoch überwog - zumindest im kleinen Kreis derer, die die Gelegenheit genutzt hatten, sich vor Ort mit dem Thema auseinanderzusetzen - die Offenheit die Bedenken gegenüber der Windkraft. (GEA)