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Wie geht es mit der Werkrealschule in St. Johann weiter?

Die Landesregierung hat sich zur Zukunft von Werkrealschulen geäußert. Was bedeutet das für St. Johann?

Die Würtinger Werkrealschule könnte künftig mit einer Realschule in der Nähe kooperieren. Zumindest ist das ein Vorschlag, den d
Die Würtinger Werkrealschule könnte künftig mit einer Realschule in der Nähe kooperieren. Zumindest ist das ein Vorschlag, den die Landesregierung gemacht hat. Wie er vor Ort umgesetzt wird, entscheiden die Kommunen als Schulträger. FOTO: REISNER
Die Würtinger Werkrealschule könnte künftig mit einer Realschule in der Nähe kooperieren. Zumindest ist das ein Vorschlag, den die Landesregierung gemacht hat. Wie er vor Ort umgesetzt wird, entscheiden die Kommunen als Schulträger. FOTO: REISNER

ST. JOHANN. Hat die Werkrealschule eine Zukunft – und wenn ja, welche? Diese Frage hat die St. Johanner in den vergangenen Jahren und Monaten immer wieder beschäftigt. Nicht nur im konkreten Fall, wie’s am eigenen Schulstandort mit Blick auf Raumnot und Sanierungsbedarf weitergeht. Sondern auch im übergeordneten Kontext, den vor allem Bürgermeister Florian Bauer in der Diskussion immer wieder zur Sprache gebracht hat: Eine klare Aussage der Landesregierung zu den Perspektiven der Schulart hatte er bislang vermisst.

Voraussetzung, um Investitionen in Millionenhöhe zu planen, war für Bauer und den Gemeinderat ein klares politisches Bekenntnis. Inzwischen hat sich die Landesregierung mit dem Thema befasst und ein »Bildungspaket« verabschiedet. In der Regierungsklärung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann finden sich neben Aussagen zu G8 und G9 und zur Grundschulempfehlung auch solche zur Werkrealschule. Erklärtes Ziel sei es, die akademische und die berufliche Bildung gleichermaßen zu fördern. Real- und Gemeinschaftsschulen sollen deshalb »ein klares Profil mit einer starken beruflichen Orientierung und einem Fokus auf lebenspraktische Fragen« bekommen.

Schulart soll erhalten bleiben, aber ohne eigenen Abschluss

Und was ist mit der Werkrealschule, auf die diese Beschreibung ja ebenfalls zutreffend ist? Sie soll als Schulart zwar erhalten bleiben, so Kretschmann. Aber: Einen eigenständigen Werkrealschulabschluss soll es künftig nicht mehr geben. Die Begründung: Dieser Abschluss sei ein baden-württembergisches Spezifikum, man kenne ihn im übrigen Deutschland nicht, und er habe sich auch im Land selbst nicht durchgesetzt, so Kretschmann, der betonte: Es gehe auch darum, das Schulsystem in Baden-Württemberg, das eines der »komplexesten Schulsysteme der Republik« sei, zu verschlanken und für mehr Übersichtlichkeit zu sorgen.

»Wir hängen mal wieder einigermaßen in der Luft«

»Wo immer möglich und vor Ort gewünscht, sollen sich Werkrealschulen mit einer Realschule zu einer Verbundrealschule zusammenschließen«, heißt es in der Regierungserklärung. »Dadurch können auch bedrohte Schulstandorte gesichert werden.« Vor allem der letzte Satz müsste Musik in den Ohren der St. Johanner sein, die so sehr um den Erhalt ihrer weiterführenden Schule gerungen haben und weiter ringen. Dennoch vermisst Bauer klare Aussagen: »Wir hängen jetzt wieder mal einigermaßen in der Luft.« Er sieht in Kretschmanns Aussagen eher »ein scheibchenweises Sterbenlassen der Werkrealschule als eine klare Entscheidung«. Was sich Bauer wünscht: »Eine Perspektive, wie sich die Schullandschaft in fünf bis zehn Jahren entwickelt, und kein Stückwerk, wie’s jetzt wieder gemacht wird. Die Landesregierung mogelt sich um eine klare Aussage zur Zukunft der Schulart herum.«

Manuel Hailfinger, CDU-Landtagsabgeordneter aus Sonnenbühl, ist Mitglied des Bildungsausschusses und war an den Entscheidungen beteiligt. Man habe es sich nicht leicht gemacht, betont er, »es war ein schwieriger Kompromiss«. Dass SPD und FDP Gespräche von Regierung und Opposition über mögliche gemeinsam getragene Bildungsreformen in Baden-Württemberg im Vorfeld abgebrochen hatten, bedauert Hailfinger.

Mehr Theorie als Praxis

Immerhin: Die Abschaffung des Werkrealschulabschlusses hat auf Würtingen keine unmittelbaren Auswirkungen, das stellt auch Hailfinger klar. Wer bisher eine Werkrealschule besucht, kann nach Klasse 9 einen Hauptschulabschluss machen. Das wird auch künftig so bleiben. Der eigenständige Werkrealschulabschluss, der nun wegfallen soll, war im Fall Würtingen auch bisher schon eher Theorie als Praxis: In Würtingen gibt es keine zehnte Klasse.

In Genkingen allerdings schon – der Sonnenbühler Teilort ist neben Würtingen der einzige verbliebene Werkrealschulstandort im Kreis Reutlingen. Die beiden Schulen waren und sind über eine Kooperation verbunden, die allerdings eher formaler Natur ist. Denn dass ein Würtinger Schüler nach Genkingen wechselte, um Klasse 10 zu besuchen und einen Abschluss zu machen, kam in der Vergangenheit nie vor. Die Würtinger Schulleiter, Thomas Heidt und Uli Steinestel, schildern den üblichen Weg ihrer Schüler nach Klasse 9 so: »Sie gehen entweder direkt in eine Ausbildung oder an eine zweijährige Berufsfachschule.«

Mangel an Vergleichbarkeit

Die wichtigste Botschaft, so Manuel Hailfinger, sei: »Die Schulart soll erhalten werden, ein mehrgliedriges Schulsystem mit drei Bildungsabschlüssen ist und bleibt uns wichtig.« Die Abschaffung des Werkrealschulabschlusses befürwortet er mit ähnlicher Begründung wie Kretschmann: »Es mangelt einfach an Vergleichbarkeit. Er ist so selten geworden – auch, weil viele Werkreal- zu Gemeinschaftsschulen geworden sind.«

»Die Schulart soll erhalten werden«

Der zweite Punkt, der Bürgermeister Bauer schwer im Magen liegt, ist die von Kretschmann angesprochene Kooperation mit einer benachbarten Gemeinschafts- oder Realschule. Bauer verweist auf ein Schreiben von Kultusministerin Theresa Schopper, in dem auch Details dazu genannt werden. Bisher gab es an Realschulen eine zweijährige Orientierungsstufe: Sie diente dazu, zu klären, welche Schüler nach Klasse 6 auf G- und welche auf M-Niveau weiter unterrichtet werden. G-Niveau steht für »Grundlegendes Niveau« und führt zum Hauptschulabschluss. M-Niveau steht für »Mittleres Niveau« und führt zum Realschulabschluss. Die Orientierungsstufe wird ab dem Schuljahr 2025/26 auf ein Jahr verkürzt. Hier kommen die angedachten Verbünde ins Spiel: Die Differenzierung könnte so aussehen, dass an der Realschule auf M- und an der Werkrealschule auf G-Niveau unterrichtet wird.

Bauer hat Zweifel, ob dieses Modell in der Praxis funktioniert, und spielt mögliche Szenarien durch. Für Würtingen kämen räumlich Kooperationen mit Bad Urach oder Münsingen infrage. »Wer kann und will? – Das wäre freilich zuerst zu klären.« Nach ersten Gesprächen sei das Interesse der Nachbarn eher verhalten. Seine Bedenken verdeutlicht Bauer an einem fiktiven Fallbeispiel: Ein Kind aus Seeburg wechselt nach der Grundschule an die Realschule in Bad Urach, gewöhnt sich ans neue Umfeld – und wird dann, nachdem es G-Niveau attestiert bekommt, erneut herausgerissen und nach Würtingen geschickt. Auch was das Image der Schulart angeht, befürchtet Bauer eine Abwertung der Werkrealschule.

Schulträger vor Ort sind dran

Manuel Hailfinger indes sieht in den Verbünden durchaus Vorteile. »Sie könnten helfen, nicht nur die Gemeinschafts- und Realschulen, sondern auch die Werkrealschulen zu stärken.« Durch die Konzentration auf G- oder M-Niveau »muss man nicht an jedem Standort alles anbieten«. Die beiden Werkrealschulen im Kreis zu erhalten, sei ihm persönlich wichtig – darum kämpfe er, auch in seiner Funktion als Sonnenbühler Gemeinderat.

Die Beschlüsse der Landesregierung umzusetzen, sei einmal mehr Aufgabe der Gemeinderäte. »Die Schulträger vor Ort müssen sich Gedanken machen, wie sie sich weiterentwickeln wollen.« Man lasse die Schulen und Kommunen bei diesem Prozess nicht allein, betonte Kretschmann in seiner Erklärung.

Kultusministerium und die bei den Regierungspräsidien angesiedelte Schulverwaltung werden die Entwicklungen begleiten. Eins ist, bei allen offenen schulpolitischen Fragen zur langfristigen Zukunft der Werkrealschule, für Bauer ganz klar: »Das akute Raumproblem bleibt und muss behoben werden.« Mit dem Feuerwehrhaus ist zumindest ein Ausweichquartier auf Zeit gefunden, an der Umsetzung der Interimslösung wird weiter gearbeitet. (GEA)