ENGSTINGEN-HAID. Es war ein Schock für die Familie von Manuel Ott, seine Frau Astrid und ihre kleine Tochter Amelie. Bei Marlon, dem Zweitgeborenen, wurde im November 2020 ein nur schwer operierbarer und schnell wachsender Hirntumor festgestellt. Durch zeitliche Komplikationen bei den Operationen in Duisburg und Tübingen und daraus folgender Unterversorgung des Gehirns ist der 13 Monate alte Bub damals ins Wachkoma gefallen. Seither hat sich das Leben der Familie verändert, die versucht, Marlon so gut es geht, ins Familienleben zu integrieren.
Die Familie konnte nach Marlons langem Krankenhausaufenthalt vor zwei Jahren eine größere Wohnung beziehen. Das kostete Zeit und Geld, denn sie musste bedarfsgerecht für die Bedürfnisse eines Kleinkindes im Wachkoma umgebaut werden. Dafür hatte sich der Hobbymusiker, Teil des Duos Manne & Danne, unbezahlten Urlaub genommen, um schnellstmöglich mit den Arbeiten fertig zu werden. Auch Ehefrau Astrid Ott kann ihrem Beruf als Krankenschwester nicht mehr nachgehen, weil Marlon eine 24-Stunden-Rundum-Betreuung benötigt.
»Das kostet ein Schweinegeld«
Ein weiteres Problem war, dass der spezielle Autositz für Marlon nur bedingt in Rücklage verstellt werden kann. Der Junge aber sollte eher liegend gefahren werden, um sein geschädigtes Gehirn zu entlasten. »Auf die Idee, eine Art Krankentrage in mein Fahrzeug einbauen zu lassen, bin ich gekommen, als sich mein Musikkamerad Daniel Herrmann ein neues Fahrzeug gekauft hat«, sagt Manuel Ott.
Dieses neue Auto sei eine Art Campingausführung mit Schlafmöglichkeit. Als Rettungssanitäter sei ihm dann der Gedanke gekommen, eine Trage wie in einem Krankenwagen einzubauen. Über die Kosten informiert mussten er und seine Frau feststellen: »Das kostet ein Schweinegeld, rund 15.000 Euro.« Allein der Tisch, der als Untergrund für die Trage diene, liege bei annähernd 5.000 Euro, dazu komme die Trage selbst mit rund 7.500 Euro und schließlich der Um- und Einbau ins Fahrzeug.
Bei einem Auftritt hatte Ott den langjährigen DRK-Helfer Günter Wollwinder darüber informiert. Der wiederum habe Kontakt mit Siegfried Männer aufgenommen, der als Werkstattleiter beim DRK-Kreisverband Reutlingen vielleicht weiterhelfen könne. »Der hat dann gleich gemeint, da kriegt man was organisiert«, sagt Ott. Männer fragte bei der Firma System Strobel in Aalen/Wasseralfingen nach, die Rettungs- und Krankentransportwagen für Rettungsdienste und Hilfsorganisationen auf der ganzen Welt entwickelt und produziert. Geschäftsführer Thomas Strobel und Thomas Hersacher vom Service Krankentransportwagen hatten gesagt, dass die benötigte Hilfe »doch Ehrensache« sei.
»Da war wohl irgendwie der Turbo und sehr viel Glück drin«
Daraufhin sei Lothar Schneider vom DRK-Kreisverband Sigmaringen ins Spiel gekommen, der tatsächlich eine Trage und diese sogar kostenlos zur Verfügung stellen konnte. Bei der Firma Paravan in Pfronstetten-Aichelau, die auf behindertengerechte Automobilumbauten spezialisiert ist, konnte der Fahrzeugumbau in kürzester Zeit und für geringe Kosten realisiert werden. »Da war wohl irgendwie der Turbo und sehr viel Glück drin«, sagt Ott dankbar für die große finanzielle Hilfe aller Beteiligten. Er selbst hätte das Ganze nicht so einfach bezahlen können.
Trotz aller Schwierigkeiten und der Ungewissheit – kein Arzt kann sagen, ob Marlon jemals wieder aufwacht – verliert der dreifache Familienvater, der inzwischen als Hausmeister in einem Gymnasium tätig ist, nicht die Zuversicht. »Die Hoffnung stirbt zuletzt«, sagt Manuel Ott. In den letzten Wochen habe die Familie eine winzige Besserung von Marlons Gesundheitszustand feststellen können. »Jetzt können wir Marlon auch mit in den Urlaub mitnehmen, damit er kleine Anreize bekommt«, sagt Astrid Ott. (GEA)