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Aktuell Ökologie

Wie Biber im Kreis Reutlingen jetzt »gemanagt« werden

Der Landkreis Reutlingen setzt in Gomadingen ein Bibermanagementkonzept mit breiter Beteiligung um.

Der Biber ist gekommen, um zu bleiben. FOTO: GROHE
Der Biber ist gekommen, um zu bleiben. Foto: Manfred Grohe
Der Biber ist gekommen, um zu bleiben.
Foto: Manfred Grohe

GOMADINGEN. Wie viele Biber es genau mittlerweile im Landkreis Reutlingen gibt, weiß auch das Landratsamt nicht. Die pelzigen Wiederansiedler melden sich ja weder an noch ab. Eines ist aber ziemlich sicher: Die Lauter ist fest in Biberhand, Burgen, vor allem aber Biberdämme sind allerorten zu finden. Oder auch gefällte, teils mächtige Bäume. Die Zuwanderung dürfte mittlerweile abgeschlossen sein: Biber teilen ihr Revier nicht mit Artgenossen, es wird im Extremfall bis zum Tod verteidigt, erklärte Corinna Himming, Abteilungsleiterin Natur- und Artenschutz, bei einem Vororttermin in der Biber-Metropole Gomadingen.

Die idyllische Albgemeinde, die wegen ihres Wasserreichtums schon von den alten Römern geschätzt wurde, scheint dem Biber besonders zu gefallen. Entsprechend viele Erfahrungen haben die Gomadinger bereits gesammelt. Das Landratsamt hat deswegen hier ihren Schwerpunkt für die Entwicklung eines Bibermanagements gesetzt. Ins Bibermanagement sind aber auch die Lautergemeinden St. Johann, Münsingen und Hayingen sowie Zwiefalten an der Zwiefalter Aach eingebunden. Das Projekt geht nun ins dritte Jahr.

Bürgermeister Klemens Betz, Corinna Himming vom Naturschutz des Landratsamts, Landrat Ulrich Fiedler und die Landwirte Thomas un
Bürgermeister Klemens Betz, Corinna Himming vom Naturschutz des Landratsamts, Landrat Ulrich Fiedler und die Landwirte Thomas und Erwin Pfeifle vorm aufgestauten Schörzbach. Foto: Steffen Wurster
Bürgermeister Klemens Betz, Corinna Himming vom Naturschutz des Landratsamts, Landrat Ulrich Fiedler und die Landwirte Thomas und Erwin Pfeifle vorm aufgestauten Schörzbach.
Foto: Steffen Wurster

Der Biber ist ein emsiger Baumeister und gestaltet sich seinen Lebensraum, erklärte Himming, und das kann mittlerweile jeder halbwegs aufmerksame Wanderer oder Radfahrer sehen. Hinter Biberdämmen aufgestautes Wasser überflutet die anliegenden Flächen, um Gomadingen wurde zum Beispiel aus dem »Rinnsal« Scherzbach, so Bürgermeister Klemens Betz, zwischen Gomadingen und Steingebronn ein ganz ansehnliches Gewässer. Und den Wolfgangsee bei Grafeneck hat erst der Biber zu einem richtigen See gemacht.

Blick auf die Gesamtpopulation

So entstehen ökologisch wichtige Lebensräume, aber auch Konflikte. Bürgermeister Betz kann ein Lied davon singen, sein Bauhof war lange Zeit im Dauereinsatz, »wie der Hamster im Rad«. Bürgermeister Betz berichtete vor dem Rundgang von den Ärgernissen, die der Biber schon mit sich gebracht hat. Bahndämme mit drohenden Wasserschäden, angeknabberte Bäume, die auf die Straße zu fallen drohen, blockierte Abläufe der Kläranlage und mehr machen seinem Bauhof das Leben schwer. Und überschwemmte englische Rasen und eingestürzte Holzpolter mitten im Ort sorgen auch nicht für Freude bei seinen potenziellen Wählern. Anstelle von kurzfristigen Einzelmaßnahmen, die bisher ergriffen wurden, setzt das Bibermanagement auf eine dauerhafte Strategie. Man behält den gesamten Siedlungsraum im Blick, erklärte Himming. Harte Vergrämungsmaßnahmen, etwa durch Abknabbern von Biberdämmen oder Drainagerohre, können gerechtfertigt werden, wenn an anderer Stelle etwas fürs Wohlbefinden von Meister Bockert getan wird. Und es der Bibergemeinde im Ganzen so gut geht.

Die Biberdämme machen aus dem Rinnsal Schörzbach ein respektables Gewässer.
Die Biberdämme machen aus dem Rinnsal Schörzbach ein respektables Gewässer. Foto: Steffen Wurster
Die Biberdämme machen aus dem Rinnsal Schörzbach ein respektables Gewässer.
Foto: Steffen Wurster

Wichtig sei es, dass alle Betroffenen an einem Strang ziehen und die Kommunikation stimmt, sagte Landrat Ulrich Fiedler, dass Bevölkerung und Landwirte, Naturschutz und Verkehrssicherheit eingebunden sind. Das scheint in Gomadingen gut zu klappen. Den meisten Ärger gibt es entlang der Lauter und ihrer Zuflüsse in einem etwa zehn Meter tiefen Streifen. Die dort tätigen Landwirte sind alle im Boot, konnte Betz bestätigen. Dass die sauren Wiesen meist der Gemeinde gehören und nur verpachtet sind, erleichtert die Sache. Da entfällt der Streit mit Eigentümern, wenn die Wiese zu wirtschaftlich wertlosem Feuchtbiotop wird. Die Landwirte Thomas und Erwin Pfeifle erklären, wie das in der Praxis aussieht. Der Schörzbach mäandert dank einiger Biberdämme mittlerweile idyllisch gen Lauter. Die Wiesen werden jetzt extensiv bewirtschaftet, sprich nur noch zwei Mal im Jahr gemäht. Die Gewächse im Gewässerrandstreifen bleiben stehen, das Mähwerk würde im feuchten Boden absaufen. Das sieht nicht immer schön aus, wenn Brennnesseln und anderes »Unkraut« meterhoch wuchern, gehört aber zum Konzept, betont Erwin Pfeifle. »Da heißt’s auch mal, des isch koi rechter Bauer.«

Konfliktarm zusammenleben

Der Ertrag der Flächen sinkt, der Zeitaufwand für die Pfeifles steigt. Die Biber-Wiesen werden in einem anderen Rhythmus bearbeitet, können nicht in einem Aufwasch mit gemäht werden. Dafür gibt es Ausgleichsmöglichkeiten aus Fördertöpfen. »Ohne Förderung lohnt sich’s nicht«, sagt Erwin Pfeifle. Das ganzheitliche Bibermanagement macht den langfristigen Ausgleich für die Bauern möglich, bei der Einzelfallbehandlung war nur die Förderung etwa für den Einsatz des Bauhofs möglich, erklärte Himming. Entlang der Lauter und ihres Einzugsgebiets entstehen so Gebiete, in denen der Biber weitgehend ungestört leben kann. Das Landratsamt hat auch begonnen, Weiden anzupflanzen, um das Nahrungsangebot zu verbessern. Im Sommer ist der Tisch mit Raps, Kräutern und Getreide gedeckt, im Winter ist der Nager auf Gehölze angewiesen. Die Schösslinge sollen den Druck von den ausgewachsenen Bäumen nehmen.

Der Biber wird bleiben, das ist sicher. Das Bibermanagement im Lautertal zeigt, wie das Zusammenleben von Mensch und Tier konfliktarm gestaltet werden kann, vor allem dauerhaft. Die Entwicklung des Managementkonzepts wird voraussichtlich bis Ende 2024 finanziert, die Daueraufgabe Biber wird aber bleiben. Gut, dass das Landratsamt reichlich Erfahrung mit Generationenaufgaben wie etwa der Pflege der Wacholderheiden, auch in Gomadingen, hat. (GEA)