REUTLINGEN/TÜBINGEN. Ist der Mond einfach nur ein riesiger Gesteinsbrocken im Weltall, der um die Erde kreist oder hat er tatsächlich Einfluss auf die Menschen? Seit Urzeiten werden dem Himmelskörper Wirkungen zugeschrieben, die von medizinisch-psychologisch bis hin mystisch-zauberhaft reichen. So soll der Mond Einfluss auf die menschliche Stimmung, den Schlaf, die Geburten, den weiblichen Zyklus, den Alkoholkonsum, den Haarschnitt, das Pflanzenwachstum oder das Bierbrauen und das Champagner-Abfüllen haben.
Studien belegen: nicht mehr Geburten, nicht mehr Unfälle bei Vollmond
Viele Menschen richten sich bei der Gartenarbeit, beim Holzfällen, bei der Ernährung, beim Arztbesuch nach Mondkalendern, die helfen sollen. Da werden verschiedene Mondphasen als idealen Zeitpunkt etwa fürs Haareschneiden, den Start einer Diät oder eine finanzielle Investition empfohlen. Dass bei Vollmond mehr Babys geboren, mehr Autounfälle, aber auch mehr Verbrechen oder Suizide begangen werden, konnte durch wissenschaftliche Studien bereits mehrfach widerlegt werden. Doch wie sieht es in anderen Bereichen aus?
Eine offenbar größere Rolle spielt der Mond beispielsweise bei der Landwirtschaft von Bauernhöfen, die dem Demeter-Verband angehören. Diese arbeiten laut eigener Definition nach dem Prinzip der »biodynamischen Landwirtschaft«, die demnach in diesem Jahr 100 wird. Ein zentraler Gedanke dabei: »Um biodynamische Milchprodukte, Eier, Wein, Getreide, Obst – und Gemüse sowie Fleisch zu erzeugen, braucht kein Landwirt ein Anthroposoph zu sein. Jedoch verstehen die so handelnden Menschen ihren Betrieb als Organismus, der in der Balance sein muss.« So steht es auf der Demeter-Internetseite.
Für Landwirt Albrecht Freytag, der den Demeterhof zusammen mit seiner Tochter Elisabeth und seinem Schwiegersohn Thomas Wörz als Familienbetrieb bei Münsingen-Bichishausen betreibt, gehört der Mond zu seiner Landwirtschaft einfach dazu: »Ich habe mich immer zu etwa 80 Prozent an den Mondkalender gehalten«, sagt er im Gespräch mit dem GEA. Im Mondkalender steht unter anderem, wann die beste Zeit für Aussaat, für das Düngen oder das Ernten ist. »So gibt es Fruchttage, Blatttage, Blütetage und Wurzeltage«, erläutert Albrecht Freytag und gibt ein Beispiel: »Der Mond stand beispielsweise am 24. Januar im Sternbild Krebs und es war ein sogenannter Blatttag. Also ein guter Tag für die Aussaat von Salat.« Ja, es sei Astrologie mit im Spiel, so Freytag.
Übrigens: Der 24. Januar war laut diversen Mondkalendern auch ein guter Tag für eine Diät oder zum Haarefärben. Nicht so gut war der Tag für einen Termin beim Zahnarzt oder für eine OP.
Gute Erfahrungen mit dem Mond bei der Landwirtschaft
Natürlich spielten Witterung, die Beschaffenheit der Böden, guter Kompost und noch vieles mehr ebenfalls eine große Rolle für effektives Pflanzenwachstum und eine gute Ernte. Dennoch habe er mit dem Mondkalender beachtliche Erfahrungen gemacht: »Wir haben bessere und gesündere Erträge erzielt«, berichtet er stolz. Mit besser und gesünder meint er vor allem im Vergleich zu konventionell angebautem Gemüse und Getreide. Auch seinen Milchkühen und ihren Kälbern gehe es besser als anderen. Albrecht ist überzeugt vom Mondkalender und dem Einfluss des Erdtrabanten auf seine Landwirtschaft, auch wenn das laut Landesverband keine Vorgabe für einen Demeterbetrieb ist. »Dennoch setzen einige unserer Mitglieder auf den Mondkalender«, weiß Demeter-Sprecherin Sonja Jürschik.
Von all dem hält Dr. Maximilian Hohmann, Leiter der Tübinger Sternwarte, nicht viel. Für ihn besteht kein Zusammenhang zwischen dem Mond und dem Pflanzen- oder Haarwachstum. Für den Wissenschaftler ist der Mond schlicht ein 3.500 Kilometer großer Felsbrocken, der in etwa 385.000 Kilometer Abstand die Erde umkreist: »Der Mond hat großen Einfluss auf die Gezeiten der Meere und die Gewässer auf der Erdoberfläche. Ohne ihn gäbe es keine Ebbe und keine Flut. Er schickt regelrechte 'La-Ola-Wellen' und Wasserberge rund um den Globus.«
Und noch mehr schreibt er dem grauen Trabanten zu: Dieser habe einen enormen Einfluss auf die Entwicklung des Lebens auf der Erde gehabt. Vor Milliarden und Millionen von Jahren: »Der Mond hat durch seine konstante Erdumkreisung erst die Voraussetzungen für stabile Verhältnisse auf der jungen Erde gesorgt. Dadurch konnte sich Leben erst entwickeln. Wenn man so will, hat er dadurch auch die Entwicklung des Menschen ermöglicht«, so Hohmann. Andere Planeten ohne Monde oder instabilen Trabanten hätten diese Voraussetzungen nicht gehabt. Doch der Mond könne messbar noch mehr.
Großer Einfluss des Mondes auf Meere und Gezeiten, aber nicht auf den Menschen
»Der Mond reflektiert das Sonnenlicht und beeinflusst die Helligkeit möglicherweise auch etwas den nächtlichen Schlaf mancher Menschen«, räumt er ein. Wenn Vollmondnächte etwas heller seien, könne das bedeuten, dass manche Menschen schlechter oder kürzer schliefen. Das Schlafzimmer mehr abzudunkeln, könne da schon Abhilfe schaffen. Und: »Die Sonne ist etwa tausendmal heller als der Mond. Sie hat dadurch viel mehr Einfluss auf den Schlaf von Menschen und Tieren«, so Hohmann. Entscheidend sei die Helligkeit und nicht etwa mystische Kräfte. Die Helligkeit des Mondes sei verschwindend gering im Vergleich zur Sonne: »Niemand kann mit Mondlicht und einem Brennglas Feuer machen. Mit Sonnenlicht reicht schon meine Brille«, gibt Hohmann ein Beispiel. Der Mond besitze auch kein nennenswert großes Magnetfeld, das in relevanter Weise das Leben auf der Erde beeinflussen könnte, erklärt Dr. Hohmann: »Eine Anziehungskraft am Menschen ist schlicht nicht messbar.« Einen direkten oder gar täglichen Einfluss auf den Menschen, seine Gesundheit, seine Haare, sein Glück habe er dagegen nicht. Da ist sich Hohmann sicher.
Wenn Mond-Mythen zu Märchen werden
Ins Reich der Sagen und Märchen kann wohl alles rund um den Mond und seine Beziehung zu Vampiren und Werwölfen geschickt werden. Niedergeschriebene Vampirgeschichten haben ihren Ursprung im 19. Jahrhundert. Damals, in der Epoche der Romantik, erschienen einige Veröffentlichungen als Schauerromane. Der berühmteste ist Dracula von Bram Stoker. Das Buch wurde nach 1897 zum Bestseller in einer Zeit, in der alles rund um okkulte Dinge im Trend lag.
Der Mond spielt im Gruselroman auch nur indirekt eine Rolle. Vielmehr ist es die Nacht, in der Dracula und seine Gefährten zum Leben erweckt werden, zu denen auch Wölfe gehören. Werwölfe, die sich bei Vollmond von einer menschlichen Gestalt zu einer tierischen Bestie verwandeln, sind in Horrorfilmen des 20. Jahrhunderts etabliert worden. Echte Wölfe heulen auch nicht den Mond an. Sie recken ihre Köpfe in Richtung Himmel, damit ihre Laute möglichst weit tragen. Bei Vollmond wirkt dieses Verhalten dann so, als würden sie den Kopf in Richtung Mond recken und ihn anheulen. (GEA)
Einen Zusammenhang mit dem weiblichen Zyklus und der Fruchtbarkeit von Frauen kann der Astronom und promovierte Luft- und Raumfahrttechniker nur darin erkennen: »Die Mondphase ist aus einer Laune der Natur ähnlich lang wie der weibliche Zyklus, nämlich etwa 28 Tage. Da ist es logisch, dass es da zu Überschneidungen kommt.« So sei zu erklären, wieso Eisprung oder Periode nicht selten auf eine Vollmond- oder eine Neumondphase treffe.
Viele Vollmond-Mythen konnten durch wissenschaftliche Studien nicht belegt werden. Die Frage bleibt, wie hartnäckig sie sich dennoch weiter halten werden. (GEA)