ST. JOHANN/BAD URACH. Die alte Getreidemühle zwischen Bad Urach und Seeburg liegt zwar auf Uracher Gemarkung, gehört aber der Gemeinde St. Johann. Doch was tun mit dem jahrhundertealten Gebäude an der B 465? Vor Kurzem hat sich der Gemeinderat zu einem Ortstermin getroffen, um die Immobilie mit der Adresse »Georgenau 2« zu inspizieren.
Unten Tuffstein, oben gelber Putz mit der Aufschrift »Uracher-Alb-Gruppe«, dem Wasserversorgungsverband des Kispel. Lange Zeit bezog die Uracher Albgruppe ihr Wasser aus einer Quelle im Ermstal, das durch Wasserenergie vom Pumpwerk Georgenau in die Hochbehälter auf der Alb gepumpt wurde. Hierfür hatte die Albgruppe damals die Getreidemühle gekauft. In den 1970er Jahren wurde die Wasserversorgung modernisiert und das Pumpwerk stillgelegt. Vor nrund zehn Jahren wurde die Albgruppe aufgelöst und ihr Vermögen aufgeteilt. St. Johann entschied sich für die Mühle.
Bis heute gibt es eine Stromgewinnung von zehn Kilowattstunden, die sich laut Gemeinderat Albrecht Münch aber noch steigern ließe. Aktuell wird bei der Fair Energie eingespeist.
Im Erdgeschoss befindet sich auch das Mühleninventar mit Mahlwerk, Trichter und Transmissionen. Ein Museumsstück, das man für den Schaubetrieb wiederherstellen könnte? Bei einigen kommen angenehme nostalgische Erinnerungen auf, wie man früher mit den Großeltern zum Mehlholen ging.
Doch man müsste investieren, und die finanziellen Aussichten wären gering. Petra Rall bringt die Idee auf, zusätzlich ein Biosphärencafé zu etablieren, für das dann aber, so Bürgermeister Florian Bauer, ein privater Investor gefunden werden müsste. Immerhin befindet sich eine Bushaltestelle direkt vor der Haustür. In jedem Fall müsste zuerst ausgeräumt werden, denn neben der Technik stapeln sich meterhoch Möbel, ausgestopfte Tiere, Hausrat, Sättel, Kisten und Kasten. Was davon sind vielleicht echte Antiquitäten, was sind Flohmarktartikel, was ist Müll? Viele müssen erstmal schlucken, der Ruf nach den Helden der Fernsehserie »Trödeltrupp« und vielen Containern wird laut.
»Es waren eben mehrere Jahre Mieter hier und jeder hat was dagelassen«, erläutert Hansjörg Reiff, Sohn des ehemaligen Pächters, der die Gruppe führt. Bei der Wanderung durch das Gebäude, in dem man aufgrund der Größe leicht die Orientierung verliert, kommt der Gemeinderat an gut ausgestatteten Werkstätten und einer Schreinerei vorbei. Kein Zweifel – Handwerker könnten sich hier nach Herzenslust austoben. Immer neue Türen öffnen sich, auch Bodenluken. Die Keller darunter werden erstmal ausgespart.
Von außen betrachtet ist vor allem der Turm spektakulär, der auch eine Aussichtsstube mit Galerie besitzt und früher ein Umspannwerk war. Außen prangen Wappen, Terrassen laden zum Sitzen ein, die Fensterläden sind gestreift. Überall wird sichtbar, dass Ingenieur Harro Reiff wohl eine Affinität zum heimatlichen Schloss Leipheim besaß, wo er seine Schwester besuchte.
Im Mühlengarten teilt sich die Erms und bildet eine Insel. Über der Holzbrücke konstruierte Reiff ein Glockentürmchen wie überhaupt viel Fantasie, Aufwand und Liebe zum Detail deutlich werden. Im Fluss tummeln sich Forellen, Saiblinge und Biber, in der Umgebung gibt es genug Land, um sich gärtnerisch zu verwirklichen. »Es ist ein Paradies, aber man ist von morgens bis abends beschäftigt«, sagt Nachbar und Hausverwalter Karlheinz Schmid. Feucht sei das Gebäude nicht, »aber es muss halt jemand drin leben, heizen und lüften«. Früher sei in der Georgenau eine Menge los gewesen. »Sie gehörte meinem Urgroßvater Albert Deusch, der das Tal bewirtschaftete«, so Schmid. Die Mühle sei durch Pächter betrieben worden. Sie steht unter Denkmalschutz, was bei Plänen ebenfalls berücksichtigt werden müsste.
Im Hauptgebäude an der Bundesstraße hängen im ersten Stock noch Vorhänge an den Fenstern. Hier, im Wohnbereich, erwartet den Gemeinderat eine positive Überraschung nach der anderen und einigen entfährt spontan der Ausruf »Das kauf´ ich!«. In die Fenster wurden Butzenscheiben eingearbeitet, überall stehen herrliche Kachelöfen, die nostalgische Küche entführt in vergangene Zeiten, das Bad ist purer Luxus.
Der Gemeinderat steht nun vor der Entscheidung, was aus der besonderen Immobilie, von einigen als »Villa Kunterbunt« bezeichnet, werden soll. (GEA)