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Was Jugendliche Öko-Zeltlager in Oberstetten schaffen

Zeltlager des Bund Naturschutz Alb-Neckar (BNAN): 19 Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren campen und arbeiten derzeit bei Oberstetten.

Die 19 Jugendlichen, die derzeit eine Naturschutzfläche bei Oberstetten pflegen. bekamen hohen Besuch von Vertertern der Bundes-
Die 19 Jugendlichen, die derzeit eine Naturschutzfläche bei Oberstetten pflegen. bekamen hohen Besuch von Vertertern der Bundes- und Landespolitik. Foto: Marion Schrade
Die 19 Jugendlichen, die derzeit eine Naturschutzfläche bei Oberstetten pflegen. bekamen hohen Besuch von Vertertern der Bundes- und Landespolitik.
Foto: Marion Schrade

HOHENSTEIN-OBERSTETTEN. Wenn junge Menschen einfach mal so zwei Wochen ihrer Sommer(ferien)zeit in einem Work-Camp für den Naturschutz investieren, ist das aller Ehren wert. Nicht umsonst bekamen die elf Jungs und acht Mädels im Alter zwischen 14 und 20 Jahren in der zweiten Hälfte ihrer Zeltlagerzeit in Oberstetten hohen Besuch: Vertreter der Bundes- und Landespolitik sowie der Naturschutzbehörden ließen sich gerne erklären, was die Teilnehmer des »ÖZL« hier so tun und erleben. Hinter der Abkürzung steckt das Ökologische Zeltlager, das der Bund Naturschutz Alb-Neckar (BNAN) seit 50 Jahren organisiert. Lob und Anerkennung gab's unter anderem vom Bundestagsabgeordneten Michael Donth (CDU) und der Landtagsabgeordneten Cindy Holmberg (Grüne), die mit den Jugendlichen auch ins Gespräch kamen.

Die Mischung aus Zeltlager-Leben, Ausflügen und Arbeitseinsätzen in der und für die Natur kommt nach wie vor an, wie der BNAN-Ehrenvorsitzende Günter Künkele versicherte: Jedes Jahr melden sich junge Menschen aus ganz Baden-Württemberg an, um bei wechselnden Naturschutzprojekten unter fachkundiger Anleitung mit anzupacken. Neben einem Zeltlager-Betreuer-Team stehen den Jugendlichen auch zwei Männer vom Forst zur Seite: Revierförster Stefan Hägele und sein Vorgänger Ulrich Müllerschön, der nun im Ruhestand ist und sich als BNAN-Mitglied seinem Ehrenamt noch intensiver widmen kann.

Modellprojekt am Waldrand

Dieses Jahr hat der BNAN Neuland beschritten, wie der aktuell amtierende zweite Vorsitzende Albrecht Gorthner berichtete: Erstmals wurde ein Waldstück aufgelichtet und damit auch die alte Tradition der Waldweiden wieder aufgegriffen. Letztere sind, wie Andre Baumann, Staatssekretär im Landesumweltministerium, betonte, in Baden-Württemberg zwar nach wie vor verboten. Warum? Jahrhundertelang trieben die Bauern ihre Tiere - Schweine genauso wie Rinder, Schafe oder Gänse - in die Wälder. Die Folge waren »parkartig lichte Wälder«, die heute aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen nicht erwünscht sind - zumindest nicht flächendeckend, wie Baumann betonte.

Punktuell allerdings sind sie durchaus gern gesehen und auch offiziell genehmigt. In Hohenstein gibt es bereits seit einigen Jahren eine Rinder-Waldweide, jetzt kommt bei Oberstetten eine kleine Fläche, auf der Schafe und Ziegen weiden sollen, hinzu. Die Gründe dafür erläuterte Nadine Schmid, die das Projekt von Seiten der oberen Naturschutzbehörde im Regierungspräsidium betreut. Das Kiefernwäldchen nahe Oberstetten gehört dem BNAN, davor liegt ein Wacholderheidenbiotop. Zumindest, so Schmid, »war es so kartiert«. In der Realität sah'saber anders aus: Die Fläche war völlig zugewachsen und »fast verloren«, so Schmid. Schritt eins: Der Forst hat sie kräftig gelichtet . Schritt zwei: Familie Wagner, die die Schäferei als Hobby betreibt, hat ihre 16 Schafe und zehn Ziegen in den Pflegeeinsatz geschickt.

Schritt drei, an dem nun auch die Jugendlichen beteiligt sind: »Der Waldrand wird stufig aufgebaut«, so Nadine Schmid. Anstatt der harten Übergänge zwischen Wald und Offenland, wie sie heute der Normalfall sind, soll es einen fließenden Übergang geben. Die Camp-Teilnehmer »putzen« den Wald - sie sammeln das, was früher die »Waldweiber«, so Schmid, als Feuerholz geholt haben. Außerdem haben sie die »Sandlöcher« vom Moos befreit. Entstanden sind die Sandlöcher ebenfalls in früheren Zeiten, als nicht nur das Holz, sondern auch das Dolomitgestein Verwendung in den Haushalten fand. »Die Leute haben den Stubensand hier geholt, um ihre Holzböden damit zu scheuern«, erklärte Andre Baumann.

Urfarne und »heilige Scheiße«

Das große Ziel aller Bemühungen: Der Walrandbereich soll lichtdurchlässiger werden und damit wieder Lebensräume für Arten bieten, die's sonst schwer haben. Dazu gehört der blauschwarze Eisvogel, ein Schmetterling, genauso wie die Mondraute. Das Urfarn-Gewächs ist so klein und unscheinbar, dass man es beinahe übersieht. Seit den Pflegearbeiten hat es sich aber schon erfreulich ausgebreitet, so Günter Künkele. Die Mondraute, weiß Staatssekretär Baumann, der auch Botaniker ist, liebt nährstoffarme Böden. Für andere Arten wiederum ist die »heilige Scheiße« der Weidetiere - »das dürfen Sie so schreiben«, betonte Baumann augenzwinkernd - ein Segen. Bestimmmte Vogelarten, die an Waldsäumen heimisch waren, seien mit dem Ende der Waldweiden verschwunden. Warum? Weil ohne den Dung der Nutztiere auch bestimmte Insektenarten nicht überlebt haben, erläuterte Baumann die großen Zusammenhänge im Ökosystem.

Der Staatssekretär hob den hohen ökologischen Wert des reaktivierten Biotops hervor. »Kalkmagerrasen spielen in derselben Liga wie die Reisterrassen auf Bali. Ich bin froh, dass sie als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt sind.« Um Flächen wie diese zu erhalten, sei es unerlässlich, die Schäferei auch weiterhin nach Kräften zu fördern. Und auch der BNAN wird für seine Jugendarbeit vom Land und seinem Naturschutzfonds bedacht- mit jährlich mindestens 4.000 Euro. Nur so, betonte Pia Schmidgall vom Betreuungsteam des Zeltlagers, sei es möglich, dass jeder Teilnehmer gerade mal 78 Euro bezahlt - für alles. Auch Jugendliche aus sozial schwachen Familien sowie Flüchtlinge können deshalb dabei sein. Zum Paket gehören neben voller Verpflegung - das Essen von Lagerkoch Michi Klenk wurde einhellig sehr gelobt - auch etliche Ausflüge und Programmpunkte. Eine Fahrt nach Ulm, Bastel-Workshops, ein Casino-Abend, ein Badetag in Albstadt und vieles mehr sorgten für Entspannung zwischen den anstrengenden Arbeitstagen im Wald. (GEA)