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Warten auf die Geburtsurkunde: Ehepaar von der Alb drohen große Probleme

Das zweite Kind ist da, das Haus im Bau, Kinder-, Eltern- und Mutterschaftsgeld sind fest eingeplant. Aber wenn das zuständige Standesamt die Geburtsurkunde nicht erstellt, kommt man an die Euros nicht heran.

Die Kleine ahnt noch nichts vom deutschen Amtsschimmel.
Die Kleine ahnt noch nichts vom deutschen Amtsschimmel. Foto: dpa/Pleul/dpa
Die Kleine ahnt noch nichts vom deutschen Amtsschimmel.
Foto: dpa/Pleul/dpa

KREIS REUTLINGEN. Das junge Paar von der Alb, das anonym bleiben möchte, macht eigentlich alles richtig. Das erste Kind ist zwei Jahre alt, das Einfamilienhaus im Bau. Die Mutter kann schnell wieder in Teilzeit arbeiten, so ist das Bauprojekt zu stemmen. Dann wird die Mutter wieder schwanger, immer noch kein Problem: Es gibt ja staatliche Mittel für junge Familien. Mit Kinder-, Eltern- und Mutterschaftsgeld wären das für eine gewisse Zeit 1.600 Euro im Monat, die Baufinanzierung wäre also nicht gefährdet. Und die Mutter will so schnell wie möglich wieder zurück zu ihrem Arbeitgeber. Nur: Auch zwei Monate nach der Geburt der kleinen Tochter ist noch kein Geld geflossen.

Wo hängt's? Das Paar ist verheiratet, beide sind deutsche Staatsbürger, eigentlich sollte so ein Stück Papier kein Problem sein. Das Mädchen wurde in der Filderklinik geboren, für die Geburtsurkunde ist das Standesamt in Filderstadt zuständig. Das arbeitet allerdings nur mit halber Kraft, statt vier sind dort schon einiger Zeit nur zwei Mitarbeiter zugange, hat die junge Mutter erfahren. Für die Geburtsurkunde des ersten Kindes hat das Amt zwei Wochen gebraucht, erzählt sie. Jetzt könne es etwas länger dauern, warnte das Standesamt. Dann dauert es eben vier Wochen, habe sie sich gesagt.

Doch auch nach sechs Wochen lag noch keine Urkunde im Briefkasten. Acht bis zehn Wochen könnten es werden, wurde sie vertröstet, laut Gesetz dürften es sogar drei Monate sein. Die Kindergeldstelle weiß wohl nichts von den Schwierigkeiten auf den Fildern: Die Familie bekam eine Frist bis Mitte November gesetzt, bis zu der sie die Geburtsurkunde einreichen sollte. Sonst werde der Antrag auf Kindergeld abgelehnt - und das gibts bis der Nachwuchs flügge ist, da kommt was zusammen. Immerhin zeigte die Stelle Verständnis und gab sich mit der Geburtsanzeige zufrieden. Von der L-Bank, für das Elterngeld zuständig, hat das Ehepaar noch nichts gehört, weder ja noch nein. Auch vom Mutterschaftsgeld nicht. Das kommt von der Krankenkasse und da stellt sich den Eltern die Frage, ob das Kind überhaupt krankenversichert ist.

Zu viel Aufwand fürs Bürgergeld

Wer beim Häuslebauen ist, kann ein Lied davon singen: Am Monatsende ist das Konto leer, und wenn mal nicht, kommt sicher eine nicht eingeplante Handwerkerrechnung ins Haus. Die Mutter informiert sich also über Alternativen. Ein Kredit oder das Bürgergeld werden ihr vorgeschlagen. Einen Kredit will das Paar eigentlich nicht beantragen, auch wenn die Tilgung kein Problem sein sollte, sobald die Geburtsurkunde vorliegt. Aber bei der Bank steht man wegen des Bauprojekts eh schon tief in der Kreide. Also macht die junge Frau erst einmal einen Vorstoß in Sachen Bürgergeld.

Bei der Agentur für Arbeit bekommt sie einen Termin, also mit zwei Kindern ab in die Kreisstadt. Und erlebt eine Überraschung: Auf die drei wartet eine Powerpoint-Präsentation im größeren Kreis über »Wiedereinstieg in ein Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit«. Das braucht die Frau nicht, ihr Arbeitgeber wartet ja auf sie. Und die Kinder hatten auch schon spannendere Vormittage. Es folgten ein weiterer Ausflug nach Münsingen und Reutlingen zur Agentur, es wurde aber schnell klar, dass sich der Aufwand für 300 Euro Bürgergeld pro Monat für eine kurze Zeit nicht lohnen würde. Immerhin: Die Agentur hält es für möglich, ihrerseits einen Kredit zur Überbrückung bis zum Eingang der überfälligen Zahlungen zu gewähren.

Personalengpass auf dem Standesamt

Die junge Mutter hat Verständnis für die Filderstädter Standesbeamtinnen, »die beiden können ja auch nichts dafür«. Tobias Blessing, Leiter des Ordnungsamts in Filderstadt, erklärt die Verzögerungen: Seit August fehlten tatsächlich zwei Standesbeamtinnen. Beurkunden dürfen nur »fachlich ausgebildete Standesbeamte«, die regelmäßig an Schulungen teilnehmen müssen. »Wir können also nicht einfach jemand aus einem anderen Amt dafür einsetzen«, bedauert Blessing. Zur Entlastung der beiden Fachfrauen helfen - bei allem, wo es möglich ist - Mitarbeiter aus dem Bürgerbüro aus. Dadurch wurde immerhin vermieden, dass die Urkunden-Altlasten nicht weiter anwachsen. Blessing hat sich auch mit den Kollegen in den Nachbarkommunen über »Leihkräfte« unterhalten, aber bei denen sei die Personallage auch nicht rosig. Die Filderklinik hat bei Geburten einen Ruf über die Stadtgrenzen hinaus: »Wir beurkunden pro Jahr 2.500 Geburten, 50 pro Woche, egal ob es stürmt oder schneit«, sagt Blessing. Filderstadt hat deswegen zwei Stellen auf dem Standesamt ausgeschrieben, egal ob und wann die erkrankten Mitarbeiter wieder zurückkommen.

Besser einen Puffer anlegen

Den Arbeitsamtskredit werden die Älbler wohl nicht benötigen. Die Geburtsurkunde sei unterwegs, sagte Ordnungsamtsleiter Blessing dem GEA. Und tatsächlich ist sie inzwischen angekommen. Das ist eine gute Nachricht, auch wenn die finanzielle Durststrecke des Ehepaars damit noch nicht überwunden sein wird. Denn nun gilt es ja, die zahlenden Stellen in Bewegung zu bringen. Das Paar rät daher werdenden Eltern, damit zu rechnen, dass nicht immer alles so glatt und schnell geht, wie eigentlich erwartet. Und wenn möglich einen finanziellen Puffer anzulegen. Immerhin: Der kleinen Tochter geht es prächtig und die teure Erstausstattung vom Kinderwagen bis zu Babykleidern kann sie von ihrer Schwester übernehmen. (GEA)