HOHENSTEIN. Der Waldbegang gehört zu den Standard-Terminen im Kalender der Alb-Gemeinden, für die die Forstwirtschaft eine wichtige Einnahmequelle ist. In Hohenstein ging’s dieses Mal allerdings nur am Rande um Einschlagmengen und die Lage auf dem Holzmarkt – die Zahlen fürs Jahr 2023 waren überwiegend erfreulich und schnell abgehandelt (siehe Info-Box). Im Vordergrund standen zwei aktuelle Projekte, auf die Revierförster Stefan Hägele und Jana Kohler vom Kreisforstamt an zwei exemplarischen Stellen im Hohensteiner Wald eingingen.
Erste Station: Der Erdbeerberg zwischen Ödenwaldstetten und Eglingen. Gemeinsam mit dem angrenzenden Hummelberg soll dieser Bereich als Kernzone ausgewiesen werden – zumindest wollen Forst und Gemeinde das der Biosphärenverwaltung so anbieten. Derzeit geht’s für die Gemeinden, die sich, wie Hohenstein, um einen Beitritt bewerben, um die Details. Ein ganz zentraler Punkt sind die Kernzonen. Waldbereiche also, die künftig aus der Bewirtschaftung genommen werden und sich so in die Urwälder von morgen verwandeln. »Man muss verinnerlichen, dass nichts verloren geht – es entwickelt sich etwas Neues«, zeigte sich Hägele offen für dahinter stehende Idee.
Wanderweg darf bleiben
Wichtig zu wissen: Kernzonen dürfen, wenn sie erst mal als solche ausgewiesen sind, nicht mehr bewirtschaftet werden. Deshalb will Hägele noch bevor es so weit ist den Fichtenbestand am Erdbeerberg deutlich ausdünnen, »um das Borkenkäferrisiko zu entschärfen«, wie er sagte. So soll auch die Gefahr eines Befalls im angrenzenden Privatwald gebannt werden. Der neue Gesundheitswanderweg der Gemeinde führt teilweise ebenfalls durch die potenzielle Kernzone, er darf so bleiben, wie er ist, betonte Hägele.
Die wirtschaftlichen Einbußen, die durch die Stilllegung entstehen, sind für Hägele vertretbar und gerechtfertigt – bis zu einem gewissen Punkt. Forstverwaltung und Gemeinde haben sich gemeinsam auf die Suche nach möglichen Kernzonen gemacht, die sie der Biosphärenverwaltung vorschlagen wollen. Das Problem: Gemeinden auf der Albhochfläche haben es generell schwieriger, wirtschaftlich wenig attraktive Standorte zu finden als die Nachbarn am Trauf, die ohne größere Not Waldflächen in Steillagen als Kernzonen ausweisen können, die ohnehin kaum oder nur mit großem Aufwand bewirtschaftet werden können. Die Kernzonen tun Hohenstein also mehr weh als anderen Kommunen. Dass etliche Waldstücke, wie Bürgermeister Simon Baier anmerkte, zudem nicht im Besitz der Gemeinde, sondern der Holzkassen und damit in privater Hand sind, machte die Suche nicht einfacher.
SO WAR DAS FORSTWIRTSCHAFTSJAHR 2023
Einnahmen aus Holzverkauf mehr als doppelt so hoch wie geplant
Extremes Wetter und Schädlinge: Etliche negative Faktoren haben das Forstwirtschaftsjahr 2023 in Hohenstein geprägt. Vor allem ab Juni war der Wurm drin: Durch die erste Hitzewelle entwickelte sich die Borkenkäferpopulation rasant, im Sommer und Herbst mussten rund 400 Festmeter Käferholz geschlagen werden. Die Sommerstürme im Juli und vor allem im August richteten in Hohenstein zwar, verglichen mit anderen Gemeinden, eher geringe Schäden an. Dennoch: Vor allem im Bereich Meidelstetten fiel Sturmholz an, in Summe rund 400 Festmeter. Auch das Eschentriebsterben zwang die Forstleute zu entsprechenden Fällungen, sodass sich der Anteil der »zufälligen Nutzung« auf 26 Prozent des Gesamteinschlags summierte. Das ist ein Wert, der deutlich über denen der Jahre 2022 (8 Prozent) und 2021 (12 Prozent) liegt. Ab Sommer fielen die Preise erheblich, weil so viel Sturmholz auf den Markt kam. Die Hohensteiner fällten deshalb weniger Fichten als ursprünglich vorgesehen: Geplant waren 7.500 Festmeter, geworden sind es letztlich 6.618 (das entspricht einer Vollzugsquote von 88 Prozent). Glück im Unglück: Vor dem Sturm war die Marktlage noch so gut, dass der Forst stattliche Gewinne abwarf. Mit rund 252.000 Euro war das Jahresergebnis deshalb trotz der Widrigkeiten mehr als doppelt so hoch wie der Planansatz (109.000 Euro). »2024 wird’s wieder schwieriger, die Preise sind weiter gefallen«, gab Revierförster Stefan Hägele einen Ausblick. (ma)
Das Ergebnis: Beide Vorschläge für Kernzonen – infrage kommen nur größere zusammenhängende Flächen, so Hägele – liegen im Eglinger Wald. Die Fläche am Erdbeer- und Hummelberg ist 35 Hektar groß, hinzu kommen rund 18 Hektar im Wald zwischen Eglingen und Wasserstetten. Damit ist Hohenstein rein rechnerisch, so Hägele, »noch ein gutes Stück«, entfernt von dem, was das Biosphärengebiet sozusagen als Eintrittspreis fordert. Kommunen, die neu hinzukommen, sollen 3,5 Prozent ihrer Beitrittsfläche als Kernzone ausweisen, ging Bürgermeister Simon Baier ins Detail. Weil auch der Staatsforst mitmacht, verringert sich der Anteil in Hohenstein auf 2,5 Prozent. Bei 6.000 Hektar Beitrittsfläche (davon sind rund 1.000 Hektar Gemeindewald) stehen unterm Strich aber immer noch 150 Hektar, die Hohenstein als Kernzone einbringen sollte. Drei Mal so viel also wie sie derzeit anzubieten hat. Der Schritt: »Wir verhandeln mit der Biosphärenverwaltung darüber«, sagte der Bürgermeister. Spielräume sieht er durchaus, Baier wirft andere Vorzüge der Gemeinde in die Waagschale: »Wir haben viele weitere attraktive Flächen, die naturschutzfachlich interessant sind.« Revierförster Hägele hatte die Zahl dazu parat: Hohenstein hat 250 Hektar Naturschutzgebiet zu bieten und liege damit, gemessen an der Gesamtgemeindefläche, über dem Durchschnitt. Möglich wäre auch, dass es nur ein Teil der Gemarkung ins Biosphärengebiet schafft – Ziel sei es allerdings, mit der gesamten Fläche beizutreten, so Baier.
Ein zweites Thema veranschaulichten die Forstfachleute im Auchtert bei Bernloch. Hohenstein beteiligt sich am Bundesförderprogramm klimaangepasstes Waldmanagement, das Jana Kohler vom Kreisforst durchweg lobte: »Es ist unglaublich unbürokratisch, einfach zu beantragen und gut zu erfüllen.« Mitmachen können übrigens nicht nur Kommunen, sondern auch Privatwaldbesitzer, solange ihr Wald die Mindestgröße von einem Hektar erfüllt.
Einzuhalten sind zwölf Kriterien, die Grundvoraussetzung ist – ganz ähnlich wie bei den Kernzonen fürs Biosphärengebiet – die Stilllegung von Wirtschaftsflächen. Fünf Prozent der Waldfläche sollen aus der Nutzung genommen werden. Allerdings muss es hier – im Unterschied zu den Kernzonen – keine zusammenhängende Fläche sein. 29 »kleine Ecken« hat Stefan Hägele gefunden, die in Summe 50 Hektar ergeben. »Pro Hektar und Jahr gibt’s 100 Euro vom Bund, das ist eine ordentliche Menge Geld. Die Einnahmen sind also mit denen aus dem Holzverkauf zu vergleichen«, schilderte Jana Kohler die wirtschaftlichen Vorteile.
Wertvolles Totholz
Zu den zwölf Kriterien gehört beispielsweise, dass die Förster auf Naturverjüngung und heimische Baumarten setzen. Die Fichte, skizzierte Hägele den Plan für Hohenstein, wird nicht von heute auf morgen verschwinden, die Bestände sollen aber mit anderen Arten durchmischt werden. Die Buche, glaubt er, werde zumindest in näherer Zukunft der Hauptbaum auf der Alb bleiben.
Einen Aspekt hob Hägele besonders hervor: Der Förster muss Habitatbäume ausweisen, fünf pro Hektar, insgesamt also 4.500. Als Habitatbaum gilt ein lebender oder toter Baum, der mindestens ein »Mikrohabitat« trägt. Darunter versteht man kleinräumige oder speziell abgegrenzte Lebensräume, die durch Verletzungen, Aktivitäten von Tieren oder Pflanzen, Wuchsstörungen oder Eigenarten des Baumes bedingt werden. Beispiele sind Flechten, Rindentaschen nach Blitzschlag, Spechthöhlen, Efeu- oder Pilzbewuchs. Im Auchtert konnte Hägele ein paar echte Paradebeispiele, stehende und liegende Totholzbäume, zeigen. »Ich kriege immer mal wieder Anrufe, dann wird gefragt: Kann das raus?« Hägeles Antwort: »Nein, das bleibt im Wald, im Kreislauf der Natur.« (GEA)