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Aktuell Vorsorge

Spatenstich für Hochwasserschutz: Erpfinger Damm wird gebaut

Elf Jahre ist es her, als Erpfingen unter Wasser stand. Ein Ereignis, das nicht häufig vorkommt. Die Gemeinde Sonnenbühl hat ihre Lehren daraus gezogen, sich mit acht anderen Kommunen zum Zweckverband Hochwasserschutz Laucherttal zusammengeschlossen und nun mit dem Bau eines riesigen Hochwasserrückhaltebeckens samt Damm in Erpfingen begonnen.

Offizieller Spatenstich: Das Hochwasserrückhaltebecken in Erpfingen wird gebaut.
Offizieller Spatenstich: Das Hochwasserrückhaltebecken in Erpfingen wird gebaut. Foto: Cordula Fischer
Offizieller Spatenstich: Das Hochwasserrückhaltebecken in Erpfingen wird gebaut.
Foto: Cordula Fischer

SONNENBÜHL. Nieselregen setzt ein. Auch wenn das bei acht Grad unwirtliche Bedingungen sind, erinnert an der Baustelle unterhalb der Kreisstraße 6767 nichts daran, wie es hier vor fast genau elf Jahren aussah. Die Naturkatastrophe von in Sonnenbühl bisher nicht dagewesenem Ausmaß verursachte von Freitag auf Samstag, 31. Mai auf 1. Juni 2013, verheerende Schäden in Erpfingen. Nach tagelangem Regen war die Aufnahmekapazität des Karstbodens erschöpft. Und ab dem 30. Mai hatte es auf der Reutlinger Alb so viel geregnet wie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen nicht. Das Wasser sammelte sich in den Trockentälern, Stauseen entstanden, manche mit einer Wassertiefe von 1,50 bis 1,80 Metern. Auch bei der Wetterstation im Rinnental, die nur noch per Schlauchboot erreichbar war, hatte sich ein See gebildet, dessen Massen sich schließlich ins Höllental und als breiter Fluss bis nach Erpfingen ergossen. Die Erpf und die Lauchert traten über die Ufer, zahlreiche Keller wurden überflutet. Stromabwärts stiegen die Pegelstände an der Lauchert immer weiter, auch in den anliegenden Orten richteten die Wassermassen massive Schäden an.

Vom Bach zum Strom: die Erpfmündung beim Hochwasser im Juni 2013.
Vom Bach zum Strom: die Erpfmündung beim Hochwasser im Juni 2013. Foto: Meyer Jürgen
Vom Bach zum Strom: die Erpfmündung beim Hochwasser im Juni 2013.
Foto: Meyer Jürgen

Für die sonst eher wasserarme Alb war das ein Jahrhundertereignis. Damals seien alle, die betroffen waren, ungläubig herumgelaufen, niemand habe sich daran erinnern können, so etwas je erlebt gehabt zu haben, sagt Bürgermeister Uwe Morgenstern. Zum Glück habe es keine schwer verletzten Menschen gegeben, auch kam niemand ums Leben. Und so schnell, wie das Wasser kam, war es aus dem Höllental auch wieder verschwunden, schon am Sonntagabend, spätestens am Montag war der See, der sich dort gebildete hatte, wieder verschwunden.

Großes Einzugsgebiet der Lauchert wurde untersucht

»Gegen solche Naturgewalten kann es nie einen hundertprozentigen Schutz geben«, sagt Uwe Morgenstern. Aber im Sinne der Katastrophenvorsorge musste die Gemeinde handeln. All das nahm viel Zeit in Anspruch. Nicht nur in Sonnenbühl. 2014 bildete sich eine interkommunale Arbeitsgruppe aus Gemeinden, die im Einzugsgebiet der Lauchert liegen. Das Büro Winkler und Partner aus Stuttgart hat dieses 456 Quadratkilometern große Areal untersucht, daraus ergaben sich Strategien für den Hochwasserschutz. Nachdem Veringenstadt 2015 noch einmal von Hochwasser betroffen war, daran erinnert Bürgermeister Maik Rautenberg, haben sich neun Lauchert-Anrainergemeinden dazu entschlossen, sich im Zweckverband Hochwasserschutz Lauchert zusammenzuschließen, der 2021 gegründet wurde und dessen Vorsitzender Rautenberg ist. Dadurch wird es möglich, dass Bingen, Burladingen, Gammertingen, Hettingen, Neufra, Sigmaringen, Trochtelfingen, Veringenstadt und eben Sonnenbühl bei der Umsetzung ihrer Hochwasserschutzprojekte in den Genuss einer höheren Förderung vom Land kommen.

Roland Hummel musste 2013 mit dem Schlauchboot zu seiner Wetterstation im Rinnental paddeln.
Roland Hummel musste 2013 mit dem Schlauchboot zu seiner Wetterstation im Rinnental paddeln. Foto: Roland Hummel
Roland Hummel musste 2013 mit dem Schlauchboot zu seiner Wetterstation im Rinnental paddeln.
Foto: Roland Hummel

Und das ist für das Sonnenbühler Projekt ein Segen. Wo sich 2013 unterhalb der Kreisstraße 6767 in Erpfingen der riesige See bildete, wird nun ein Hochwasserrückhaltebecken gebaut. Kosten: rund 1,4 Millionen Euro. Etwa 70 Prozent trägt das Land, den Rest die Gemeinde. Es ist das erste Projekt im Zweckverband, das auf Grundlage der Flussuntersuchung umgesetzt wird. »Es ist für uns am Oberlauf der Lauchert einfacher, so eine Maßnahme umzusetzen«, sagt Uwe Morgenstern. Im Ortsgebiet, etwa von Veringenstadt, sei das schon schwieriger, sagt Maik Rautenberg. Es geht um Beseitigung von Engpässen wie etwa niedrige Brücken oder Anschwemmungen, Bau von Mauern oder Deichen und Rückhaltebecken. Wie wichtig diese Maßnahmen seien, habe gerade erst das Hochwasser in Bisingen vom 2. Mai gezeigt, sagt Morgenstern.

»Es ist ein Eingriff in die Landschaft, aber der Damm wird begrünt und fügt sich in die Landschaft ein«

Die Erpfinger dürften sich freuen, dass elf Jahre nach der Katastrophe endlich mit dem Bau des Rückhaltebeckens begonnen wurde, ebenso die stromabwärts liegenden Anrainer-Kommunen. Obwohl auch schon kritische Stimmen laut wurden, weil für den Bau ein Heckenbiotop weichen musste. Durch Ausgleichsmaßnahmen wird das aber kompensiert. »Ja, es ist ein Eingriff in die Landschaft«, sagt Nina Winkler, Geschäftsführerin des Büros Winkler und Partner, »aber der Damm wird begrünt und fügt sich in die Landschaft ein.«

»Mit dem Hochwasserrückhaltebecken haben wir nun direkt vor Erpfingen quasi eine riesige Badewanne«

Denn das Becken muss groß sein, einem hundertjährigen Hochwasser - wann immer es auftritt - standhalten, und der Damm wurde noch ein Stück höher geplant, ein Puffer wegen der Klimaveränderungen. »Mit dem Hochwasserrückhaltebecken haben wir nun direkt vor Erpfingen quasi eine riesige Badewanne«, sagt Morgenstern mit einem Augenzwinkern, konkretisiert aber die Dimensionen mit den Fakten: Das Becken hat ein Einzugsgebiet von 22,4 Quadratkilometern, verfügt über 9,2 Hektar Überflutungsfläche und kann mit einer maximalen Stauhöhe von 4,8 Metern ein Volumen von 194.000 Kubikmetern aufnehmen. Außerdem wird in den 4,8 Meter hohen, vier Meter breiten und 50 Meter langen, abgeflachten und überströmbaren Damm ein Durchlassbauwerk eingebaut, durch das 1,2 Kubikmeter pro Sekunde abfließen können.

Die Dimensionen des Hochwasserrückhaltebeckens sind enorm.
Die Dimensionen des Hochwasserrückhaltebeckens sind enorm. Foto: Cordula Fischer
Die Dimensionen des Hochwasserrückhaltebeckens sind enorm.
Foto: Cordula Fischer

Der offizielle Spatenstich ist gemacht, die Firma Flammer aus Mössingen hat mit dem Becken- und Dammbau losgelegt. Bis Ende des Jahres soll alles fertig sein, und die Erpfinger dürfen sich geschützt fühlen. Und nicht nur das: Der Bau mindert auch die Nachteile der Lage in dem Überschwemmungsgebiet der Kategorie HQ 100. HQ 100 – das steht für Gebiete, in denen statistisch einmal in 100 Jahren ein Hochwasser zu erwarten ist. Wer darin wohnt, hat es schwer, eine Versicherung zu finden oder zahlt dafür horrende Beiträge. Wenn auch niemand vorhersagen kann, wann ein Jahrhunderthochwasser auftritt, extreme Wetterlagen und Starkregen nehmen zu. »Wir werden nach der Fertigstellung des Rückhaltebeckens mit einem ruhigeren Gefühl den Jahreszeiten entgegensehen, in denen mit Hochwasser zu rechnen ist«, sagt Uwe Morgenstern. (GEA)