SONNENBÜHL. Kaum ist noch zu zählen, wie viel Zeit ins Land gegangen ist, ohne dass Sonnenbühl das digitale Steinzeitalter verlässt. Das Backbonenetz – also die Verbindung zwischen den Ortsteilen – hat die Gemeinde mit der Breitbandversorgungsgesellschaft im Kreis Sigmaringen (BLS) ausgebaut. Als es um den weiteren Ausbau mit Glasfaser bis ins Haus ging, hat die Gemeinde Förderbescheide von Land und Bund für den Weiße-Flecken-Ausbau, also die ganz unterversorgten Gebiete – erhalten. Gestartet sind die Kabelverlegearbeiten aber nicht. Und bei den grauen Flecken ist Sonnenbühl gar nicht weitergekommen. Nun wendet die Gemeinde ihrem bisherigen Partner beim Breitbandausbau, der BLS, den Rücken zu. In der jüngsten Gemeinderatssitzung wurde entschieden, dass der Glasfaserausbau der weißen und grauen Flecken an die OEW Breitband GmbH übertragen wird.
310.000 Euro verloren
Sonnenbühl ist nicht die erste Gemeinde, die nach dem plötzlichen Stopp des Bund-Länder-Förderprogramms für die grauen Flecken im Oktober 2022 in Schwierigkeiten geraten ist. Zwar erhielt die Kommune für den Weiße-Flecken-Ausbau Förderzusagen über rund 2,6 Millionen Euro vom Bund und circa 2,08 Millionen Euro vom Land, hat damit aber noch nicht begonnen, denn die BLS kann das damals angedachte Finanzierungsmodell nicht umsetzen, die Zinsentwicklung hat dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Gemeinde hat allerdings bereits planen lassen und 310.000 Euro ausgegeben. Diese Summe wird sie nicht zurückbekommen.
Die Gemeinde hat deshalb Kontakt mit der OEW Breitband GmbH aufgenommen. So, wie es Trochtelfingen auch getan hatte, die Stadträte haben dort im Juni einen Wechsel des Partners beschlossen. Maximilian Weger stellte dem Sonnenbühler Gemeinderat vor, was die OEW zu bieten hat: Für die Gemeinde besteht kein finanzielles Risiko, sie beteiligt sich nicht finanziell am Ausbau, die Förderbescheide gehen an die OEW über und sie übernimmt auch den Eigenanteil der Gemeinde. Dafür wäre das Netz aber – anders als bei der Kooperation mit der BLS – nach dem Bau im Besitz der OEW, die Pachteinnahmen fließen ebenfalls an das Unternehmen. Und die OEW, ein Zusammenschluss mehrerer kommunaler Breitbandverbände – unter anderem gehört auch die BLS dazu – schreibt die Projekte in größeren Clustern aus, sodass die Wahrscheinlichkeit sich erhöht, einen sogenannten Generalübernehmer (GÜ) zu finden, der das Vorhaben von der Planung bis zum Bau abwickelt.
»Wir sind keine Telekommunikationsspezialisten im Rathaus, der Aufwand wird immer größer«, sagt Bürgermeister Uwe Morgenstern. In der Zusammenarbeit mit der OEW sieht er den richtigen Weg. Fahnenflucht begeht Sonnenbühl damit aber nicht bei der BLS: Die Gemeinde bleibt dort Gesellschafter. Kämmerer Sebastian Herrmann sieht das genauso, zumal die Gemeinde nicht die finanziellen Mittel habe, um den Ausbau der weißen und grauen Flecken mit einem Volumen von 20 Millionen Euro voranzutreiben. Und auch bei der weiteren Zusammenarbeit mit der BLS bliebe immer die Frage, wie viel Pacht und Nutzungsentgelt am Ende nach 30 Jahren tatsächlich zurückfließen.
Die Kommunen können sich finanziell und organisatorisch auf ihre Hauptaufgaben fokussieren, sagt Maximilian Weger, wenn sie den Weg gemeinsam mit der OEW gehen, die ihnen die Breitbandplanung, Antragstellung und den Ausbau abnimmt. Mit 104 Gemeinden habe die OEW bereits Kooperationsvereinbarungen geschlossen.
Zwar könnte Sonnenbühl mit dem Ausbau der weißen Flecken beginnen, aber die OEW wird eine Vereinbarung mit der Gemeinde nur eingehen, wenn sie das Kombipaket aus weißen und grauen Flecken übernehmen kann. Beim neuen Förderprogramm für die grauen Flecken, aus dessen Topf als erste Gemeinde im Landkreis Reutlingen die Stadt Hayingen Geld bekommen hat (siehe Bericht nächste Seite), kommt der Antragsteller zuerst zum Zuge, der am schlechtesten versorgt ist. Das wird nach einem Punktesystem errechnet. Ein kompliziertes Verfahren, sagt Weger. Es ist nicht absehbar, wann und ob ein Sonnenbühler Antrag bewilligt wird, denn die Gemeinde sei relativ gut versorgt. Wichtig sei es dennoch, jetzt einen Förderantrag zu stellen.
Verzögerung unumgänglich
Außerdem muss die OEW noch über die Netzbetriebsvereinbarung mit der BLS verhandeln. Wenn alles glatt geht, sieht der unter Vorbehalt aufgestellte Zeitplan aus, dass ein Generalübernehmer mit Planung und Bau im dritten Quartal 2025 möglicherweise beginnen könnte. Diese zeitliche Verzögerung ist nicht im Sinne der Gemeinde, sie ist für Bürgermeister Uwe Morgenstern unumgänglich und verschmerzbar beim Angebot der OEW für einen Vollausbau. Der Gemeinderat hat einstimmig beschlossen, dass die OEW den Breitbandausbau in Sonnenbühl übernehmen soll. (cofi)