MÜNSINGEN/LICHTENSTEIN/SONNENBÜHL. Früher war alles besser. Auch die Wintersportbedingungen – oder? Klar ist: Der Klimawandel spielt eine Rolle, Skihänge bleiben immer öfter grün oder müssen aufwendig und nicht gerade umweltfreundlich mit Schneekanonen präpariert werden. Das ficht sogar »richtige« Skigebiete an, die unterm Schwund in jeder Hinsicht leiden: Schnee, Besucher, Geld – von allem ist zu wenig da. Schönau am Königssee zieht deshalb als erstes Skigebiet in den bayerischen Alpen Konsequenzen: Die Pisten sind Geschichte, die Bergbahn läuft aber trotzdem weiter, allerdings nur für Wanderer, die schon längst zahlreicher kommen als die Wintersportler.
Das ist auf der Alb ganz ähnlich. Generationen – nicht nur von Älblern, sondern auch Tälesbewohnern – haben hier Skifahren gelernt. Viele der kleinen Lifte – in Münsingen-Apfelstetten oder im Seetal bei Münsingen-Rietheim zum Beispiel – wurden schon vor Jahren abgebaut. Zum Ende des vergangenen Jahres teilten dann auch die Betreiber des Salzwinkel-Lifts bei Römerstein-Zainingen mit: »Wir machen nicht weiter.« Und auch der Münsinger Lift an den Ziegelhäusern ist dauerhaft geschlossen. Der SV Auingen, der ihn bisher betrieben hat, hat die Segel gestrichen.
Letzter guter Winter in Dottingen noch nicht lange her
Andere kämpfen mit neuen Strategien und Ideen um eine Zukunft. Wie beispielsweise die Dottinger Skilift GbR, deren Geschäftsführer Thomas Buck schon lange weiß: Mit Wintern, in denen es kaum oder keinen Schnee und null Skitage gab, musste man auf der Alb schon immer rechnen. Der Dottinger Skilift wurde im Januar 1971 eröffnet – und lief in seiner ersten Saison keinen einzigen Tag. Dafür wurden zwischen 30. Dezember 1971 und 21. April 1973 insgesamt 88 Betriebstage gezählt. Das ist bis heute Rekord.
Der letzte gute Winter ist noch gar nicht so lange her, 2018/2019 konnte man an 38 Tagen Skifahren in Dottingen – und im Folgejahr an keinem einzigen. Insofern ist der aktuelle Winter keine totale Katastrophe, zumal er ja auch noch nicht ganz vorbei ist. Wintertage gibt’s auf der Alb auch noch im März. Im Dezember 2023 schneite es ordentlich, insgesamt 14 Skitage und 2.500 Besucher stehen in der Dottinger Statistik. »Von 29. November bis 9. Dezember hatten wir sogar durchgehenden Liftbetrieb«, sagt Thomas Buck. Dann kam der große Regen, der das Winterwunderland ganz schnell abtaute.
Grundsätzlich beobachtet Buck, auch wenn’s auf der Alb schon immer Schwankungen gab, eine Tendenz zu immer milderen Wintern und Extremen. »Da fällt innerhalb kurzer Zeit ein halber Meter Schnee – und dann ist er auch ganz schnell wieder weg.« Längere Perioden, die Temperaturen verlässlich unter der Null-Grad-Grenze boten, gebe es kaum mehr. Die Umstände erfordern schnelle Reaktionen, in Dottingen hat das gut geklappt: »Heute entscheiden, morgen fahren – das geht«, sagt Buck. Und dank sozialer Medien macht die Nachricht, dass der Lift geöffnet ist, auch schnell die Runde.
Auch wenn sich Buck und die mehr als 100 Gesellschafter der GbR noch mehr gewünscht hätten: Das reicht wirtschaftlich. »Wir brauchen zwei Wochenenden, um eine schwarze Null zu schreiben«, sagt Buck. »Wir hatten schon etliche schlechtere Jahre.«
Glück im Unglück brachten die Corona-Jahre: Eine Regelung, die es so nur in Baden-Württemberg gab, machte es möglich, dass der Lift stundenweise exklusiv an Familien vermietet werden konnte. »Wir hatten teilweise von 6 Uhr morgens bis Mitternacht Betrieb«, blickt Buck zurück. Versuche, das Modell über die Pandemie hinaus weiterzuführen, sind allerdings gescheitert: Attraktiv wäre es beispielsweise für Firmenevents – die allerdings eine verbindliche Planbarkeit erfordern, die der Alb-Winter nun mal nicht zu bieten hat.
»Wirtschaftlich ist unsere Situation noch stabil«, betont Buck, »wir haben liquide Mittel, Geldanlagen, die für uns arbeiten, und keine Schulden. Aber. Wir brauchen jeden Winter Einnahmen.« Klar ist auch: »Der Lift ist nichts, in das ein klassisches Unternehmen weiter investieren würde. Für uns ist das ein Hobby, zu dem viel Idealismus gehört.«
Investiert wurde in den vergangenen Jahren immer wieder, zuletzt in ein modernes, kontaktloses Ticketsystem und ein neues Drahtseil für den Lift. Dafür floss von Leader Mittlere Alb Fördergeld in Höhe von rund 100.000 Euro. Ende März haben Buck und seine Mitstreiter einen Gesprächstermin mit Vertretern der Stadt Münsingen im Kalender stehen, konkret soll es um den Bau eines Kleinlifts gehen, der auch bei wenig Schnee betrieben werden kann, sodass zumindest Kinder-Skikurse angeboten werden können, auch wenn der »große« Lift nicht läuft.
Auch eine ganzjährige Nutzung der Anlage und des Geländes würde der GbR finanziell erheblich weiterhelfen. Ideen und sogar Förderzusagen gab’s, zerschellt sind sie am Behördenwillen: Eine Downhill-Strecke für Mountainbiker scheiterte am Naturschutz, eine Ferienwohnung im oberen Stock der Skihütte am Forst, der das Gebäude für eine derartige Nutzung für zu nah am Wald gelegen befand.
»Erweitern dürfen wir die Hütte also nicht, sanieren schon«, so Buck. Das allerdings soll frühestens dann ein Thema werden, wenn es in Sachen Sommernutzung weitergeht. Hoffnungen setzt Buck dabei auf die Wanderkonzeption, die von der Tourist-Info der Stadt derzeit stark ausgebaut wird. Auch diese Thema solle, ebenso wie eine Ladeinfrastruktur für E-Bikes an der Hütte, Inhalt weiterer Gespräche mit der Stadt sein.
Wintersportarena Holzelfingen zieht an guten Tagen 2.000 Besucher an
Fünf Lifte, sechs Abfahrten mit insgesamt 3,5 Kilometer Streckenlänge, ein Abenteuerland für Kinder, Après-Ski in der Herzl-Alm, 16 Kilometer Loipen für Skating und klassisch, Rodelhang: Die Wintersportarena in Holzelfingen zieht an guten Tagen 2.000 Besucher an, sagt Jochen Gekeler, Sprecher der vier Familien, die gemeinsam die GbR betreiben. Die haben in den vergangenen Jahren Geld in Hand genommen, um aus den beiden Skiliften Heutal und Salach »das einzige zusammenhängende Skigebiet der Schwäbischen Alb« zu machen.
Und das ist in der Region der Renner – wenn Schnee liegt. In dieser Saison war das an sieben Tagen der Fall, sagt Gekeler, der keine Hoffnung hat, dass da noch ein paar dazukommen. »Der Winter ist vorbei.« Es mögen noch ein paar Schneeflocken fallen, fürs Skifahren wird es aber nicht mehr reichen, ist er sich sicher.
Und sieben Tage sind 23 zu wenig. Gekeler führt die Statistik fort, die schon sein Vater begonnen hatte. Demnach konnte man in den vergangenen 20 Jahren durchschnittlich an knapp 30 Tagen in Holzelfingen Ski fahren. In den Siebzigerjahren waren es mal 36 Tag im Schnitt, in den Neunzigern deutlich weniger. Von null bis 60 Tage reicht das Spektrum auf der Alb, sagt er. Und darauf hat sich die Wintersportarena eingestellt. Das heißt: In den guten Jahren muss Geld zurückgelegt werden, um die schlechten zu überstehen. So war das schon immer, sagt Gekeler. »Man darf dieses Geld nicht aus dem Betrieb rausziehen.« Einen Skilift auf der Alb zu betreiben, »ist Idealismus«, betont er. »Wir wollen die Möglichkeit erhalten, dass man auf der Alb das Skifahren lernen kann – der Liftbetrieb ist ein Kulturgut.« Letztlich sei das auch jedem Liftbetreiber bewusst.
Natürlich müsse man gleichwohl Geld verdienen. In der Wintersportarena steht die Sanierung der Hütte an – samt sanitären Anlagen, auch das Flutlicht muss ausgebaut werden. Gekeler ist realistisch, seine Mitgesellschafter gehen nicht davon aus, dass sie sich in Zukunft eine goldene Nase verdienen, aber er sieht auch nicht das Ende der Wintersportarena kommen. Apropos Ende: Einmal musste die Wintersportarena nach 60 Skitagen den Betrieb einstellen, obwohl mehr als genug Schnee lag. »Die Leute waren einfach satt, da wollte keiner mehr fahren.«
Kaum Skifahrer am Skilift in Sonnenbühl-Genkingen
Nur drei Tage Anfang Dezember ist der Skilift in Sonnenbühl-Genkingen in der Saison 2023/2024 bisher gelaufen, etwa 500 Menschen kamen da an einem Samstag und an zwei Abenden zum Wintersport. »Kein Massenansturm«, sagt Betreiber Volker Schanz. Keiner, wie ihn der Genkinger Hang zum Beispiel im Januar 2019 und so mancher Saison in 55 Jahren erlebte. Im Pandemie-Jahr 2020, um Weihnachten und den Jahreswechsel herum, kamen zwar Massen, die Coronaregelungen ließen aber nur begrenzt den Betrieb etwa durch Vermietung von Zeitslots für Mitglieder eines Haushalts zu. Trotz Kälteperioden auch im diesjährigen Januar sei die Schneeauflage zu gering gewesen, den Skilift hat Volker Schanz deshalb meist im Stillstand gelassen.
Das ist in Genkingen nicht das erste Mal so: Auch bis Ende Januar 2020 war von Winter keine Spur, Lifte auf der Alb standen still, statt Langläufer auf die Loipen zog es eher Wanderer und Spaziergänger nach draußen. Die Alb sei nie durchgehend von November bis März schneesicher, sagt Schanz, und die Saison dauere meist kaum länger als drei bis vier Wochen. Wer einen Skilift betreibt, ist nun mal vom Wetter abhängig. Wenn aber Schnee liegt, kommen die Skifahrer, das ist zumindest sicher.
Drei Tage Liftbetrieb in diesem Winter – das sei eigentlich zu wenig, deshalb muss der Verlust beziehungsweise müssen die Fixkosten durch die Gastronomie den Sommer und das ganze Jahr über aufgefangen und gegenfinanziert werden, sagt Schanz. Das sind unter anderem die Kosten für die jährliche TÜV-Abnahme und die Haftpflichtversicherung. »Ein überschaubarer Betrag«, betont Volker Schanz.
In Genkingen gibt es drei Anlagen, die 90 Höhenmeter überwinden. Den Skilift, den seine Eltern Helmut und Marianne Schanz 1969 gebaut haben, zu schließen, kommt für Volker Schanz nicht infrage. »Er müsste rückgebaut und das Gelände rekultiviert werden, das wäre zu teuer«, sagt er, die Umweltauflagen seien hoch. 100 Jahre, rechnet er gegen, was Abbau und Rekultivierung kosten würden, könne man die Anlage auch im Standby-Modus lassen.
Die meiste Fläche (sieben Hektar) sind in Schanz’ Eigentum, vier Hektar hat er von Gemeinde und einem Landwirt dazu gepachtet, auch dafür sei ein überschaubarer Betrag zu zahlen. Die Pflege des Geländes und die Wartung der Anlage übernimmt der Betreiber selbst. Das spart Personalkosten.
»Ich denke, dass wir immer auch schneereiche Winter und Kältephasen auf der Alb haben werden.« Ansonsten setzt Schanz im Sommer beim dazugehörigen Rasthaus neben Veranstaltungen zu den Öffnungszeiten auch auf Bewirtung von Wanderern und Radfahrern, die dank E-Bike-Boom deutlich häufiger als früher einkehren.
Dass es in den kommenden Wochen noch einmal Schneehöhen von zehn bis 15 Zentimetern gibt, glaubt Schanz nicht. »Der Winter ist vorbei«, den Leuten stehe nun mehr der Sinn nach radeln und wandern. Aber beim Skifahren ist »nach der Saison vor der Saison«, sagt er in Hoffnung auf einen schneereichen Winter 2024/2025. (GEA)