ZWIEFALTEN. Boah, was soll ich bloß wieder anziehen? Wer die Wahl hat, hat die Qual. Und, Hand aufs Herz: Die meisten wären vielleicht gerne Minimalisten, sind's aber nicht. Der Schrank ist (zu) voll. Sei's, weil man (typisch schwäbisch) hortet und aufhebt, was man irgendwann nochmal gebrauchen könnte, sei's, weil man beim Bummel durch die Stadt mal wieder was Unwiderstehliches gefunden hat. Nachhaltiger wäre es, weniger zu kaufen, dafür mehr Qualität, mehr Zeitloses. Für diese Philosophie steht das kleine Label Schwabenpower von der Alb, das auf Fair Fashion setzt - sowohl in ökologischer als auch in sozialer Hinsicht.
Seit rund drei Jahren bringt das kleine Team um Gründerin Steffi Schrode und Leiterin Petra Siegle eine Kollektion von T- und Sweat-Shirts heraus, die in kleiner Stückzahl mithilfe regionaler Partner im Umkreis von maximal 50 Kilometern hergestellt werden. Verkauft werden sie nicht nur im Online-Shop und auf Verbraucher-Messen wie jüngst der »schön & gut« in Münsingen, sondern seit einiger Zeit auch im eigenen Laden in Zwiefalten. Mitte des vergangenen Jahres ist Schwabenpower in seine Räume in der Hauptstraße eingezogen. Dass hier früher eine Apotheke war, ist noch zu sehen. Einen Teil der Einrichtung haben die Schwabenpower-Frauen übernommen. Die typischen Schränke mit den großen Schubladen sind geblieben und wurden kombiniert mit Möbeln aus Donau-Schwemmholz.
Dass aus einer am Esstisch der Familie Schrode in Hayingen entstandenen Idee ein kleines, regionales Mode-Label werden würde, hätte damals niemand geglaubt. Denn eigentlich hatte Steffi Schrode bis dahin eher mit Bau-Themen zu tun als mit Kleidung: Ihr Mann Rainer ist mit seiner Firma MTS in Hayingen seit über 20 Jahren im Baugewerbe tätig und beschäftigt inzwischen rund 20 Mitarbeitende. Geplant war damals, einfach ein paar Merchandise-Artikel für die Firma zu entwerfen und produzieren zu lassen. Die Idee: »Ein Pulli mit dem Schriftzug Schwabenpower«, erzählt Steffi Schrode.
Passend zur MTS-Firmenphilosophie, die Nachhaltigkeit und Regionalität in den Mittelpunkt stellt, machte sie sich auf die Suche nach einem Partner, der das besagte Kleidungsstück umsetzen könnte. So entstand der Kontakt zu Rudi Loder in Albstadt, der 2010 das vor über 100 Jahren gegründete Traditionsunternehmen Gota übernommen hat. Jedenfalls hat die Chemie zwischen den beiden regionalen Unternehmen, die bisher in völlig unterschiedlichen Bereichen zu Hause waren, gestimmt. Und so wurde aus der Ursprungsidee, ein paar Kleidungsstücke für Mitarbeiter und Kunden zu machen, schnell etwas anderes und größeres: ein eigenes Label namens Schwabenpower, das mit dem Anspruch antrat, eine »50-Kilometer-Kollektion« zu entwerfen und zu produzieren.
Natürlich: Baumwolle wächst nicht auf der Alb, der Rohstoff für die T-Shirts und Sweater muss woanders herkommen. Das biozertifizierte Rohmaterial wächst in Griechenland und in der Türkei, von einem Betrieb im Ulmer Raum wird es zu Garn gesponnen und in ausgewählten Partner-Betrieben im 50-Kilometer-Umkreis weiterverarbeitet - vom Stricken übers Färben bis hin zur Konfektion. Schwabenpower arbeitet mit vielen kleinen Nähereien zusammen. »Wir wissen von jedem einzelnen Teil, wer es genäht hat«, sagt Petra Siegle. Bestellungen über den Online-Shop werden liebevoll verpackt, auf einem handgeschriebenen Zettel steht der Name der Näherin. »So entsteht eine Beziehung zum Kleidungsstück«, erklärt Petra Siegle. Je länger die Sachen geliebt und getragen werden, desto nachhaltiger sind sie.
Produziert wird in kleinen Stückzahlen, »von jedem Modell gibt es meistens rund 100 Exemplare, verteilt über alle Größen«, sagt Petra Siegle. Bei den Kindersachen sind es oft noch weniger, »wenn etwas gut ankommt, machen wir dann eben noch ein paar mehr«. Die Entwürfe und Schnitte stammen von Anja Bayer, die an der Modeschule in Sigmaringen den Beruf der Schnittdirectrice gelernt hat. Die Fachfrau ist ein Glücksfall für Schwabenpower. Denn dass Designer auch nähen können, ist heute nicht mehr selbstverständlich. Anja Bayer kann's, im Laden in Zwiefalten trifft man sie schon mal an der Nähmaschine sitzend an, wenn sie an Musterteilen arbeitet. Stolz sind die Frauen darauf, dass sie auch individuelle Wünsche berücksichtigen können: »Nicht jeder Mensch hat eine Modelfigur und eine Standardgröße«, sagt Petra Siegle. Bei Bedarf werden also beispielsweise Ärmel kürzer gemacht oder im Brustbereich ein paar Zentimeter mehr zugegeben, und wenn ein Lieblingsstück mal eine Reparatur nötig hat, wird auch die gerne erledigt.
Die Schnitte sind klassisch, sportlich und zeitlos, neben den Schwabenpower-Schriftzügen spielt vor allem ein schlichtes, grafisches Logo als Gestaltungselement eine wichtige Rolle: Es setzt sich aus einem angeschnittenen Kreis, in den ein Dreieck hineinragt, zusammen. Petra Siegle assoziiert damit ein Hausdach als Symbol dafür, dass sich das Kleidungsstück »hoimelig« anfühlen soll. Vor allem bei Kindern beliebt ist der kleine Comic-Esel Minou, für den Steffi Schrodes Haustier Pate stand. Nicht nur als Motiv, sondern auch als Maskottchen ist er zu haben: In einem Körbchen liegen kleine Stoff-Esel, gehäkelt hat sie Martin von der Bruderhaus-Diakonie, steht auf einem Schild. Der Esel ist nicht das einzige Mitbringsel, das man im Schwabenpower-Laden kaufen kann. Neben den Kleidungsstücken gehören auch regionale Produkte wie Seifen, Gewürze und mehr zum Sortiment.
Auch aus der Ursprungsidee ist übrigens noch was geworden: In einem separaten Regal finden sich MTS-Merchandise-Artikel. Schwabenpower steckt aber nicht nur in der Hayinger Baufirma, sondern auch in den Volleyball-Spielern des TV Rottenburg, für die es eine eigene kleine Kollektion gibt: Die Sportler tragen Sweatshirts und T-Shirts mit Schriftzug in ihrer Vereinsfarbe Rot, die eigens für sie angefertigt wurden. Ein Zufall brachte das Mode-Label und den Verein zusammen: Denn dass »Schwabenpower« auch ein Schlachtruf der Spieler ist, erfuhren Steffi Schrode und Petra Siegle, als sie auf der Suche nach Models waren und über einen Tipp auf TVR-Spieler Dirk Mehlberg aufmerksam wurden. Seitdem besteht eine Sponsoring-Partnerschaft. (GEA)