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Aktuell Prozess

Reutlinger Amtsgericht stellt Verfahren gegen Polizisten von der Alb ein

Das Amtsgericht Reutlingen hat laut Staatsanwaltschaft einen Grenzfall behandelt: Ein Beamter aus einer Alb-Kommune hatte kinderpornografisches Bild aus einem Chat auf seinem Handy gespeichert.

Der Angeklagte, der sich vor dem Amtsgericht Reutlingen betrunken hat, soll abgeschoben werden.
Der Angeklagte, der sich vor dem Amtsgericht Reutlingen betrunken hat, soll abgeschoben werden. Foto: Archiv/Stephan Zenke
Der Angeklagte, der sich vor dem Amtsgericht Reutlingen betrunken hat, soll abgeschoben werden.
Foto: Archiv/Stephan Zenke

REUTLINGEN. Lieber mal öfter nachschauen, was über eine WhatsApp-Gruppe verschickt wird und was man auf dem Mobiltelefon gespeichert hat: Das, und sich zu informieren, ob ein Foto oder Video strafrechtliche Relevanz haben könnte, riet Richter Eberhard Hausch dem Angeklagten, Mitte 30, der sich wegen Besitzes, Verbreitung und Erwerbs kinderpornografischer Schriften vor dem Schöffengericht in Reutlingen verantworten musste. Vor allem, weil der Mann von der Alb von Beruf Polizeibeamter ist.

Ein 37 Sekunden langes Video ist einem jungen Älbler zum Verhängnis geworden. Das zeigt einen Dreijährigen, für die Staatsanwaltschaft ein Bewegtbild mit kinderpornografischem Inhalt. Sie ordnete eine Durchsuchung der Wohnung des damals Tatverdächtigen an, die Ermittler stellten Mobiltelefon, Laptop und Tablet sicher, darauf fanden sie den Videoschnipsel. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen den Polizeibeamten. Das war bereits 2022, die Nachricht mit dem prekären Inhalt hatte der Angeklagte bereits 2019 erhalten.

Emojis als Kommentar

Vorausgegangen waren Ermittlungen des Landeskriminalamts (LKA) gegen einen anderen Kollegen, wie der Ermittlungsführer als Zeuge aussagte. Dabei ging es ebenfalls um Chats und den Verdacht auf einen rechtsradikalen Hintergrund. Dabei tauchten auch Bilder kinderpornografischen Inhalts aus. An dem Chat war auch der Kollege beteiligt, der 2019 das besagte Video in eine WhatsApp-Gruppe geschickt hatte, dessen Mitglied der Angeklagte sowie weitere acht bis zehn Polizeibeamte waren, die sich auf einem Ausflug befanden. Nach dem Erhalt des Videos kommentierte es ein Beamter, der Angeklagte schickte Tränen lachende Emojis. Er könne nicht sagen, worauf sich die Emojis bezogen hätten – das Video oder den nachfolgenden Kommentar, sagte der Ermittler. Bei der Durchsuchung der Geräte des ledigen Angeklagten habe man außerdem zwei weitere Bilder gefunden, eines zeige ein Kind, das aus einem Zug uriniert, das andere einen Jungen am Badesee, vermutlich beim Springen ins Wasser. »Ich hätte nicht gewusst, dass das unter Kinderpornografie fällt«, sagt der LKA-Beamte, gleichwohl man die Bilder als »moralisch verwerflich« bewerten könne. Einen »Besitzwillen« habe man bei dem Angeklagten nicht feststellen können, sagte er auf Nachfrage von Richter Hausch.

Mehrere Zeugen sagten aus

Als zweiter Zeuge sagte der Kriminalhauptkommissar aus, der die Durchsuchung der Wohnung des Älblers leitete. »Wir waren mannstark vor Ort.« Der Angeklagte sei überrascht gewesen, habe sich kooperativ gezeigt, habe die PIN zum Entsperren des Handys freiwillig herausgegeben. Zu dem Vorwurf äußerte sich der Mitte 30-Jährige an dem frühen Morgen nicht.

Darauf, den dritten geladenen Zeugen, ebenfalls Polizeibeamter, verzichteten Schöffengericht, Staatsanwalt und Rechtsbeistand des Angeklagten. Der hatte sich ebenfalls im Gerichtssaal nicht zu dem Vorwurf eingelassen, allerdings gab sein Verteidiger in seinem Namen eine Erklärung ab. Es sei zutreffend, dass sein Mandant Mitglied in der Gruppe gewesen sei, das Video erhalten und einen Kommentar geschrieben habe. Er sei der Meinung gewesen, dass die Nachricht als Spaß in der WhatsApp-Gruppe gemeint gewesen war. Er hätte sensibler reagieren müssen, sei aber auch nicht davon ausgegangen, dass in einer Gruppe von und mit Kollegen, etwas geteilt werde, das nicht koscher sei. Dass das Video zum Zeitpunkt der Durchsuchung immer noch auf seinen Geräten gespeichert gewesen war, sei damit zu erklären, dass sein Mandant mittlerweile ein neues I-Phone gehabt habe, per Datentransfer sei alles vom alten aufs neue Telefon übertragen worden. Immerhin drei Jahre nach dem Versenden fand ja erst die Durchsuchung statt.

Studium nicht antreten dürfen

Das gegen seinen Mandanten angestrengte Verfahren belaste ihn, seine Dienststelle habe er informiert. Es laufe ein Disziplinarverfahren, das aber bis zum Abschluss des Verfahrens ausgesetzt ist. Weitere Folge: Der Polizeibeamte, der seine Arbeit im Mittleren Dienst versieht, so sagte er selbst aus, strebte ein Studium für den Gehobenen Dienst an. Den Auswahltest habe er bestanden und das Studium im April beginnen dürfen, wegen des Vorwurfs und des Verfahrens habe er es nicht antreten können, und seine erneute Bewerbung sei abgelehnt worden. »Ich bin karrieretechnisch drei Jahre zurückgeworfen«, sagte er sachlich. Zur Info: Er hätte aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit ein Studium von 30 Monaten absolvieren müssen.

Der Älbler arbeitet nach wie vor in seinem Beruf. Richter Hausch fragte nach der Höhe seines monatlichen Salairs. Denn in diesem Fall könne man über einen Abschluss des Verfahrens ohne Urteil nachdenken. Der Staatsanwalt stimmte zu, es handele sich hier um einen Grenzfall zwischen »schlechtem Geschmack und Kinderpornografie«. Auch der Rechtsanwalt sagte, dass eine Einstellung im Interesse seines Mandanten sei.

Vorbildfunktion der Polizei

Zwar sei der Tatbestand erfüllt. Der Angeklagte gehöre aber nicht zu den »Pädophilen«, erklärte der Richter in seiner Entscheidung. Nach alter Gesetzgebung hätte ihm bis vor einem halben Jahr noch ein Jahr Freiheitsstrafe gedroht. Deshalb könne man auch nicht umhin, das Verfahren ohne spürbare Auflagen einzustellen. »Ein Polizeibeamter hat Vorbildfunktion«, sagte Richter Eberhard Hausch. Ein deutlicher Denkzettel müsse es sein, gleichwohl in die Höhe der Auflage eingepreist sei, dass der Angeklagte sich auch einem Disziplinarverfahren gegenüber sähe. Der Staatsanwalt wäre mit einer geringen Geldauflage zufrieden gewesen, das Schöffengericht aber fordert eine Zahlung von 6.000 Euro, das Äquivalent von etwa zwei Monatsgehältern. Zu zahlen innerhalb von sechs Monaten an die TSG Reutlingen inklusiv, den Kinderschutzbund und das Mütter- und Nachbarschaftszentrum Reutlingen. Wenigstens soll der Angeklagte beruflich weiterdenken können, nach Zahlung der Geldauflage ist das Verfahren erledigt. (cofi)